Demenz

Umdenken und unterstützen

Grafik zum Thema Demenz: in der Küche: Frau steht am Herd, Mann und zwei Kinder sitzen am Esstisch, dabei sind auch eine Seniorin und ein Senior im Rollstuhl

Deutschland und die anderen Industriegesellschaften altern, damit einher geht eine steigende Zahl von Menschen mit einer Demenz-Erkrankung. Der „Demenz-Report“ des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung hat 2011 untersucht, wie sich die Zahl der Demenzkranken in Zukunft entwickeln wird und was getan werden kann, um sich auf die Alterung der Gesellschaft vorzubereiten.  

Nach aktuellen Schätzungen leben heute rund 1,3 Millionen Menschen mit Demenz in Deutschland. Aufgrund der höheren Lebenserwartung des weiblichen Geschlechts sind mehr Frauen als Männer betroffen — 70 Prozent der Erkrankten sind Frauen. Denn nach dem 65. Lebensjahr steigt die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer oder einer anderen Form von Demenz zu erkranken. Die Alterung der Gesellschaft bringt es deshalb mit sich, dass der Anteil der Menschen mit Demenz an der Gesamtbevölkerung steigt. In Deutschland kommen heute etwas über 1.600 Demenzkranke auf je 100.000 Einwohner. Diese Zahl dürfte sich binnen der nächsten 30 Jahre verdoppeln.

Zudem ist Demenz der wichtigste Grund für den Eintritt in ein Pflegeheim geworden: 2005 lag bei etwa 69 Prozent der Bewohner vollstationärer Alteneinrichtungen eine demenzielle Erkrankung vor. Gleichzeitig wachsen immer weniger Junge nach. Es gibt also künftig weniger Menschen, die sich um die steigende Zahl demenziell Erkrankter kümmern können. Hier setzt der aktuelle „Demenz-Report“ des Berlin- Instituts für Bevölkerung und Entwicklung an und zeigt auf, wie sich die Regionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf die Alterung der Gesellschaft vorbereiten können. Denn die Regionen altern unterschiedlich schnell: Vor besonderen Herausforderungen stehen dabei jene Regionen, deren Bevölkerungsstruktur von Alterung und Abwanderung geprägt ist, etwa im Osten Deutschlands, wo also heute schon relativ wenige potenziell Betreuende im Erwerbsalter für die über 65-Jährigen da sind. Die niedersächsischen Kreise Cloppenburg und Vechta hingegen bleiben infolge überdurchschnittlich hoher Geburtenzahlen deutlich unter dem Durchschnitt. Dies gilt beispielsweise auch für den erweiterten Speckgürtel um München, wo das Angebot an Arbeitsplätzen junge Menschen und Familien anzieht.

Künftiger Umgang mit Demenz

Die steigende Zahl von Demenzkranken und die abnehmende Zahl potenzieller Betreuer machen einen umfassenden Ansatz erforderlich. Immer mehr Pflegeheime zu bauen, taugt kaum als Zukunftsstrategie, zumal der Betrieb einer Pflegeeinrichtung sehr teuer ist. An erster Stelle steht stattdessen Aufklärung, denn Demenz ist häufig mit Ängsten und Tabus besetzt. Umdenken ist gefordert: Demenz ist ein normaler Teil des Alterns. Der Staat, die Kommunen, jeder Einzelne, alle werden sich in Zukunft mit Demenz auseinandersetzen müssen. Insbesondere angesichts knapper Kassen kommt es für Kommunen darauf an, die Öffentlichkeit auf den Umgang mit gelegentlich desorientierten Mitbürgern vorzubereiten sowie Fantasie und Engagement zu fördern, um ein Unterstützungssystem jenseits der heutigen Institutionen aufzubauen.

Es gibt viele Ideen und Modelle, die Lebensqualität von Menschen mit Demenz in allen Stadien der Erkrankung zu fördern. Und es gibt viele Möglichkeiten, den pflegenden Angehörigen, die heute die Hauptlast tragen, etwas davon abzunehmen. So existieren etwa in Nordrhein- Westfalen verschiedene regionale Demenz- Servicezentren, die über Forschungsergebnisse und praktische Unterstützungsangebote wie Tagespflegebetreuungseinrichtungen für Demenzkranke informieren. In Arnsberg mobilisiert die Gemeinde das bürgerschaftliche Engagement in der „Lern-Werkstadt Demenz“ – und die Bürger machen mit. In Hamburg sorgt eine Demenz-WG für mehr Lebensqualität, indem sie ein höheres Maß an Selbstbestimmung ermöglicht als etwa ein Alten- und Pflegeheim. Diese und andere Beispiele dafür hat das Berlin- Institut im Demenz-Report gesammelt – und empfiehlt sie zur Nachahmung.


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