Interview mit Karoline Linnert

„Die Festlegung des Haushaltes ist die entscheidende Stellschraube“

Frau mit Brille

Karoline Linnert war von 2007 bis 2019 Finanzsenatorin in Bremen und zusammen mit Carsten Sieling, Bürgermeisterin von Bremen. Mit dem Übergang vom MDK zum MD Bremen wird sie neues Verwaltungsratsmitglied des MD Bremen sein.

Frau Linnert, was sind Ihre persönlichen Beweggründe, Mitglied des MD-Verwaltungsrats zu werden und in welcher Rolle sehen Sie sich dort, nach Ihren einflussreichen Aufgaben in der Politik?

Da die Weisheit des Universums bekanntlich in einem Reiskorn liegt, sehe ich die Bedeutung auch in dieser Aufgabe. Eigentlich habe ich immer das gemacht, was mir interessant schien und das ist beim Medizinischen Dienst jetzt auch so. Hier erschließt sich mir eine neue Welt und ich kann mich nach langer, ziemlich aufreibender Berufstätigkeit und nach einer kurzen Erholungspause jetzt noch ehrenamtlich für Bremen nützlich machen. Bisher scheint mir die Aufgabe sehr interessant.

"Finanzielle Situation ist zu verbessern"

Sicherlich wurde ich auch wegen meines finanzpolitischen Hintergrundes gefragt. Denn der Medizinische Dienst Bremen ist ja im Bundesvergleich ziemlich teuer. Er hat eine sehr hohe Umlage und meinem Verständnis nach auch eine ganze Reihe von strukturellen Problemen. Im Verwaltungsrat sehe ich meine Rolle darin, darauf hinzuarbeiten, dass wir noch solider wirtschaften und die finanzielle Situation in den nächsten Jahren verbessern.

Wie sehen Sie das Bild des MDK in der Öffentlichkeit?

Ich glaube, dass wir hier in Bremen sehr viele gute und motivierte Beschäftigte haben. Das öffentliche Bild wird ja fast immer von denjenigen bestimmt, die, berechtigter oder unberechtigter Weise, Kritik äußern – das gilt ja nicht nur für den Medizinischen Dienst. Ich würde mir wünschen, dass man noch offensiver zeigt, dass man gut wirtschaften kann. Bei den Gutachten geht es darum, sich kontinuierlich darum zu bemühen, dass man warmherzig, zugewandt und ideenreich begutachtet und es nicht dabei belässt, wenn man Probleme feststellt, sondern dass man in der häuslichen Situation auch berät, welche anderen Dienstleister noch dazu beitragen könnten, die Situation zu verbessern.

Der Verwaltungsrat stellt den jährlichen Haushaltsplan fest und beschließt die Satzung, prüft die Betriebs- und Rechnungsführung und stellt Richtlinien für die Erfüllung der Aufgaben auf. Sehen Sie im Rahmen der vorgegebenen Aufgaben Spielraum, Akzente in Ihrer Arbeit zu setzen?

Für mich ist die Festlegung des Haushaltes die entscheidende Stellschraube, die der Verwaltungsrat hat, um die Geschäftsführung zu steuern. Man kann sich zum Beispiel anschauen, dass Bremen einen bundesweiten Spitzenplatz hat, dass Gutachten von Freiberuflern gemacht werden, anstatt von Festangestellten, obwohl im Haushaltsplan etwas ganz anderes steht. Wenn man darauf besteht, dass der Haushaltsplan eingehalten wird und diesen Anteil von Gutachten, die von Externen und eigenen Mitarbeiter:innen erbracht werden verändert, dann verändert das auch den Charakter des Medizinischen Dienstes. Deshalb liegt in dem, was im Haushalt ist, eine ganze Welt, die der Verwaltungsrat, wenn er das denn will und sich auf inhaltliche Schwerpunkte und Akzente einigt, dann auch bedienen kann.

"Stellschraube ist immer der Haushalt"

Man kann auch Geld für Öffentlichkeitsarbeit einstellen, indem man stadteilbezogen Beratungsgespräche anbietet, zum Beispiel den Ortsämtern, um sich dort vorzustellen. Da gibt es eine ganze Menge Möglichkeiten. Die Stellschraube ist aber immer der Haushalt, indem man dafür eben Geld bereitstellt. Außerdem ist es ja so, dass wir jetzt eine Ombudsperson bekommen werden und da glaube ich, dass man sich als Verwaltungsrat zur Angewohnheit machen sollte, die Erfahrung der Ombudsperson regelmäßig zu hören und auszuwerten: Was passiert eigentlich bei Beschwerden, bei Widersprüchen? Wie fehlerfreundlich sind wir eigentlich? Ist der Medizinische Dienst ein lernendes System, wenn mal Sachen schiefgelaufen sind? Das sind alles Fragen, die sich der Verwaltungsrat zu Eigen machen kann.

Hier sind Geschäftsführung und Verwaltungsrat auch eng genug verknüpft, dass diese Erkenntnisse direkt in das operative Geschäft einfließen?

Die zukünftige Geschäftsführung des Medizinischen Dienstes soll ja dem Verwaltungsrat zuarbeiten und nimmt an den Sitzungen des Verwaltungsrates teil. Und sie ist so gut wie unbegrenzt auskunftspflichtig. Der Verwaltungsrat hat zudem das Recht und die Pflicht, dem Vorstand dann auch Aufträge zu erteilen.

Die Zusammensetzung der Verwaltungsräte hat sich mit dem MDK-Reformgesetz geändert. Sehen Sie dort zukünftig andere Schwerpunkte in deren Arbeit? Was könnte sich ändern?

Das ist eine große Chance, dass Patienten und auch Beschäftigte da ihre Stimme erheben und vorbringen können, was ihnen unter den Nägeln brennt und dass der Verwaltungsrat sich dann auf strukturierte Weise dem widmen kann.

Bei der MDK-Reform geht es ja grundsätzlich nicht um die Veränderung der Arbeit der MDKen, sondern um Transparenz und Akzeptanz. Wo sehen Sie die Chancen für den zukünftigen MD?

Das Gremium tagt drei oder vier Mal im Jahr und man muss sehen, was die ehrenamtlichen Mitglieder daraus machen. Am Ende glaube ich, dass man es hinbekommen muss, die Medizinischen Dienste als Institution in der öffentlichen Wahrnehmung zu verankern, die den Versicherten die Sicherheit geben, dass es ihre Institution ist und nicht eine neue Behörde. Sie müssen sagen können: „Ich kann mich darauf verlassen, dort empathisch, fehlerfreundlich, warmherzig und zeitnah im Rahmen der Gesetze behandelt zu werden." Dazu muss der MD auch in der Lage sein Fehler einzuräumen, wenn es mal nicht so gut gelaufen ist und zu schauen, wo Verbesserungen notwendig sind. Das gehört zu einer modernen Führung dazu. So ein Image muss man versuchen, sich zu erarbeiten. Das dauert viele Jahre, aber es ist möglich.