Kommentar von Torsten Barenborg, Leiter der vdek-Landesvertretung Bremen

Einheitliche Bundesaufsicht für eine faire Versorgung

Torsten Barenborg, Leiter der vdek-Landesvertretung Bremen

Die Bundestagswahl im September wirft ihre Schatten voraus und die Politik positioniert sich im Wahlkampf. Infolge der Corona-Pandemie und deren Aus- und Nachwirkungen wird erwartet, dass die Gesundheitspolitik in diesem Jahr einen größeren Stellenwert bekommt als in vorherigen Wahlkämpfen - und das ist gut so. Deshalb haben die Ersatzkassen einheitliche Positionen und Forderungen beschlossen, um der Politik zu zeigen, wo Verbesserungsbedarf besteht.

Das Papier der Ersatzkassen, das hier abzurufen ist, beginnt gleich mit einem Thema, dessen Bedeutung wohl nur den wenigsten bewusst ist:

„Die Ersatzkassen fordern, die einheitliche Bundesaufsicht über die gesetzlichen Krankenkassen unter dem Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) umzusetzen. Nur so kann ungleichen Bedingungen im wettbewerblichen Krankenversicherungsmarkt wirksam entgegengetreten werden.“

Das mag im ersten Moment nebensächlich klingen, doch berührt dieser Punkt das gesamte Gesundheitssystem. Gerade in der Pandemie wurde in Bremen offenkundig, wie problematisch es ist, dass die bundesweit agierenden Ersatzkassen, Betriebs- und Innungskrankenkassen der Aufsicht des BAS - einer Bundesbehörde – unterliegen, die streng über die Einhaltung des geltenden gesetzlichen Rahmens wacht, während die AOKen von einer Landesaufsicht – die in Bremen bei der Gesundheitsbehörde angesiedelt ist - beaufsichtigt werden.

Zwei Aufsichten, zwei Meinungen

Im konkreten Fall ging es um die Impfeinladung für Risikopatienten. In der bundesweit geltenden Corona-Impfverordnung war zunächst geregelt, dass die Betroffenen sich direkt an ihre Hausärzte wenden sollen, um ein ärztliches Zeugnis für einen Termin im Impfzentrum zu erhalten. Die Gesundheitsbehörde in Bremen drängte jedoch auf eine „bremische Lösung“: Die Krankenkassen sollten die betroffenen Versicherten anhand der ärztlichen Abrechnungsdaten herausfiltern und Impfcodes für die Terminvergabe direkt an sie schicken. Doch dafür gab es nach Prüfung durch das BAS weder eine rechtliche Grundlage noch eine rechtsverbindliche Diagnose-Liste. Auch die datenschutzrechtliche Grundlage war nach Rechtsaufassung des BAS nicht gegeben. Diesen begründeten Einwänden des BAS maß hingegen die Landesaufsicht keine Bedeutung bei. Stattdessen vertrat die Landesaufsicht den fragwürdigen Standpunkt, dass derartige datenschutzrechtliche Einwände den pragmatischen Erwägungen der Gesundheitsbehörde unterzuordnen sind.

Aufgrund dieser abweichenden Standpunkte zweier Aufsichten wären einerseits den bundesunmittelbaren Ersatzkassen, Betriebs- und Innungskrankenkassen die „Hände gebunden“, während anderseits geduldet worden wäre, dass die AOK ihren Versicherten Impfeinladungen zusendet.

Dass es zu dieser Ungleichbehandlung nicht gekommen ist, ist dem beherzten Eingreifen der Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard zu verdanken. Sie hat letztlich erreicht, dass das Bundesgesundheitsministerium die Corona-Impfverordnung veränderte und damit eine Rechtsgrundlage für die Umsetzung der „Bremer Lösung“ bzw. die Impfeinladung der Versicherten durch die Krankenkassen geschaffen wurde (mehr lesen).

Ungerechtigkeit ist Webfehler im Gesundheitswesen

Und genau an dieser Stelle zeigt sich ein Webfehler des Gesundheitswesens, der abgeschafft gehört:

Wenn aus einer Behörde, die auch die örtliche Krankenkasse beaufsichtigen soll, eigene „Anregungen“ zur angeblichen Verbesserung der Versorgung vor Ort kommen, kann sich eine Kasse unter Landesaufsicht diesem Wunsch kaum entziehen – auch wenn dadurch bundesweite Gesetze ignoriert werden. Auch umgekehrte Beeinflussungen sind zumindest denkbar, wodurch Wettbewerbsvorteile für regionale Krankenkassen entstehen können. In der Folge wird aber die Versorgungslandschaft in Deutschland ungerechter: Je nachdem bei welcher Kasse jemand versichert ist, werden bundesweite Gesetze beachtet - oder auch nicht. Natürlich ist das höchst fragwürdig, insbesondere auch im Hinblick auf Patientenrechte sowie die Einhaltung des Datenschutzes und letztlich auch unter wettbewerblichen Gesichtspunkten.

Daher fordern die Ersatzkassen anlässlich der Bundestagswahl 2021 erneut eine bundeseinheitliche Aufsicht für alle Krankenkassen, egal ob diese - wie z. B. die Ersatzkassen - bundesweit geöffnet sind oder ob diese nur auf Landesebene aktiv sind, wie z. B. eine AOK. Das ist die gerechtere Lösung für eine faire, gute und rechtskonforme Versorgung in allen Ländern.

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