Dramatischer Einbruch der Organspendebereitschaft: Glaubhafter Neuanfang ohne Transplantationsstandort Göttingen

Infolge des Organvergabeskandals ist es zu einem dramatischen Einbruch der Organspendebereitschaft in der Bevölkerung gekommen (s. Meldung der Deutschen Stiftung Organtransplantation - DSO - vom 15. Januar). Der Rückgang der Spendebereitschaft ist für Betroffene, die auf ein lebensrettendes Organ warten und selber die keinerlei Verantwortung für den Skandal tragen, dramatisch. Menschen sterben auf den Wartelisten.

Die Krankenkassen leisten intensive Überzeugungsarbeit zugunsten der Organspende und versuchen auf vielfältige Weise, die Organspendebereitschaft der Bevölkerung zu steigern. Diese Maßnahmen werden insbesondere als Reaktion auf den Skandal durch verstärkte Werbung Prominenter ergänzt. Sämtliche notwendigen und sinnvollen Aktionen dieser Art haben für sich genommen bisher nicht den gewünschten Erfolg gehabt. Die Menschen sind zutiefst verunsichert, es besteht der Eindruck, dass die Organvergabe nicht den hohen Ansprüchen gerecht wird, die eine Organspende begründet. Ihr Vertrauen ist nachhaltig erschüttert. Um Vertrauen wiederherzustellen, braucht es mehr als Werbung und die Beteuerung, dass die Prozesse nunmehr sicher sind. Eine Fortsetzung des Bestehenden mit einer stärkeren Kontrolle der Strukturen reicht deshalb nicht aus.

Es muss alles getan werden, die Spendebereitschaft wieder zu erhöhen. Dafür muss deutlich werden, dass nachvollziehbare, spürbare Konsequenzen gezogen werden. Es bedarf es eines echten Neuanfangs. Alle Beteiligten müssen ihre Möglichkeiten überprüfen, dazu beizutragen, dass die Kampagnen zugunsten der Organspende erfolgreich sind.

Der Skandal ist untrennbar mit der Universitätsklinik Göttingen verbunden. Zuletzt durch die Berichterstattung über das Gerichtsverfahren gegen den verantwortlichen Arzt werden der Bevölkerung die untragbaren Zustände in Göttingen immer wieder vor Augen geführt. Die Reaktion des Landes (Wissenschaftsministerium) als Träger der Uniklinik war bisher kaum wahrnehmbar. Die strafrechtliche Aufarbeitung des Gerichts kann eine angemessene politische Reaktion aber nicht ersetzen.

Nunmehr schlägt die Uniklinik Göttingen einen Verbund mit der MHH vor, der Göttingen offenbar die Chance ermöglichen soll, als Transplantationsstandort erhalten zu bleiben.

Der vdek fordert demgegenüber, Göttingen als Transplantationsstandort aufzugeben. Das Land hat als Träger der Uniklinik die Möglichkeit, dies umzusetzen. 

Durch eine solche konsequente Maßnahme besteht die Chance, dass die Bevölkerung dies als glaubhaften Neuanfang wertet und todkranken Menschen durch eine wieder steigende Bereitschaft zur Organspende geholfen werden kann. Darüber hinaus hätte Göttingen rein aus medizinischen Gründen schon vor Jahren als Transplantationsstandort aufgegeben werden müssen. Nieren werden dort seit 2009 nicht mehr verpflanzt, nachdem die Zahl der dort transplantierten Nieren 2008 nur noch bei sieben gelegen hat. Herzen werden dort nach DSO-Bericht jährlich weniger/gleich fünf verpflanzt, in manchem Jahr nur ein einziges. Es ist Fazit eines stetigen Prozesses, dass Transplantationen in größerem Umfang in Göttingen nicht zu realisieren sind.

Die Zahl der transplantierten Lebern fiel 2006 und 2008 unter die seit 2006 geltende „Mindestmenge“ von 20 im Jahr, sodass die Beendigung der Transplantationen in Göttingen schon damals medizinisch richtig gewesen wäre.

In Reaktion auf dieses drohende Aus wurde 2008 der jetzt vor Gericht stehende Arzt angeworben, dem vorgeworfen wird, seinen Patienten mit unlauteren Mitteln zu Organen verholfen zu haben. Offenkundig hat der unbedingte Wille, die Mindestmengen dauerhaft zu erfüllen und Göttingen als Transplantationsstandort zu erhalten, zu dieser Personalauswahl geführt.

Infolge des Skandals ist die Zahl der transplantierten Lebern in Göttingen 2012 erneut auf 15 und damit unter die Mindestmenge gesunken. Für 2013 und 2014 hat die Uniklinik eine  zweijährige Ausnahmeregelung von der Mindestmenge geltend gemacht, die bei „personeller Neuausrichtung“ zulässig ist. Für 2013 liegt noch keine Zahl vor. Es ist aber davon auszugehen, dass die Zahl erneut unter der Mindestmenge liegt.

Dass Göttingen trotz kaum darstellbarer Rahmenbedingungen Transplantationsstandort ist und bleiben will, hat nichts mit Versorgungsbedarf zu tun, sondern rein mit akademischen Reputationsgründen. Die MHH als das niedersächsische Transplantationszentrum kann ohne Probleme den Umfang der bisher in Göttingen durchgeführten Transplantationen mit übernehmen. Als Nebeneffekt würde auch die Auslastung der MHH steigen und die in Proportion zu den geringen Eingriffszahlen in Göttingen viel zu teure Vorhaltung dort entfallen. Einen engeren Wohnortbezug der Patienten gibt es bei Transplantationen nicht. Eine Kooperation zwischen MHH und Göttingen könnte allenfalls so aussehen, dass etwa Vor- und Nachsorge der Patienten in Göttingen vorgenommen wird. Die Transplantationen selbst gehören an die MHH.

Fazit: Ein Verzicht auf Göttingen als Transplantationsstandort bietet die Chance für einen glaubhaften Neuanfang zugunsten der Organspendebereitschaft, ist medizinisch geboten und wirtschaftlich sinnvoll.

Kontakt

Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek)
Landesvertretung Niedersachsen

Pressesprecher
Simon Kopelke

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