Projekt „Gemeinsam in Bewegung“ bringt Aktivität in den Alltag der Alexianer-Einrichtungen in Berlin und Brandenburg

Bewegung im Alltag trägt wesentlich zur Gesundheit bei und  verbessert physische und geistige Fähigkeiten. – Das gilt auch und ganz besonders für ältere Menschen. Wer sich bewegt, unterstützt sein Herz-Kreislaufsystem, der Blutdruck bleibt stabil und die Entstehung von Arteriosklerose wird gebremst. Auch das Risiko für Diabetes, Osteoporose und Krebs ist geringer. Bewegung trainiert das Gleichgewicht, verringert das Risiko zu stürzen und schult die Koordination – wichtige Alltagskompetenzen, die ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben noch lange ermöglichen und damit das Lebensgefühl verbessern.

Die stationäre Pflegeeinrichtung der Alexianer Berlin und Brandenburg hat das erkannt und Bewegung in ihre Einrichtungen geholt.

Britta Schmidt, Geschäftsführerin der Alexianer-Seniorenpflegeheime in Berlin und Brandenburg über das Projekt „Gemeinsam in Bewegung“ (GIB).

vdek: Wie kam es zu diesem Projekt?

Britta Schmidt: In den Seniorenheimen der Alexianer wird der Grundsatz der ganzheitlich aktivierenden Pflege und Betreuung verwirklicht.  Unsere Pflegeeinrichtungen strebten an, sich vermehrt gesundheitsförderlich ausrichten. Besonders die Bereiche der körperlichen Aktivität und psychosozialen Gesundheit sollten ausgebaut werden. Wir planten u. a. zusätzlich die Installation eines Bewegungsparcours in den Außenanlagen der stationären Pflegeeinrichtungen, um das Thema Gesundheitsförderung in den Häusern weiter zu etablieren. Aber das reichte uns noch nicht.

Was ist das Neue an GIB - Bewegungsprogramme für Senioren gibt es viele…?

Schmidt: GIB nimmt die Bedürfnisse der Menschen ins Visier, die auf Gehhilfen angewiesen sind oder im Rollstuhl sitzen. In unseren Einrichtungen gab es kein standardisiertes Bewegungsprogramm, das besonders auf den Einbezug etwa von Gehhilfen einging. Unsere Mitarbeiter beobachteten, dass sich die Pflegebedürftigen körperlich oft eingeschränkt fühlten. Hilfsmittel wie Gehhilfen wurden teilweise als Hindernis gesehen, sich überhaupt aktiv zu bewegen.

Wie viele Bewohner:innen sind in Ihren Einrichtungen auf eine Gehhilfe angewiesen?

Schmidt: Zu Beginn des Projekts hatten von 577 Bewohnern 470 eine Gehilfe, 223 einen Rollator, 247 waren auf den Rollstuhl angewiesen, 29 Personen waren immobil. Nur 78 konnten sich noch ohne Hilfe fortbewegen…

…das waren also über 80 % der Bewohner, die auf Hilfsmittel angewiesen waren?

Schmidt: Genau, und deshalb sahen wir einen großen Bedarf. Bemerkenswert war, dass vor unserem Projekt viele Bewohner:innen das Gefühl hatten, es wäre für sie unmöglich, körperlich aktiv zu sein. Dass man aber auch mit Gehilfe, Rollator oder sogar dann, wenn man auf einen Rollstuhl angewiesen ist, trotzdem Sport machen und an seiner Beweglichkeit arbeiten kann, musste erst in die Köpfe.

Sie haben einen „Rollatortanz“ entwickelt. Was steckt dahinter?

Schmidt: Wir haben Bewegungs- und Tanzangebote in Groß- und Kleingruppen initiiert. In allen Häusern finden diese Angebote mittlerweile statt: sowohl wohnbereichsintern, als auch wohnbereichsübergreifend. Über Corona hat das Angebot gelitten. Sobald es aber möglich ist, werden wir die Angebote wieder aufnehmen. Ganz besonders toll finden wir, dass auch Vernetzungen in die unmittelbaren Nachbarschaften und zu Kooperationspartnern entstanden sind. Das heißt, dass auch Leute von außerhalb in die Projekte integriert wurden.

Wie darf man sich das vorstellen?

Schmidt: Es gibt zum Beispiel eine Kita, die aktiv in das Bewegungsprogramm des St. Alexius Seniorenpflegeheim in Berlin einbezogen ist. Auch das St. Franziskus Seniorenpflegeheim in Brandenburg ist fest mit einer Kindertagesstätte verbunden: Besuche und Gegenbesuche finden regelmäßig statt, die Kinder werden in die Angebote mit eingebunden und gemeinsame Auftritte werden organisiert. Oder nehmen Sie das Seniorenzentrum St. Elisabeth in Brandenburg: Dort wurde eine Kooperation mit der ortsansässigen Arbeiterwohlfahrt (AWO), Tanzen 80+ (Kulturbund) und Ehrenamtlichen fest etabliert. Auch das Bischoff-Ketteler-Haus in Berlin-Weißensee arbeitet mit einer Alzheimergruppe der Malteser und den Stationen der Gerontopsychiatrie des St. Joseph Krankenhauses zusammen. Eine Durchmischung der „jungen Rentner“ mit den älteren fördert dabei die Mobilität.

Kern des Projekts sind die Schulungen für die Mitarbeiter?

Schmidt: Es fand eine Qualifizierung der Mitarbeiter im Rahmen der Maßnahme Rollatortanz mit und ohne Gehhilfen statt. Dafür arbeiteten wir mit dem Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband (ADTV) zusammen. Die zweitägige Fortbildung erstreckte sich über die Themen Methodik, Didaktik, Aufbau von Stundenplänen und Choreographien. Der Inhalt wurde mit Ärzten, Physiologen und Psychologen ausgearbeitet. Die Mitarbeiter lernten dabei, Anweisungen zu geben und vor einer Gruppe zu stehen. Wichtig ist auch, ein genaues Auge und ein Gefühl für Rhythmus und Bewegung zu entwickeln und auf die individuelle Verfassung der Kursteilnehmer zu achten.

Außerdem kam auch ein Physiotherapeut in die Einrichtungen, um Ihnen Tipps zu geben…

Schmidt: Er entwickelte mit der Projektleitung ein speziell angepasstes  Konzept und stellte eine Auswahl von Übungen in einem Manual zusammen, das auch die Wünsche der Zielgruppe beinhaltete. Den Multiplikatoren in der Schulung wurden Bewegungsübungen gezeigt, die progressives Widerstandstraining, funktionelles Training moderater Intensitäten und Gleichgewichtstraining miteinander kombinieren. Die Übungen wurden so angepasst, dass sie die Bewohner mit und ohne Gehhilfe durchführen können. Ebenso wurden Übungen vermittelt, die von den Pflegebedürftigen eigenständig im Alltag eingebaut werden können.

Die Schulungen wurden 2018 durchgeführt. Seitdem ist ja sicherlich Personal gegangen und gekommen. Konnte das Gelernte überhaupt langfristig integriert werden?

Schmidt: Auf jeden Fall! Über die Inhalte des Bewegungsprogramms wurde ein Handbuch erstellt, das auch neuen Mitarbeiter:innen zur Verfügung gestellt wird. Über eine Art „Schneeballsystem“ im peer-to-peer-Ansatz werden sie über die Inhalte durch qualifizierte Betreuungsassistenten in den Einrichtungen geschult. So ist sichergestellt, dass das Wissen nicht verloren geht.

Wie wurde das Projekt von den Bewohner:innen angenommen?

Schmidt: Durch die Vielfalt der neuen Möglichkeiten, fühlt sich ein großer Teil der Bewohnerschaft für mindestens eines der Angebote besonders angesprochen. Die Bewohner gehen sogar aktiv in die Anwaltschaft und fordern diese Angebote vermehrt ein.  Es war uns auch wichtig, dass wir die Ideen und Vorstellungen der Bewohner:innen zu jedem Zeitpunkt berücksichtigen und in die Projektgestaltung mit einbeziehen. Auch dieser partizipativer Prozess führte wahrscheinlich dazu, dass das Projekt so gut angenommen worden ist.

Wir gratulieren dazu und danken für das Gespräch!