Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht –

vdek MV sieht in Entbudgetierungs-Plänen große Risiken für die Versicherten

In der vergangenen Woche hat das Bundeskabinett in Berlin den Entwurf eines Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) verabschiedet. Ein zentraler Punkt darin ist die Aufhebung von Budgetobergrenzen für Hausärzte. Während die Begünstigten dies begrüßen, lehnt der Verband der Ersatzkassen in Mecklenburg-Vorpommern das Vorhaben ab und weist auf die Folgen einer Umsetzung hin. Dabei handelt es sich nicht nur umsteigende Kosten, die allein durch die Versicherten und deren Arbeitgeber zu tragen sind.

„Um mehrere hundert Millionen Euro, so sagen erste Berechnungen voraus, dürften die jährlich anwachsenden Kosten für die Gesundheitsversorgung in Deutschland allein durch dieses Vorhaben steigen“, so Kirsten Jüttner, Leiterin der vdek-Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern. „Würde dieses Geld, das durch die gesetzlich Versicherten und deren Arbeitgeber auch hier im Land aufgebracht werden muss, dem erklärten Ziel des Gesetzes, die ambulante Versorgung in Deutschland nachhaltig zu stärken nützen, würden wir das Vorhaben sicherlich anders bewerten. Genau dies aber sehen wir gerade auch für Mecklenburg-Vorpommern nicht“, so Jüttner weiter.

Keine Problemlösung für ländliche Räume zu erwarten

Vielmehr bestehe die Gefahr, dass die längst öffentlichen Forderungen anderer ärztlicher Interessensvertretungen zur Abschaffung von Budgets auch anderer Facharztgruppen führen könne. „Dies würde Mehrkosten verursachende Fehlanreize ohne wirkliche Positivwirkungen für die Versorgung zur Folge haben, die die Versicherten langfristig nicht mehr finanzieren können“.

Es ist nicht auszuschließen, dass der Schritt der Entbudgetierung letztlich sogar das Gegenteil des Gewollten bewirkt, da er die Attraktivität einer ärztlichen Betätigung dort, wo viele Menschen auf engerem Raum leben, zusätzlich erhöht. Ländliche Regionen hingegen werden eher weniger stark profitieren, obwohl gerade in diesen Bereichen aktuell der größere Handlungsbedarf besteht. Die von Patientinnen und Patienten wie auch den aktiven Medizinerinnen und Medizinern zu Recht immer wieder angesprochenen Probleme in speziell ländlichen Bereichen von Mecklenburg-Vorpommern dürfte ein solcher Schritt somit kaum lösen.

Schon heute in MV mehr Behandlungsfälle als im Bundesschnitt

„Hinzu kommt, dass die Hausärztinnen und Hausärzte in Mecklenburg-Vorpommern schon heute eine deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegende Zahl an GKV-Behandlungsfällen realisieren (MV: 4.026 | Bund: 3.583 im Jahr 2022, Quelle: KBV Honorarbericht 4/2022). Dass eine Entbudgetierung, wie vom Bundesgesundheitsminister dargestellt, also mehr Behandlungen zur Folge haben soll, erscheint dort, wo die Praxen bereits jetzt täglich voll sind, kaum realisierbar“, so Jüttner. Die Medizinerinnen und Mediziner selbst hatten zudem Anfang des laufenden Jahres unisono erklärt, keinerlei Kapazitäten mehr zu haben, als der Verband der Ersatzkassen eine Anhebung der Mindestsprechstundenzeiten für gesetzlich Versicherte (derzeit 25 Stunden wöchentlich) ins Spiel brachte.

Versicherte haben Recht zu erfahren, wohin die Reise gehen soll

Neben finanziellen Auswirkungen und fehlender Positiventwicklungen für die Versicherten sieht der Verband der Ersatzkassen in Mecklenburg-Vorpommern in der geplanten Entbudgetierung der Vergütung der Hausärztinnen und Hausärzte allerdings noch ein sehr viel weitreichenderes Problem. „Die Budgets in ihrer derzeitigen Form sind eine bewusst geschaffene, tragende Säule unseres solidarisch finanzierten Gesundheitssystems“, so Kirsten Jüttner. „Die beabsichtigte Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen bedeutet daher, eben dieses System in Frage zu stellen und den Einstieg in ein komplett anderes zu beginnen. Ohne denjenigen, die für all das bezahlen – nämlich den Versicherten – klar zu kommunizieren, wohin die Reise letztlich gehen soll, und mit welch deutlichen Veränderungen ein solcher Systemwechsel verbunden ist. „Da wird es letztlich um mehr als nur massiv steigende Kosten gehen“, so Jüttner.

Um die medizinische Versorgung speziell im ländlichen Raum langfristig zu sichern, sieht der Verband der Ersatzkassen in Mecklenburg-Vorpommern die Notwendigkeit der Schaffung effizienter, qualitätssichernder Strukturen. „Hier sind Kooperationsformen wie Regionale Gesundheitszentren, in denen ambulante und stationäre Leistungen sowie auch darüber hinaus gehende Angebote konzentriert sind, ein durch uns unterstützter Ansatz“.

Hintergrund „Budget“

Die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) (in MV aktuell ca. 750 Mio. Euro je Jahr) wird jährlich entsprechend des sich verändernden Behandlungsbedarfs zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern (KVMV) als Budget vereinbart. Dieses Budget stellt sicher, dass einerseits die für eine qualitätsorientierte Versorgung der Versicherten notwendigen finanziellen Mittel bereitstehen, andererseits aber auch keine Fehlanreize durch unbegrenzte Finanzen entstehen. Die Ärztinnen und Ärzte, die letztlich nicht nur Medizinerinnen und Mediziner, sondern eben auch Unternehmerinnen und Unternehmer mit einer berechtigten Gewinnerzielungsabsicht sind, sind somit an der medizinischen Indikation und dem medizinisch Notwendigen orientiert.

Die zentrale Aufgabe der Krankenkassen ist es, die ihnen zur Verfügung stehenden Beitragsgelder der Versicherten beispielsweise im Rahmen der Budgetverhandlungen im ambulanten ärztlichen aber auch in zahlreichen anderen Bereichen verantwortungsbewusst einzusetzen, um eine an der Qualität und dem tatsächlichen Bedarf der Versicherten orientierte medizinische Versorgung bestmöglich sicherzustellen. Denn anders als manchmal der Eindruck erweckt wird, handelt es sich nicht um Geld der Krankenkassen, sondern um die Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber. Wenn also immer wieder von Leistungserbringern (Ärzte, Krankenhäuser etc.) oder auch der Politik die Forderung erhoben wird, die Krankenkassen sollten doch mehr von „ihrem“ Geld für die Versorgung zur Verfügung stellen, dann bedeutet dies nicht weniger als den Versuch eines weiteren Griffs in die Taschen der Versicherten.

Kontakt

Stephan Haring
Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek)
Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern

Tel.: 0385 / 52 16 - 105
E-Mail: stephan.haring@vdek.com