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Kampf gegen Brust- und Eierstockkrebs: Angebot am UKE bei familiärem Risiko

In der onkologischen Therapie setzen die Ersatzkassen auf medizinische Hochtechnologie. Beispielhaft dafür ist die integrierte Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Brust- und Eierstockkrebs, wie sie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) angeboten wird.

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Auf einem karierten Blatt Papier hat die Frau mit dem Kurzhaarschnitt etliche Jahresdaten fein säuberlich untereinander geschrieben. Das Todesjahr der Großmutter, das Jahr, in dem ihre Mutter beide Brüste wegen Brustkrebs verlor und das Jahr, an dem die Krebsart auch bei der eigenen Schwester diagnostiziert wurde. Diese Familiengeschichte lässt der Hamburgerin keine Ruhe. Daher sucht sie am UKE in einer interdisziplinären Sprechstunde nach Antworten darauf, was der Leidensweg ihrer Angehörigen für ihre eigene Gesundheit bedeutet.

„Fallen Ihnen sonst noch Verwandte ein, die Krebs hatten?“, will die Gynäkologin Dr. Alma-Verena Müller-Rausch von ihr wissen. Die Ärztin beugt sich über die Aufzeichnungen, die ihre Kollegin Dr. Katja Kloth, eine Humangenetikerin, während der ersten Gesprächsminuten bereits gemacht hat. Die Frau schüttelt den Kopf und greift nach einem Taschentuch, weil ihr die Tränen kommen. „Meine Mutter weiß bestimmt mehr. Aber sie redet nicht rüber. Das Thema ist für sie tabu.“

Gespräche wie dieses, in dem einfühlsam und akribisch zugleich die Krankheitsgeschichte in einer Familie nachvollzogen wird, sind Alltag in der interdisziplinären Spezialsprechstunde am Brustzentrum. Die Sprechstunde wendet sich an Frauen, die wissen oder befürchten, dass sie ein erblich erhöhtes Risiko haben, an Brust- oder Eierstockkrebs zu erkranken. Bei fünf bis zehn Prozent der von Brustkrebs Betroffenen ist ein angeborener Gendefekt – zum Beispiel an den Genen BRCA1 oder BRCA2 – die Ursache für den Ausbruch der Krankheit. Die Abkürzung BRCA steht für breast cancer, also für Brustkrebs auf Englisch.

Ein familiäres Risiko wird vermutet, wenn beispielsweise bei einer Verwandten vor dem 36. Lebensjahr Krebs diagnostiziert wird, ein Mann an Brustkrebs und eine weitere Person an Brust- und Eierstockkrebs leiden oder bei einer Frau beidseitige Brusttumore vor dem 51. Lebensjahr auftreten. Den Erkrankten und ihren Angehörigen wird ein genetischer Test angeboten, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen, die vom deutschen Konsortium für Brust- und Eierstockkrebs festgelegt worden sind. Das UKE ist Mitglied in diesem Konsortium.

Der Verband der Ersatzkassen (vdek) hat mit dem UKE daher einen Vertrag geschlossen, der vorsieht, betroffenen Patientinnen Beratung, Gentestung und Diagnostik durch Spezialisten anzubieten, die fachübergreifend zusammenarbeiten. Die Spezialistinnen und Spezialisten stammen aus den Bereichen Humangenetik, Gynäkologie, Radiologie und Psychoonkologie. Für die Ersatzkassen ist wichtig, dass der Ort der Beratung und Testung nicht dem Zufall überlassen bleibt. Sie sollten dort stattfinden, wo das medizinische Know-how gebündelt ist und hohe Qualitätsstandards gelten. Ziel des Versorgungsvertrags ist es, den Krankheitsverlauf bei Versicherten zu verbessern und die Zahl der Neuerkrankungen zu senken. Nicht zuletzt die Berichte über die Schauspielerin Angelina Jolie, die sich 2013 beide Brüste amputieren ließ, weil sie ein erblich bedingtes Brustkrebsrisiko hat, ließ die Zahl der Ratsuchenden bundesweit in die Höhe schnellen.

„Die ganze Thematik ist komplex. Da gibt es keine Automatismen, wir beraten Ergebnisoffen“, sagt Dr. Isabell Witzel, die Leiterin des Brustzentrums der Klinik für Gynäkologie am UKE. „Wir stellen den Betroffenen detailliert ihr persönliches Lebenszeitrisiko dar und empfehlen anschließend, welche weiteren Schritte sinnvoll sind.“ Auch eine Psychoonkologin kann hinzugezogen werden, falls die Patientin zum Beispiel unsicher ist, wie sie mit den seelischen Folgen des Wissens um ein bestimmtes Krankheitsrisiko für sich und nahe Angehörige umgehen wird.

Um die Frauen vor übereilten Entscheidungen zu bewahren, räumt das Ärzteteam den Betroffenen bewusst eine Bedenkzeit von mehreren Wochen ein, bevor sie sich für oder gegen einen Gentest aussprechen sollen. „Es kommt auch immer darauf an, was die Betroffene bisher erlebt hat, ob sie beispielsweise eine Angehörige mit Krebs lange Zeit gepflegt hat oder ob ihre Mutter in jungen Jahren an Brustkrebs gestorben ist“, berichtet Dr. Witzel. Das beeinflusse die Entscheidung. Erkrankte Frauen lassen sich öfter die gesunde Brust vorsorglich entfernen im Vergleich zu nicht erkrankten Frauen, die aber wissen, dass sie die Gen-Veränderung in sich tragen.

Alle gesunden oder bereits an Brustkrebs erkrankten Personen, bei denen ein Erbgutdefekt oder ein hohes Lebenszeitrisiko festgestellt wurde, sollten an einem intensivierten Frühsorgeerkennungs- und Nachsorgeprogramm teilnehmen. Darin enthalten sind beispielsweise halbjährliche Ultraschalluntersuchungen und eine jährliche Magnetresonanztomographie der Brust über einen bestimmten Zeitraum.