Transplantationsgesetz

Organspende neu regeln

Grafik zur Organspende: drei Krankenbetten und ein Mann, der ein Schild mit der Aufschrift "Organspendeausweis" um den Hals trägt, steht vor den Krankenbetten

Aber wie? Die Parteien sind sich einig: Sie wollen die Organspendebereitschaft in Deutschland erhöhen. Dafür soll das Transplantationsgesetz entsprechend geändert werden. Aber um die konkrete Ausgestaltung wird seit Monaten gerungen.

Derzeit warten in Deutschland mehr als 12.000 Patienten auf ein Spenderorgan. Im Durchschnitt sterben täglich drei Menschen, die auf der Warteliste stehen. Im Zeitraum Januar bis September 2011 gab es deutschlandweit 902 Organspender (ohne Lebendspender), im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Rückgang von 59 Organspendern. Das geht aus den Statistiken der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) hervor. Zudem liege Deutschland laut SPD-Bundestagsfraktion mit einer Spenderquote von knapp 16 Organspenden pro einer Million Einwohner weltweit im unteren Mittelfeld. Im europäischen Vergleich stehe Spanien mit mehr als 34 Organspenden pro einer Million Einwohner an der Spitze.

Spätestens im Sommer vergangenen Jahres, als der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank-Walter Steinmeier seiner Frau eine Niere gespendet hat, ist das Thema Organspende zu einem politischen Thema geworden. Seitdem arbeiten die Parteien an fraktionsübergreifenden Gruppenanträgen, Gesetzesentwürfen, Änderungsanträgen, Formulierungshilfen. Das Ziel – mehr Organspender zu gewinnen – steht außer Frage, aber auf den genauen Weg dorthin konnte man sich bislang nicht verständigen. Lediglich die Marschrichtung zeichnete sich bis Redaktionsschluss ab, in Form der sogenannten Entscheidungslösung. Künftig soll sich jeder Bürger in Deutschland in seinem Leben zur Organspendebereitschaft erklären, nach einer entsprechend ausführlichen Information. Diesen Vorschlag hatte der Nationale Ethikrat als Vorgänger des Deutschen Ethikrats bereits 2007 eingebracht und diese Umsetzung in der aktuellen Debatte befürwortet. Auch die 84. Gesundheitsministerkonferenz der Länder spricht sich in einem Beschluss für diese Erklärungslösung aus, die in einem geregelten Verfahren über Organspende informiert und zu einer persönlichen Erklärung auffordert. Anfangs stand die Überlegung im Raum, das Gespräch mit Bürgern zum Beispiel bei der Ausgabe des Personalausweises zu suchen.

Eine Pflicht zur Antwort?

Inzwischen sollen die Krankenkassen diese Aufgabe übernehmen. Geplant ist, dass die Krankenkassen aktiv auf ihre Versicherten zugehen und sie befragen, ob sie sich für oder gegen eine Organspende entscheiden oder sich vorläufig noch nicht dazu äußern wollen. Die Antwort könnte im Organspendeausweis oder Personalausweis vermerkt oder auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert werden. Die Versicherten bekämen die Möglichkeit, ihre Antwort jederzeit zu revidieren. Unklar und umstritten ist, inwieweit die Bürger zu einer Antwort verpflichtet werden sollen und dürfen. Auf der einen Seite steht das Recht auf Selbstbestimmung, auf der anderen Seite der Wunsch nach Verbindlichkeit und Auseinandersetzung. Der 114. Deutsche Ärztetag etwa hat sich im vergangenen Juni für eine sogenannte Informations- und Selbstbestimmungslösung mit Erklärungspflicht ausgesprochen. Daraufhin aber haben Verfassungsjuristen bezweifelt, dass dieses Vorgehen mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist.

Vom Tisch ist im Grunde die Widerspruchslösung, die in der Politik als weitere Lösung diskutiert wurde. Diese geht von einem grundsätzlichen Einverständnis zur Organspende aus, wenn man nicht widerspricht. Sie kommt beispielsweise in Spanien, Österreich, Italien und Slowenien zu tragen.

In Deutschland gilt derzeit die erweiterte Zustimmungslösung, ausgestaltet im Transplantationsgesetz aus dem Jahr 1997. Das Gesetz sieht zwei Voraussetzungen für die Entnahme von Organen und Geweben vor: Es muss der Tod des Menschen (Diagnose Hirntod) festgestellt sein und eine Zustimmung zur Entnahme vorliegen – und hier muss sich entweder der Verstorbene zu Lebzeiten für eine Organspende ausgesprochen haben oder die Angehörigen stimmen der Organentnahme zu. Um seinen Willen zu bekunden, ist der Organspendeausweis eine Hilfe.

Informationsdefizit

Für eine Änderung des Transplantationsgesetzes sprechen sich laut einer Forsa-Umfrage im Mai 2011 im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) fast zwei Drittel der Bürger in Deutschland aus. Dabei favorisieren 41 Prozent der Befragten die Entscheidungslösung, 23 Prozent die Widerspruchslösung. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Forsa-Umfrage im September 2011 im Auftrag der DAK. 72 Prozent der Befragten begrüßen den Vorschlag, die Organspendebereitschaft mit einer generellen Bürgerbefragung zu erhöhen.

Ganz deutlich zeigt sich der Informationsbedarf: So haben im Zuge der DAK-Umfrage 44 Prozent der Befragten Angst, die Ärzte würden nach einer Einwilligung zur Organentnahme nicht alles tun, um bei schwerer Krankheit das Leben zu retten. Jeder Dritte lehnt eine Entnahme ab, weil er nicht wisse, was mit seinen Organen passiere. Klar geäußert wurde der Wunsch nach Aufklärung und Beratung, und zwar durch die Hausärzte, Krankenkassen und Gesundheitsämter.

Weitere Artikel aus ersatzkasse magazin. 11./12.2011