Pflegende nicht allein lassen
Wie soll das erreicht werden?
Bülken: Es ist wichtig, die Pflegenden in schwierigen Situationen nicht allein zu lassen. Dafür brauchen wir die Führungskräfte im Boot. Kollegiale Beratung, Supervision und andere Entlastungsangebote müssen selbstverständlich sein. Die Selbstreflexion sollte sofort einsetzen. Es ist kein Makel, Überlastungssituationen aufzuzeigen, sondern ein Zeichen von Pflegequalität. Absolutes Tabuthema ist es bislang auch, wenn junge Pflegekräfte sexuelle Übergriffe durch BewohnerInnen erleben und von manchen KollegInnen nicht ernst genommen werden. Nach dem Motto: „Daran musst du dich gewöhnen, sonst bist du falsch im Job.“ Da wünsche ich mir einen anderen Umgang. Aber das dauert.
Hauenstein: Wir werden AnsprechpartnerInnen in den Einrichtungen haben, die nicht nur allgemein für Prävention, sondern speziell für Prävention von Gewalt zuständig sind, so dass unsere Mitarbeitenden geschult werden, mit gewaltsamen Situationen umzugehen, diese ansprechen können und wissen, wir ergreifen bei einem konkreten Vorfall ganz klar definierte Maßnahme, damit sich so etwas nicht wiederholt. Maßnahmen aus BewohnerInnensicht werden derzeit noch geplant, aber eines wurde bereits benannt und zum Teil schon umgesetzt: BewohnerInnen möchten einen „Kummerkasten“, mit dem sie die Möglichkeit haben, auch anonym Probleme zu melden, und sicher sein können, dass ihre Rückmeldungen an die richtige Stelle weitergegeben werden.
Bülken: Wir möchten, dass sich unsere BewohnerInnen mehr einbringen. In die Altenpflege gehört sehr viel mehr Selbstbestimmung. Zudem wünsche ich mir, auch die Angehörigen mit im Boot zu haben. Ich glaube, wenn wir das schaffen, sind auch die Pflegenden zufriedener, was die Attraktivität des Berufs und die Zufriedenheit mit der AWO als Arbeitgeber steigert.
Soll das Projekt auch in den anderen AWO-Einrichtungen stattfinden?
Bülken: Wir haben ca. 450 MitarbeiterInnen und noch einmal so viele BewohnerInnen. Damit es wirksam wird, starten wir mit drei Einrichtungen, die anderen sollen dann folgen. In der Steuerungsgruppe des Projektes sitzen aber alle Einrichtungs- und Pflegedienstleitungen, sind also von Anfang an eingebunden. Das Interesse ist groß.