Fachveranstaltung „Migration und Gesundheit“ am 24.01.2018

Prävention: Mit Bildung zu mehr Gesundheit - Projekte in Bund, Land und Kommunen sollen Barrieren für Menschen mit Migrationshintergrund abbauen helfen

Wie kann die Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung von Menschen mit Migrationshintergrund gelingen? Politik, Krankenkassen und Wohlfahrtsverbände beschäftigen sich ebenso mit dem Thema wie Kommunen und ehrenamtliche Organisationen der Migranten selbst. Entscheidend sind nachhaltige Lösungen, die sich am konkreten Bedarf vor Ort orientieren, Fortbildungen von ehren- und hauptamtlichen interkulturell tätigen Ansprechpartnern und vor allem ein gleichberechtigter Zugang zu Bildung als Grundvoraussetzung für ein gesundes Leben. Dies wurde deutlich bei der Fachtagung „Migration und Gesundheit – Welche Akzente Baden-Württemberg bei der Prävention und Gesundheitsförderung setzt“ am Mittwochvormittag im Hospitalhof in Stuttgart.

„Wir haben es bei der Gesundheitsförderung mit einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zu tun. Jeder muss in seinem Bereich seine Expertise einbringen“, betonte Frank Winkler, der für die einladenden Krankenkassenverbände vdek (Verband der Ersatzkassen Baden-Württemberg) und kuk (Kooperation unternehmensnaher Krankenkassen: BKK Landesverband Süd, IKK classic, Knappschaft und Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau SVLFG) begrüßte und die Veranstaltung moderierte. Beispielhaft stellte er das auf vier Jahre angelegte Projekt „Gesundheitslotsen für Migrantinnen und Migranten in Stuttgart“ vor, das von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert wird und die Vermittlung von Gesundheitsthemen durch Personen mit gleicher Sprache und gleichem kulturellem Hintergrund als Ziel hat. Mit diesem Ansatz sollen die sprachlichen und kulturellen Hürden genommen werden, die bei der Gesundheitsversorgung von Migranten laut Winkler „die größte Herausforderung“ sind.

Welche Akzente setzt das Land Baden-Württemberg beim Thema Migration und Gesundheit? Gudrun Heute-Bluhm, Lörracher Oberbürgermeisterin a.D. und Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg, setzt auf Projekte direkt in den Quartieren, die sich am jeweiligen Bedarf vor Ort orientieren. Hauptproblem aus ihrer Sicht: „Wir brauchen die Personen vor Ort, die ehrenamtlich interkulturell tätig sein können. Wie kommen wir an die Menschen heran?“

Auf institutioneller Ebene sind die erforderlichen Strukturen schon vorhanden, berichtete Ministerialdirektor Prof. Dr. Wolf-Dietrich Hammann aus dem Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg. Die Gesundheitsämter spielten hier eine große Rolle. Aufgabe sei nun, die interkulturelle Kompetenz der Verwaltungsmitarbeiter zu stärken. Darüber hinaus habe das Land gemeinsam mit den Kommunen Stellen für 1000 Integrationsmanager eingerichtet, die Anlaufstellen für Migrantinnen und Migranten seien. Bei Arztbesuchen könne das Konzept eines Internet-Video-Dolmetschers helfen – eine Idee aus der Gesundheitsministerkonferenz, die weiterverfolgt werden solle. Aus Sicht von Hammann ist es auf lange Sicht jedoch unerlässlich, die Sprachkompetenz der Einzelnen zu fördern.

Eine Verbesserung nicht nur der Sprachkompetenz, sondern der Bildung insgesamt forderte Thaddäus Kunzmann, Demografiebeauftragter des Landes Baden-Württemberg. Die Hauptpräventionsmaßnahme für Menschen mit und auch ohne Migrationshintergrund ist laut Kunzmann, die „Bildung von der sozialen Herkunft abzukoppeln“. Nur so lasse sich die Kausalität „sozialer Stand prägt Bildungserfolg, Bildungserfolg prägt Gesundheitszustand“ durchbrechen.

Menschen mit Migrationshintergrund nehmen Präventionsangebote und Gesundheitsvorsorge seltener wahr als die restliche Bevölkerung, erläuterte Martina Huth vom Paritätischen Gesamtverband Berlin. Das mit den oben genannten Krankenkassen in zehn Städten ins Leben gerufene, vierjährige Kooperationsprojekt „Bewusst-Gesund-Aktiv“ hat zum Ziel, diese Lücke zu schließen und Barrieren beim Thema Gesundheit abzubauen. Auch hier wird vor Ort konkret ermittelt, welcher Bedarf besteht, um gezielte Lösungen zu erarbeiten. Das Projekt wird auch in Stuttgart umgesetzt: Projektleiterin Katharina Strohmaier berichtete, wie bereits gut integrierte Jugendliche des Vereins Deutsche Jugend aus Russland e.V. Senioren der russischen Föderation unterstützen.

Auch die Krankenkassen „werden künftig immer mehr gefordert sein, den Aspekt der gesundheitlichen Versorgung der Menschen mit Migrationshintergrund bei unseren Gesprächen und Entscheidungen gemeinsam mit unseren Gesundheitspartnern wie Ärzten, Krankenhäusern oder Apothekern verstärkt zu berücksichtigen“, schlussfolgerte Jacqueline Kühne für die veranstaltenden Krankenkassen.

Kontakt

Frank Winkler
Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek)
Landesvertretung Baden-Württemberg

Tel.: 07 11 / 2 39 54 - 19
E-Mail: frank.winkler@vdek.com