"Hessen fördert digitale Transformation und Innovation"

Prof. Dr. Kristina Sinemus ist Hessische Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung. Im Interview spricht sie u.a. über die Digitalstrategie in Hessen und zeigt, welche Leuchtturmprojekte es bereits mit Künstlicher Intelligenz gibt.

Prof Dr Kristina Sinemus Hessische Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung Copyright STK Fotografin Salome Roessler

Frau Sinemus, der Umgang mit der Corona-Pandemie stellt das deutsche Gesundheitswesen, die Wirtschaft und die Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Digitale Lösungen scheinen in allen Bereichen notwendig. Wie digital ist Hessen heute schon?

Hessen ist digital und bietet mit seiner digitalen Infrastruktur und starken IT-Forschung, mit seiner Wirtschafts- und Innovationskraft beste Voraussetzungen. Diese wollen wir weiter voranbringen. Zum Beispiel haben wir im August unter Beteiligung von 13 hessischen Hochschulen und drei Ministerien des Landes ein bundesweit einzigartiges KI-Kompetenzzentrum gegründet, das die hessische KI-Forschung bündelt und Grundlagenforschung, Praxisbezug und Wissenstransfer verbindet. Wir fördern digitale Transformation und Innovation mit Nachdruck.

Digitale Gesundheitsanwendungen als „Apps auf Rezept“, Videosprechstunden oder die elektronische Patientenakte – die Digitalisierung im Gesundheitswesen kommt allmählich voran. Was wird aus Ihrer Sicht über die bisherigen Schritte hinaus am dringendsten benötigt?

Grundvoraussetzung ist das Vertrauen der Beteiligten in die Digitalisierung im Gesundheitswesen und die Bereitschaft, digitale Hilfsmittel zuzulassen. Es handelt sich um einen höchstpersönlichen Bereich. Wenn wir von KI und Digitalisierung im Medizinsektor sprechen, müssen wir stets die Sensibilität des Handlungsfeldes und die Sorgen der Menschen im Blick haben. Ziel soll es sein, verantwortungsvoll alle Potentiale der Digitalisierung zu nutzen und die Menschen dort abzuholen, wo sie sind.

Im Rahmen des Sondervermögens „Hessens gute Zukunft sichern“ hat die Landesregierung die Fördersumme im bestehenden Förderprogramm Distr@l für die Gestaltung der digitalen Transformation um mindestens 40 Millionen Euro erhöht und damit verdoppelt. Was erwarten Sie insbesondere durch den E-Health-Call?

Anlass für den Call zum Thema E-Health / digitale Gesundheit ist insbesondere die aktuelle pandemiegeprägte Situation, die das Gesundheitssystem, die Wirtschaftsstruktur und die Gesellschaft vor noch nie dagewesene Herausforderungen stellt. Dieser Call soll Innovation fördern und digitale Vorhaben unterstützen, die patientenzentrierte digitale Lösungsansätze zur Verbesserung der Versorgung versprechen und damit Lösungen für momentane Herausforderungen, aber auch Potential für die Zukunft bieten.

Praxisnahe Projekte im Gesundheitswesen, die die Anwendung neuer digitaler Werkzeuge wie z. B. der Künstlichen Intelligenz (KI) voranbringen, sollen gefördert werden. Welche Leuchtturmprojekte gibt es bereits?

Im Gesundheitswesen bietet KI vielfältige Chancen: von der Unterstützung in der medizinischen Diagnostik über die Suche nach Wirk- und Impfstoffen bis hin zu KI-gestützten Lösungen in der Medizintechnik. Dazu zwei Beispiele: Das hessische Unternehmen Innoplexus verwendet KI bei der Suche nach neuen Wirkstoffen gegen SARS-CoV-2. Das vom Land Hessen mit 1,4 Millionen Euro geförderte Projekt sammelt weltweit Forschungsergebnisse und wertet diese mit Hilfe von KI aus, deren Einsatz den Zeitaufwand erheblich verkürzt. Die TU Darmstadt entwickelt in einem durch Distr@l mit 800.000 € geförderten Projekt einen Funktionsdemonstrator für den „Walkerchair“, eine intelligente Mobilitätshilfe für Rollstuhlfahrende, die der Überwindung nahezu aller Barrieren des Alltags dient.

Wie stehen Sie zum Einsatz von „Artificial Intelligence“ in der Gesundheitsversorgung, insbesondere in der akuten Notfallversorgung?

Grundsätzlich ist in allen Bereichen der medizinischen Versorgung der menschliche Kontakt wichtig. Wo KI aber zur Unterstützung zum Einsatz kommt, bieten sich in der Gesundheitsversorgung große Chancen. KI-Systeme ermöglichen die Analyse gewaltiger Datenmengen in der Diagnostik oder individuellere Behandlungen, z. B. bei Krebserkrankungen aber auch in der akuten Notfallversorgung, wo KI die zeitintensive und hochkomplexe Auswertung von Bilddaten wie MRT-Aufnahmen erleichtern kann. Bei all dem folgen wir in diesem besonders sensiblen Bereich auch und gerade unserem Grundsatz: Digitalisierung soll dem Menschen dienen, nicht umgekehrt.