Einwurf

Pflegeversicherung: Wohin geht die Reise?

2011 sollte das Jahr der Pflege werden. Bislang haben die Eckpunkte auf sich warten lassen. Und eine klare Linie der Koalitionspartner ist bislang nicht zu erkennen. Wie immer scheiden sich die Geister an der Frage der Finanzierung.

Dass etwas getan werden muss, da sind sich alle einig. Das Statistische Bundesamt schätzt, dass es im Jahr 2030 über drei Millionen pflegebedürftige Menschen geben wird. Durch den Anstieg der Hochbetagten wird die Zahl der demenziell erkrankten Menschen zunehmen. Auf diese Veränderungen muss sich die Pflegeversicherung einstellen. Schon lange wird daher gefordert, den Pflegebedürftigkeitsbegriff zu erweitern. Dieser sollte neben den körperlichen Einschränkungen auch die Teilhabe am sozialen Leben und die Alltagskompetenz berücksichtigen. Geschätzte Mehrkosten: je nach Umsetzung bis zu 3,6 Milliarden Euro. Hinzu kommt, dass die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung weiter angepasst werden müssen, um ihre Wertbeständigkeit zu sichern. Geschätzter Finanzierungsbedarf: zwölf Milliarden Euro innerhalb der nächsten 20 Jahre.

Wie gestaltet man die Pflegeversicherung also zukunftssicher? Die Koalitionsvereinbarung sieht vor, neben dem bestehenden Umlageverfahren eine ergänzende individualisierte und verpflichtende Kapitaldeckung einzuführen, eine Art „Pflege-Riester“. An diesem Grundsatz hält vor allem die FDP fest. Die Krux: Dieses individuelle Sparen reicht nicht aus, um die künftigen Belastungen bezahlen zu können. Zudem kann sich nicht jeder eine private Zusatzversicherung leisten – Steuermittel wären notwendig. Und die Arbeitgeber bleiben bei der Finanzierung außen vor. Zudem ist es bürokratisch, da Leistungen aus zwei Quellen finanziert werden müssen.

Widerstand kommt auch aus den Reihen der Koalitionspartner. Unionsfraktionschef Volker Kauder plädierte kürzlich statt für eine individuelle Zusatzversicherung für die Bildung einer gemeinschaftlichen Rücklage. Aus der CSU kamen von Anfang an Stimmen, die sich völlig gegen eine Umstellung auf die Kapitaldeckung richteten. CSU-Chef Seehofer sprach sich dafür aus, mehr Pflegeleistungen über Steuern zu finanzieren. Auch die Ersatzkassen stehen einer Individualisierung des Pflegerisikos äußerst kritisch gegenüber. Fakt ist: Der Beitragssatz in der sozialen Pflegeversicherung ist mit 1,95 Prozent beziehungsweise 2,2 Prozent bei Kinderlosen gering und seit Jahren stabil. Bevor andere Finanzierungssäulen aufgebaut werden, gilt es, zunächst bestehende Finanzierungsmöglichkeiten zu überprüfen. Dies schließt die Debatte um den Beitragssatz genauso ein wie die Frage, ob die private Pflegeversicherung am Finanzausgleich beteiligt werden sollte. Zusätzliche Finanzierungselemente sollten – wenn nötig – innerhalb der umlagefinanzierten Pflegeversicherung aufgebaut werden. Das wäre gerechter als eine Privatisierung der Pflege.

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