5. Hamburger Gesundheitstreff: "Personalisierte Medizin - Zwischen Versprechen und Wirklichkeit"

Ob die sogenannte „Personalisierte Medizin“ breiten Nutzen bringen wird, ist derzeit offen – diese Einschätzung stellte Professor Wolf-Dieter Ludwig in den Mittelpunkt seines Impulsvortrags auf dem 5. Gesundheitstreff. Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft meint, dass weder Patienten noch ihre Ärzte genügend unabhängige Studienergebnisse zur Verfügung haben, um einschätzen zu können, ob eine solche Therapie sinnvoll ist.

5. Hamburger Gesundheitstreff des vdek
Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig beim Impulsvortrag zum Thema "Personalisierte Medizin"

„Werden Patienten auf den Prunkwagen der personalisierten Medizin in das Paradies medizinischen Fortschritts gefahren oder werden sie vor den Karren der molekularbiologischen Forschung und der Pharmaindustrie gespannt?“ Diese Frage, die vom Deutschen Ethikrat aufgeworfen wurde, sei berechtigt. Als Beispiel nannte Ludwig den Einsatz von Biomarker-basierten Tests bei Brustkrebs, um herauszufinden, ob eine Patientin von einer Chemotherapie profitiert. Dazu gebe es aktuell kein eindeutiges Bild, sondern unterschiedliche Bewertungen in Leitlinien und unterschiedliche Evidenzgrade bei den verfügbaren Tests. Es sei richtig, die Personalisierte Medizin weiter zu erforschen, dabei müssten aber Scheininnovationen erkannt und zu wenig geprüfte Verfahren ausgeschlossen werden.

Nicht euphorisch, sondern mit einem unabhängigen Blick sollten die Herausforderungen der sogenannten „Personalisierten Medizin“ angegangen werden, darüber waren sich die Experten bei der Podiumsdiskussion auf dem 5. Hamburger Gesundheitstreffs einig. Das Thema spiele bereits heute eine Rolle in den Hamburger Facharztpraxen, berichtete Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung. Seine Kollegen befänden sich in einem „Spannungsfeld“. Es sei eine „heikle Aufgabe“, mit Patienten, die mit großen Hoffnungen in die Praxis kämen, sachlich die wirklichen Chancen und Risiken zu besprechen. Ungelöst ist für Professor Christian Gerloff, kommissarischer Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, nach wie vor die Frage, wie die teuren Medikamentenentwicklungen finanziert werden sollen, ohne dass das Geld an anderer Stelle fehlt. „Wir müssen die Finanzströme dahin lenken, wo sie am meisten gebraucht werden“, sagte der Klinikdirektor.

 

Podiumsdiskussion beim 5. Hamburger Gesundheitstreff
Angeregte Debatte: (v.l.) Johann Fontaine, Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, Prof. Dr. Christian Gerloff, Ärztlicher Direktor, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (kommiss.), vdek-Landesvertretungsleiterin Kathrin Herbst, Dr. Stephan Hofmeister, stellv. Vorsitzender KVH, Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

Auch Kathrin Herbst, Leiterin der vdek-Landesvertretung, betonte, die gesetzliche Krankenversicherung werde nur diejenigen Neuerungen finanzieren, die „einen echten Fortschritt bedeuten und nachweisbare Verbesserungen“ bringen. Es nutze vielen Patienten nichts, aus Gentests zu erfahren, dass sie an einer bestimmten Erkrankung leiden werden, wenn es für diese Krankheit keine Behandlung gibt. Auf ein anderes ethisches Problem machte Johann Fontaine von der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz aufmerksam. Bislang sei in unserem Gesundheitswesen der Solidargedanke vorherrschend. Wenn die Entwicklung jetzt dahin gehe, dass genetische Diagnostik immer billiger werde, müsse man aufpassen, dass nicht die Verantwortung für die Abwehr einer Krankheit aus den sozialen Schutzsystemen herausfalle und auf das Individuum verlagert werde.

5. Hamburger Gesundheitstreff des vdek
Blick in Veranstaltungsraum im Hotel Hafen Hamburg
5. Hamburger Gesundheitstreff des vdek
Teilnehmer der Podiumsdiskussion (v.l.) Moderatorin Vera Cordes, Johann Fontaine, Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, Prof. Dr. Christian Gerloff, Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (kommiss.), Dr. Stephan Hofmeister, Vize-Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, vdek-Landesvertretungsleiterin Kathrin Herbst