Herausragende Fälle beim Abrechnungsbetrug in NRW

Alljährlich prüfen der vdek und die Ersatzkassen in Nordrhein-Westfalen die Abrechnungsdaten der Leistungserbringer von Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten, von Heil- und Hilfsmittelerbringern, von niedergelassenen Ärzten, von Apothekern, von Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen. Werden Verstöße festgestellt, müssen die Leistungserbringer die Summen zurückzahlen.

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Erfolgreiche Verfolgung von Fehlverhalten in 2021

2021 war für die Ersatzkassen in Nordrhein-Westfalen erneut ein sehr erfolgreiches Jahr in der Verfolgung von Fällen, in denen ein Fehlverhalten von ärztlichen und nicht-ärztlichen Leistungserbringern festgestellt werden konnte. Eine Million Euro floss an die Ersatzkassen zurück.

Obwohl die Ersatzkassen grundsätzlich den ärztlichen und nicht-ärztlichen Behandlern vertrauen, gibt es leider darunter auch einige „schwarze Schafe“. So wurden 86 Fälle eingehend geprüft, von denen sich in 50 Fällen der Verdacht auf Abrechnungsmanipulation bestätigt hat und in zwei Fällen Vertragsverletzungen festgestellt wurden. Gegen zehn Leistungserbringer haben die Ersatzkassen Strafanzeige erstattet.

69 Prozent der Prüfungen des Jahres 2021 betrafen erneut ambulante Pflegedienste, 16 Prozent die Erbringer von Heil- und Hilfsmitteln. Obwohl Ärzte und Zahnärzte lediglich acht Prozent der Prüfungen ausmachten, haben diese mit fast 700.000 Euro am meisten zurückgezahlt, die Pflegedienste 260.000 Euro.

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Über 500.000 Euro Erstattungen von Zahnarztpraxen

Die besonders relevanten Fälle 2021:

  • Knapp 120.000 Euro hat eine zahnärztliche Praxisgemeinschaft aus Westfalen-Lippe an die Ersatzkassen zurückgezahlt, die die Krankenversicherungskarten der behandelten Versicherten taggleich in beiden Praxen eingelesen hatte. Aufgrund der Schwere der festgestellten Abrechnungsmanipulation wurde der Sachverhalt bei den Ermittlungsbehörden angezeigt.
  • Auch im ärztlichen Bereich gab es einen Fall von besonderer Schwere: Ein Arzt hatte über mehrere Jahre Simultaneingriffe abgerechnet, die er nicht erbracht hatte. Der Rückfluss an die Ersatzkassen betrug knapp 125.000 Euro.
  • In den Jahren 2015 bis 2019 hatte die medizinische Fachangestellte (MFA) einer Arztpraxis Verordnungen über Blutzuckerteststreifen zu Unrecht erstellt und in Apotheken eingelöst. Die bezogenen Blutzuckerteststreifen hatte die MFA im Anschluss über eBay gewinnbringend verkauft. Der Schaden für die Ersatzkassen belief sich auf über 30.000 Euro. Die Krankenkassen haben den Sachverhalt angezeigt. Inzwischen wurde die MFA wegen Betruges in 114 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Zudem wurde ihr gekündigt.
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Politische Forderungen

Für die Verfolgung von Betrugsfällen aus dem Bereich der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung fordern die Ersatzkassen in Nordrhein-Westfalen, dass Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet werden, die sich ausschließlich um diese Fälle kümmern. Bayern, Hessen und die Stadtstaaten setzen dies bereits um.

Außerdem beanstanden die Ersatzkassen, dass es im Zuge von Gerichtsverfahren oftmals unmöglich ist, Schadensersatzforderungen der Krankenkassen oder der Versicherten durchzusetzen, weil sich die Schuldigen durch Vermögenstransfer oder Privatinsolvenzen häufig den Strafzahlungen entziehen. Dem könnte nur begegnet werden, wenn die Gerichte allein auf Basis des ermittelten finanziellen Schadens Entschädigungszahlungen festsetzen könnten oder einen besseren Zugriff auf übertragene Privatvermögen hätten.

Fälle von Abrechnungsbetrug im Jahr 2020

Höchste Rückforderungssumme seit 2003

2020 war für die Ersatzkassen in Nordrhein-Westfalen ein außerordentlich erfolgreiches Jahr in der Verfolgung von Fällen, in denen ein Fehlverhalten von ärztlichen und nicht-ärztlichen Leistungserbringern festgestellt werden konnte.

1,7 Millionen Euro flossen an die Ersatzkassen zurück. Dies ist der höchste Rückforderungsbetrag in einem Kalenderjahr seit Beginn der gezielten Kooperation der Ersatzkassen in 2003 in diesem Bereich.

Es wurden 63 Fälle eingehend geprüft, von denen sich in 44 Fällen der Verdacht auf Abrechnungsmanipulation bestätigt hat und in zwei Fällen Vertragsverletzungen festgestellt wurden. Gegen 13 Leistungserbringer haben die Ersatzkassen Strafanzeige erstattet.

75 Prozent der Prüfungen des Jahres 2020 betrafen ambulante Pflegedienste und 16 Prozent die Erbringer von Heil- und Hilfsmitteln. Letztere haben mit fast 900.000 Euro am meisten zurückgezahlt, die Pflegedienste fast 500.000 Euro. Aber auch andere Leistungsbereiche haben zu dem hohen Gesamtergebnis beigetragen: die Vertragsärzte mit knapp 200.000 Euro, die Krankenhäuser mit 110.000 Euro, Apotheken und Rehabilitations-Einrichtungen mit jeweils knapp 10.000 Euro.

Fast 800.000 Euro von einem Hilfsmittelerbringer

Die besonders relevanten Fälle 2020:

  • Ein Hilfsmittelerbringer hat im Rahmen der internen Revision eine Falschabrechnung festgestellt, sich selbst angezeigt und den Ersatzkassen rund 790.000 Euro zurückgezahlt.
  • Ein Pflegedienst hat Leistungen der Behandlungspflege abgerechnet, die von nicht ausreichend qualifiziertem Personal erbracht wurden. Es konnten 23 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermittelt werden, die nicht über die notwendigen formalen Voraussetzungen verfügten. Der Pflegedienst hat den fehlerhaften Personaleinsatz unmittelbar abgestellt und an der Aufklärung der fehlerhaften Abrechnung umfassend mitgewirkt.
  • Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) hat onkologische Leistungen abgerechnet, die nicht von dem hierfür ermächtigten Arzt persönlich, sondern von anderen Ärzten des MVZ erbracht wurden. Die Erstattung des hierdurch entstandenen Schadens erfolgt in Raten bereits seit drei Jahren.
  • Im Rahmen einer internen Überprüfung der Abrechnung der Leistungen einer Institutsambulanz ist aufgefallen, dass teilweise Leistungen, die dem ärztlichen Vorbehalt unterliegen und als nicht delegationsfähig gelten, auch von nichtärztlichen Therapeuten erbracht wurden. Damit liegt eine eindeutige Vertragsverletzung vor. Behandlungsfehler an den Versicherten konnten zum Glück nicht festgestellt werden, da alle Leistungen medizinisch/fachlich ordnungsgemäß erbracht wurden. Die fehlerhafte Abrechnung beruhte auf fahrlässiger Unkenntnis des zuständigen Chefarztes.
Abgeschlossene Gerichtsverfahren in NRW

Einige Fälle von Abrechnungsmanipulation wurden in den letzten Jahren auch gerichtlich geklärt und hatten bundesweit Aufsehen erregt.

  • Globudent:
    Einer der größten Betrugsfälle im deutschen Gesundheitswesen, der in NRW festgestellt wurde, betrifft den Bezug von Zahnersatz aus dem Ausland. Dieser wurde dort günstig angefertigt und zu den in Deutschland gängigen Höchstpreisen abgerechnet. Die beteiligten Zahnärzte erhielten Kick-back Zahlungen von den Herstellern. Den gesetzlichen Krankenkassen ist dadurch ein Millionenschaden entstanden. Die Angeklagten haben die Taten gestanden und Schadensersatzzahlungen geleistet.
  • Ermittlungsverfahren gegen Pflegedienste (Curafair):
    Eine Sonderermittlungsgruppe von Bundeskriminalamt und Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen ermittelte 2017 bundesweit gegen mehr als 200 Pflegedienste wegen des Verdachts des Abrechnungsbetrugs. Diese hatten regelrechte Netzwerke aufgebaut, in die sowohl Ärzte als auch Pflegebedürftige eingebunden waren. Die Pflegedienste rechneten bei den Kassen Dienstleistungen ab, die teilweise gar nicht erbracht wurden. Die Patienten hatten dennoch die ordnungsgemäße Durchführung der Leistung bestätigt und dafür von den Pflegedienstbetreibern mehrere Hundert Euro im Monat als Provision erhalten. Den gesetzlichen Krankenkassen sind dadurch Schäden in Millionenhöhe entstanden. In den bereits abgeschlossenen Strafverfahren wurden Täter aus NRW zu meist langjährigen Haftstrafen verurteilt.
  • „Alte Apotheke“, Bottrop:
    Dieser Fall sorgte ebenfalls für bundesweites Aufsehen und verursachte einen Millionenschaden für die Krankenkassen. Ein Apotheker hatte Krebsmedikamente „gepanscht“ und wurde wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz in über 14.000 Fällen und wegen Betrugs in 59 Fällen zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Die Straftaten konnten aufgedeckt werden, da einem Mitarbeiter der Apotheke Unregelmäßigkeiten zwischen der Menge der eingekauften und abgerechneten Zusatzstoffe für die Herstellung der Krebsmedikamente aufgefallen waren. Er hatte dies angezeigt.
    Die betroffenen Patientinnen und Patienten bzw. ihre Hinterbliebenen werden vom Land NRW mit insgesamt zehn Millionen Euro unterstützt. Sie können eine einmalige Zahlung in Höhe von 5.000 Euro beantragen und sich noch bis zum 31.12.2022 beim Gesundheitsministerium in Düsseldorf melden: https://www.mags.nrw/unterstuetzung-betroffene-bottrop