Interview mit Jan-Paul Mosch von der Staatsanwaltschaft Bremen

"Die Aufklärungsquote dürfte überdurchschnittlich hoch sein"

Jan-Paul Mosch

Jan-Paul Mosch ist seit November 2018 Staatsanwalt in Bremen und seit Januar diesen Jahres in der Abteilung für Wirtschaftsstrafsachen. Zusammen mit einer Kollegin bearbeitet er unter anderem Strafsachen aus dem Bereich des Abrechnungsbetruges im Gesundheitswesen.

Herr Mosch, wie muss man sich einen Vorgang vorstellen, der bei Ihnen auf dem Tisch landet?

Ermittlungen wegen Abrechnungsbetruges können zunächst einmal aufgrund von Strafanzeigen durch Privatpersonen (beispielsweise durch Patienten) aufgenommen werden. Auch kann die Polizei oder die Staatsanwaltschaft aufgrund ihrer amtlichen Wahrnehmung Sachverhalte zur Kenntnis bekommen, die Betrugstaten im Gesundheitswesen als möglich erscheinen lassen. Die wesentliche Erkenntnisquelle ist allerdings die Anzeige der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigung. Das Sozialgesetzbuch verpflichtet die Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen Anhaltspunkte für Straftaten im Abrechnungswesen der Staatsanwaltschaft zu melden, „wenn die Prüfung ergibt, dass ein Anfangsverdacht für strafbare Handlungen mit nicht nur geringfügiger Bedeutung für die gesetzliche Krankenversicherung bestehen könnte“. Die Schwelle ist somit vergleichsweise niedrig. Die Meldungen erfolgen regelmäßig durch speziell dafür eingerichtete Abteilungen/Prüfgruppen.

Werden alle Fälle der Staatsanwaltschaft vorgelegt oder gibt es für die Tatverdächtigen auch eine außergerichtliche Möglichkeit, den Schaden ohne Verfahren zu begleichen?

Uns werden alle Fälle zur Kenntnis gebracht. Jedenfalls die Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen sind, wie bereits erwähnt, verpflichtet etwaige strafbare Handlungen anzuzeigen. Wie dann weiter verfahren wird, entscheidet die Staatsanwaltschaft.

Wie gehen Sie als Staatsanwaltschaft vor?

Nachdem die Polizei eine Anzeige entgegengenommen hat, vernimmt sie gegebenenfalls noch Zeugen, vermerkt Ermittlungshandlungen und übermittelt die Akten im Anschluss der Staatsanwaltschaft. Seitens der Staatsanwaltschaft werden sodann weitere strafprozessuale Maßnahmen geprüft. Im Anschluss wird entweder weiter ermittelt oder das Verfahren abgeschlossen. Teilweise muss der konkrete Schaden, unter Einbeziehung der Kassenärztlichen Vereinigung oder Krankenkassen, noch beziffert werden. Gelangt die Strafanzeige direkt von den Krankenkassen beziehungsweise der Kassenärztliche Vereinigung zu uns, ist dies regelmäßig bereits geschehen.

Bei der Organisation und Datenzusammenführung sind Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigung, Kripo, Staatsanwaltschaft und weitere Stellen involviert. Wie ist aus Ihrer Sicht die Zusammenarbeit aller Beteiligten?

Die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten funktioniert gut. Der Kontakt zur Polizei geschieht im Regelfall immer mit denselben Ermittlern und Ermittlerinnen. Auch besteht seitens der Staatsanwaltschaft Kontakt zur Kassenärztlichen Vereinigung. Zudem gibt es regelmäßig einen Austausch zwischen Kassen, Kassenärztlicher Vereinigung, Polizei und uns.

Gibt es in Bremen Hinweise auf Subventionsbetrug im Rahmen der Corona-Rettungsschirme, wie gerade vom Bundeskriminalamt veröffentlicht? Dieses schreibt ja in seinem Bericht, dass sich im Bereich der Wirtschaftskriminalität die kriminellen Akteure an die zahlreichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie angepasst und die neu entstandenen Möglichkeiten zur Tatbegehung genutzt hätten.

Corona-Subventionsbetrugsfälle bearbeiten wir ebenfalls. Über den Gesamtschaden oder die Anzahl der Taten kann ich zu diesem Zeitpunkt nichts sagen.

Wie hoch ist die Aufklärungsquote im Bereich des Abrechnungsbetrugs?

Die dürfte überdurchschnittlich hoch sein, da einem im Regelfall die Abrechnungs- und Bankunterlagen zur Verfügung stehen. Der Fall, beziehungsweise die Tat, sind gut rekonstruierbar, was der Beweisführung zu Gute kommt. Welchen Anteil die angezeigten oder aufgeklärten Fälle an den Gesamtfällen haben, vermag ich nicht zu beurteilen.