Psychiatriebudget für das Südharzkrankenhaus Nordhausen

Für die Ersatzkassen in Thüringen ist dies der Beweis, dass durch gutes konzeptionelles Arbeiten in vielen Fällen der Drehtüreffekt durchbrochen werden kann.

Grußworte/Reden des Ersatzkassenverbandes in Thüringen

Statement von Dr. Arnim Findeklee, Leiter der vdek-Landesvertretung Thüringen, anlässlich der  Pressekonferenz

"Psychiatriebudget für das Südharzkrankenhaus Nordhausen" am 17.4.2012 in Erfurt

 

Sehr geehrte Frau Ministerin Taubert,

sehr geehrter Herr Hage,

sehr geehrte Frau Dr. Wilms,

sehr geehrter Herr Prof. Heiser,

sehr geehrte Damen und Herren der Thüringer Medien,

 

psychische oder seelische Störungen können jeden von uns treffen, wie die Fälle mit öffentlicher Medienpräsens Rudi Assauer (Demenz) oder der tragische Freitod des Fußballers Robert Enke gezeigt haben.

Die Fallzahl der stationären Aufenthalte ist im Zeitraum von 1986 bis 2005 bezogen  auf 1.000  Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung von 3,8 Fällen auf 9,3 Fälle gestiegen. (2,5 fache) Und die Fallzahlen steigen weiter. Die Gründe hierfür sind vielfältig.


Das bisherige System kann die steigenden Anforderungen jedoch nicht mehr erfüllen. Die weitgehend starren Grenzen zwischen den verschiedenen Bereichen vollstationär, teilstationären, PIA und häusliche Behandlung verhindern die notwendige Flexibilität und Vernetzung der Behandlung. Umso wichtiger sind neue Ideen für eine patientenorientierte und effiziente psychiatrische Behandlung und Versorgung. Komplexe Systeme brauchen intelligente Steuerungen. Aus diesen Gründen bestand bei den Ersatzkassen und den anderen Krankenkassen ein sehr großes Interesse, als das Südharz Krankenhaus in Nordhausen im Jahr 2007 dieses Modell erstmalig vorstellte und erläuterte. Interessant war dieses Konzept aufgrund der Flexibilität und des modernen, kreativen und innovativen Ansatzes.

Um dieses Modell umsetzen, waren jedoch auch einige Hürden zu nehmen. Das Modell war Neuland für die Vertragspartner und stellte für alle Beteiligten eine große Herausforderung dar. Da jedoch auf allen Seiten der Wille vorhanden war, auch die Probleme und Ansichten des anderen zu verstehen, konnte letztendlich ein Kompromiss gefunden und das Modell umgesetzt werden. Hierbei half die enge vertrauensvolle Zusammenarbeit des Krankenhauses mit den Krankenkassen. Dadurch war die Möglichkeit geschaffen, erstmalig in Thüringen einen anderen Weg als die „ausgetretenen Pfade“ einzuschlagen und die Behandlungsform zu verändern.

Zur Erinnerung!

Fast zeitgleich fanden die Nachplanungen der psychiatrischen Gebiete in Thüringen während der 77. Sitzung des  Krankenhausplanungsausschuss statt. Nahezu alle Psychiatrischen Einrichtungen in Thüringen hatten, wohl aus dem Aspekt des sektoralen Denkens, eine Erhöhung der Bettenkapazitäten beantragt.

In den letzten fünf Jahren wurden beispielsweise die stationären Bettenzahlen in Thüringen in der  Erwachsenen-Psychiatrie von 1.418  auf 1.640 erhöht. Dies entspricht einer Steigerung der Zahl der Psychiatriebetten um 15,7 Prozent.

Das Krankenhaus in Nordhausen hat die Psychiatriebetten von 65 Betten im Jahr 2007 um 17 Betten auf 48 reduziert. Die Bettenanzahl in Nordhausen wurde entgegen dem Trend um 26,2 Prozent gesenkt. Dies ist auch für den Freistaat Thüringen sehr wichtig. Gerade in Zeiten knapper Investitionsmittel ist sorgsam zu überlegen, wo die Gelder am notwendigsten investiert werden. Für Investitionsmaßnahmen müssten pro zusätzliches Krankenhausbett  mindestens 200.000 Euro Fördermittel fließen.

Nach einer langen Vorbereitungsphase konnte das Modell am 1.1.2009 starten.

Im Gegensatz zum bisherigen System führt das psychiatrische Versorgungsmodell in Nordhausen durch ökonomische Anreize zu einer abgestimmten Vernetzung der verschiedenen Behandlungsarten. Durch das vereinbarte garantierte Gesamtbudget sind für die Erlöse des psychiatrischen Bereiches des Südharzkrankenhauses nicht mehr die Belegungstage oder die Fallzahl ausschlaggebend, sondern die Patientenzahl.

Das Südharzkrankenhaus hat aufgrund dessen ein sehr großes Interesse die Behandlungszeiten zu optimieren, da längere Behandlungszeiten nicht mehr zu höheren Einnahmen führen. Das Ziel des Patienten schnellstmöglich wieder gesund zu werden, wird durch eine flexiblere und allein an den Bedürfnissen der zu behandelnden Menschen angepassten Therapie mit den verschiedenen Behandlungsarten erreicht. Um all das zu erreichen muss bei diesem Behandlungskonzept eine UMKEHR DES DENKENS stattfinden. Nicht mehr Patienten bringen mehr Mittel ins Budget, sondern effizientere Behandlung setzt Mittel frei, mit denen wiederum Gesundheit in der Region geschaffen werden kann.

Mein Vorredner hat zu Recht das große Engagement von Frau Dr. Wilms hervorgehoben. Jedoch wäre die Umsetzung des Konzepts nicht ohne die Motivation aller anderen beteiligten Mitarbeiter des Krankenhauses möglich gewesen.

Deshalb gebührt auch diesen für ihr Engagement ein großes Dankeschön. Die neue Behandlungsform erfordert eine völlig neue Denkweise der Mitarbeiter im psychiatrischen Bereich des Südharz Krankenhauses.

Das Denken und Arbeiten in den Behandlungskategorien vollstationär, teilstationär usw. ist bei dieser Behandlungsform nicht mehr möglich. Der Patient wird gleichzeitig in unterschiedlichen Behandlungssektoren behandelt. Es ist nicht mehr der Patient der „vollstationären Station“, für welchen das Personal der Tagesklinik nicht zuständig ist, sondern es ist Patient A, welcher eine Behandlung aus einer Hand erhält um welchen sich jeder Mitarbeiter kümmert.  Die Mitarbeiter müssen deshalb die Therapie des Patienten behandlungsartenübergreifend koordinieren und durchführen.  Alle Mitarbeiter müssen in die Moderation des Patienten einbezogen werden. Dies erfordert eine höhere Flexibilität, kann aber auch eine höhere Belastung der Mitarbeiter zur Folge haben. Nur durch die hohe Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter des Südharzklinikums konnte dies realisiert werden.

Erste Erfolge des Behandlungskonzepts skizzierte schon mein Vorredner. Deshalb will ich nur auf einen Punkt noch eingehen. Ein Ziel des Behandlungskonzepts ist es den „Drehtüreffekt“ zu verringern. Unter Drehtüreffekt versteht man, die mehrmalige Aufnahme eines Patienten im Jahr. Nach den Daten der Ersatzkassen konnte die Quote der mehrmaligen Aufnahme von Patienten im Zeitraum von 2009 bis 2011 um fünf Prozent gesenkt werden. Die Wiederaufnahme Quote des Südharzkrankenhauses liegt damit für Ersatzkassenversicherte um 6,5 Prozent unter dem Durchschnitt der Krankenhäuser des Freistaates Thüringen. Für die Ersatzkassen in Thüringen ist dies der Beweis, dass durch gutes konzeptionelles Arbeiten in vielen Fällen der Drehtüreffekt durchbrochen werden kann.

Zurzeit ist im Bereich der Psychiatrie durch das neue Entgeltsystem viel Bewegung. Aufgrund der bisherigen positiven Ergebnisse mit dem neuartigen Behandlungskonzept setzen die Ersatzkassen darauf, dass auch Sie - Frau Ministerin -und Ihr Ministerium dieses Modell weiterhin positiv begleiten und Ihren Einfluss im Gesetzgebungsverfahren geltend machen werden, um dieses Modell auch künftig fortführen zu können. Abschließend kann festgestellt werden, dass bei allen Beteiligten die gemeinsame Überzeugung gegeben war und ist, dass die langfristige Ergebnisqualität als Kriterium für die Ressourcenbemessung besser geeignet ist, als die üblichen Leistungsparameter. Durch das Behandlungskonzept können im Lebensumfeld der Patienten und Patientinnen alle präventiven, therapeutischen und z. T. rehabilitativen Maßnahmen bereitgestellt werden, die für eine qualitätsorientierte Versorgung notwendig sind.

Der hier vorgenommene Paradigmenwechsel hat zur Folge, dass nicht die Steigerung der Behandlungszahlen mehr finanzielle Mittel in das System bringt, sondern dass durch verantwortlichen und regional abgestimmten Einsatz der vorhandenen Ressourcen verbesserte Möglichkeiten eröffnet werden, Gesundheit in der Region zu schaffen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


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Kerstin Keding-Bärschneider
Tel.: 03 61 / 4 42 52 - 27
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