Strukturwandel

Die Weichen sind in vielen Regionen gestellt

Als „willkürlich, unprofessionell und unverantwortlich“ bezeichnete die damalige Niedersächsische Sozialministerin den Vorstoß des vdek 2013. Die Landesvertretung hatte folgende Berechnung vorgelegt: Durch kürzere Behandlungsdauern und zurückgehende Einwohnerzahlen sinke der Bedarf für Krankenhausbetten bis 2030 um zehn Prozent. Um die Betriebsgrößen der Krankenhäuser zumindest auf dem bisherigen Niveau zu stabilisieren, müssten Standorte schließen, und zwar landesweit 33 von seinerzeit 193. Andernfalls würden die Krankenhäuser immer kleiner – mit wachsenden Problemen, Qualität und Wirtschaftlichkeit sicherzustellen. Tatsächlich sind schon bis heute – also innerhalb von nur zehn der 17 Jahre des Berechnungszeitraums - 25 Standorte geschlossen worden. Der Trend zu immer kleineren Krankenhäusern ist gebrochen. Die Digitalisierung und telemedizinische Anwendungen haben ebenfalls zur einer Reduktion der Krankenhausstandorte geführt. Die hinter der damaligen Berechnung stehenden Grundannahmen sind mittlerweile weitgehend Konsens in der gesundheitspolitischen Diskussion.

Viele Standorte ohne notwendige Ausstattung

Wie ist die Analyse? Deutschland hat im internationalen Vergleich sehr hohe Krankenhauskapazitäten. Gleichzeitig verteilt sich die Zahl der Behandlungen auf zu viele Standorte. Geradezu zwangsläufig folgt daraus, dass viele kleinere dieser Standorte technisch nicht adäquat ausgestattet sind und Schwierigkeiten haben, qualifiziertes ärztliches Personal zu gewinnen. Nach Auswertung des Gesundheitswissenschaftlers Reinhard Busse etwa hatten 2017 in Niedersachsen 39 Prozent der Krankenhäuser keinen Computer-Tomographen und 63 Prozent keine Koronarangiographie – Geräte, die für die Behandlung von akuten Herz-Kreislauf- und neurologischen Erkrankungen unabdingbar sind. Behandlungen in Krankenhäusern mit hohen Fallzahlen steigern demgegenüber die Überlebenswahrscheinlichkeit, auch wenn die Wege dorthin weiter sind.

Nicht nur diese Einsicht ist Motor des Wandels. Kommunal Verantwortliche und auch Betreiber erkennen zunehmend, dass ein ruinöser Konkurrenzkampf innerhalb der Regionen keine Perspektive darstellt und eine Steigerung der Betriebsgröße auch die wirtschaftliche Lage verbessert.

Überregionale Aufmerksamkeit erlangte das Projekt der Zentralklinik Georgsheil im Landkreis Aurich als Fusion der Krankenhäuser Aurich, Emden und Norden. Nach anfänglicher Ablehnung ergab erst der zweite Bürgerentscheid eine Zustimmung. Der Landesgesetzgeber hat darauf reagiert. Künftig können Krankenhausstandorte nicht mehr durch Bürgerentscheide bestimmt werden.

1,4 Milliarden Euro Finanzierungsbedarf

Zunehmenden Einfluss auf die Entwicklung haben die steigenden Qualitätsvorgaben durch den Bundesgesetzgeber und die Entscheidungen der Patienten für eine Behandlung in größeren Krankenhäusern. Nachdem das Krankenhaus Vechta durch eine Fusion weiter gestärkt wird, hat auch der Nachbarkreis Diepholz entschieden, die bisher getrennten Angebote der drei bestehenden Krankenhäuser in einer neu zu bauenden Zentralklinik zu bündeln. Insgesamt sind in den Regionen Niedersachsens neun Fusionsprojekte in Planung, weitere sollen folgen. Nachdem die Auseinandersetzungen um die Konzepte abgeschlossen sind, geht es darum, die Investitionen zu finanzieren. Rund 1,4 Milliarden Euro sind dafür aufzubringen. Die gesetzliche Krankenversicherung in Niedersachsen unterstützt dies entschieden durch die 400 Millionen Euro aus dem hierfür vom Bundesgesetzgeber geschaffenen Strukturfonds II.

Auch das Land Niedersachsen wird für diese Projekte zusätzliche Investitionsmittel bereitstellen müssen. Eines ist sicher: Die Weichen für die Weiterentwicklung der Krankenhäuser sind in vielen Regionen gestellt.