Interview

Drei Fragen an die Leitung des Krebsregisters Saarland

Wir haben unsere Fragen an Dr. Bernd Holleczek, Leiter des Krebsregisters Saarland, gestellt

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Dr. Bernd Holleczek
Leiter des Krebsregisters Saarland

Frage: Seit 2008 wurde in jedem Bundesland ein Krebsregister aufgebaut. Seither sind für die Krebsregister stetig neue Aufgaben hinzugekommen. Welche Rolle kann das saarländische Krebsregister für eine konkrete Therapieentscheidung oder auch im Zusammenhang mit der Krebsprävention spielen? Wie hat sich dies seit 2008 verändert?

Antwort: Für den Aufbau der flächendeckenden klinischen Krebsregistrierung wurde das im Saarland seit mehr als 50 Jahren bestehende Krebsregister zu einem integrierten klinisch-epidemiologischen Krebsregister ausgebaut. Der Katalog der bislang erhobenen Daten zu Betroffenen und deren Krebserkrankungen und deren Verlauf wurde erweitert um detaillierte Daten zur durchgeführten Tumortherapie und eingesetzte IT-Systeme wurden erneuert.

Neue Aufgaben des Krebsregisters ergeben sich aus dem erweiterten Datenbestand: standen früher Fragen zur Häufigkeit von Tumorerkrankungen und deren Sterblichkeit im Mittelpunkt, so sind zwischenzeitlich zusätzlich Fragen zum Verlauf von Tumorerkrankungen bei einzelnen Patientinnen und Patienten, zum Outcome der behandelten Patientinnen und Patienten einzelner Zentren und zur bevölkerungsweiten Umsetzung von Leitlinienempfehlungen in den Fokus gerückt.

Die flächendeckend erhobenen Daten der Krebsregister sind Voraussetzung für eine Bewertung des Nutzens von Präventionsmaßnahmen und verfügbaren Therapien, sowohl für einzelne Patientinnen und Patienten als auch die Bevölkerung als Ganzes. Erst auf Grundlage des daraus gewonnenen Wissens können Betroffene und deren Ärztinnen und Ärzte gute Entscheidungen treffen. Mit der saarlandweit durchgeführten ESTHER-Studie und Daten des Krebsregisters Saarland konnte beispielsweise gezeigt werden, dass das Risiko, an Darmkrebs zu versterben, durch eine Vorsorge-Darmspiegelung um rund 70% gesenkt werden kann.
 

Frage: Die digitale Transformation und die Digitalisierung des Gesundheitswesens nehmen an Fahrt auf und haben durch die Coronapandemie zusätzlich einen Boost erfahren. Ärzte übermitteln Daten online und auch in der Krebsbehandlung gibt es für die Patientinnen und Patienten digitale Unterstützung. Wie haben sich durch die Digitalisierung die Krebsversorgung an sich und auch die Unterstützung der Patientinnen und Patienten durch die Krebsregister, sei es bei der Entscheidung der Behandlungsform oder der Prävention, verändert?

Antwort: Mit dem einheitlichen onkologischen Basisdatensatz der Krebsregister wurde die Grundlage für Interoperabilität zwischen Anwendungssystemen in Klinik und Praxis und den Krebsregistern geschaffen, so dass einheitliche und sichere Kommunikationswege für den elektronischen Datenaustausch etabliert werden konnten. Die digitalisierte Sammlung und Verarbeitung von Informationen ermöglicht, dass die Krebsregister den verschiedenen Datennutzerinnen und -nutzern heute schneller Informationen bereitstellen können als früher.

In dem Krebsregister den Kliniken und Zentren in der Onkologie beispielsweise Follow up-Informationen zu einzelnen Patientinnen und Patienten oder Daten und Auswertungsergebnisse zum versorgten Patientenkollektiv bereitstellen, können die behandelnden Ärztinnen und Ärzte die Ergebnisqualität ihrer Versorgung messbar machen, bewerten und verbessern. Davon profitieren alle heutigen und zukünftigen Patientinnen und Patienten.

Frage: Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wie sieht das Krebsregister im Saarland 2030 aus? In welche Richtung kann es sich aus Ihrer Sicht entwickeln und welche Rahmenbedingungen müssen hierfür geschaffen werden?

Antwort: Im Saarland und anderenorts haben die flächendeckenden klinischen Krebsregister ihre Rolle als Informationsdienstleister für die Onkologie ausgebaut. Mit ihren vollzähligen Fallsammlungen und vollständigen Follow-up-Daten sind die Register unverzichtbare Werkzeuge für das Monitoring der Auswirkungen von Tumorerkrankungen und der Versorgungsqualität auf regionaler Ebene und deutschlandweit geworden.

So rufen Leistungserbringer der onkologischen Versorgung im Jahr 2030 über Kommunikationsschnittstellen der Krebsregister benötigte Informationen zum Vitalstatus ihrer Patientinnen und Patienten und zum Verlauf deren Erkrankungen sicher und zuverlässig ab für die Qualitätssicherung, Benchmarking-Untersuchungen oder eigene Forschungsvorhaben.

Mit der 2021 angestoßenen Weiterentwicklung der klinischen Krebsregister konnten deutschlandweit einheitliche Strukturen entwickelt werden, mit denen auch die geschützten Daten des Krebsregisters Saarland anlassbezogen und datensparsam mit externen Daten zusammengeführt werden können. Damit konnte die Nutzung von vorhandenen Daten zur Verbesserung der klinischen Versorgung und für innovative Forschungsvorhaben deutlich erweitert werden, etwa für weit angelegte Befragungen von Betroffenen zu deren Lebensqualität nach Krebs oder für Studien zur Prognose von Tumorerkrankungen mit seltenen genetischen Merkmalen.

Damit eine wie oben skizzierte Fortentwicklung möglich wird, müssen die Krebsregister und ihre vielfältigen Partner weiterhin gemeinsam sinnvolle Konzepte und moderne IT-Strukturen erarbeiten und die Länder und Träger der Krankenversicherungen auch zukünftig eine bedarfsgerechte und auskömmliche Finanzierung aller Aufgaben in allen Krebsregister sicherstellen.