Einwurf

Verrückte Kassenwelt

Die Versicherten verstehen die Gesundheitspolitik wahrscheinlich schon lange nicht mehr. Wie kann es sein, dass auf der einen Seite der Gesundheitsfonds, also die zentrale Geldeinsammelstelle der Krankenkassen, Milliardenüberschüsse anhäuft, auf der anderen Seite aber Krankenkassen Pleite gehen können? Die Antwort ist das komplizierte und nicht immer ganz gerechte Finanzsystem aus Einheitsbeitrag, Gesundheitsfonds, Finanzausgleich der Kassen und Zusatzbeiträgen.

Denn das Geld aus den Beiträgen der Versicherten und Arbeitgeber fließt nicht direkt an die Krankenkassen, sondern erst in den Gesundheitsfonds. Über den Morbi-RSA wird es dann an die Kassen verteilt. Dieser berücksichtigt aber nicht die tatsächlichen Kostenstrukturen der einzelnen Kasse, sondern lediglich standardisierte Ausgaben. So kann es sein, dass manche Kassen einen Zusatzbeitrag erheben oder manche sogar eine Prämie erheben müssen. Die positive konjunkturelle Entwicklung und relativ hohe Lohnabschlüsse haben 2011 dazu beigetragen, dass der Gesundheitsfonds – bei einem Einheitsbeitragssatz von 15,5 Prozent – einen Überschuss aufbauen konnte. Auf der Ausgabenseite haben insbesondere gesetzliche Maßnahmen im Arzneimittelbereich zu Einsparungen geführt. Im 1. Halbjahr 2011 konnten deshalb auch die Krankenkassen einen Überschuss von 2,417 Milliarden Euro erzielen.

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Die Kassen können 2012 noch einmal eine Verschnaufpause einlegen. Die Frage ist dann: Wie geht es im Jahr 2012 weiter?

Thomas Ballast, Vorstandsvorsitzender des vdek

Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass nicht, wie befürchtet, bereits 2011 und spätestens 2012 flächendeckend Zusatzbeiträge bei den Kassen an der Tagesordnung sein werden. 2011 mussten elf Krankenkassen einen Zusatzbeitrag erheben. Doch der Wettbewerbsdruck dieser Kassen ist extrem hoch. Alle Kassen mit Zusatzbeiträgen mussten schmerzhafte Mitgliederverluste einstecken. Bei manchen kleineren Kassen, wie der City BKK und nun noch der BKK für Heilberufe, führte dies zu einer Abwärtsspirale. Vor allem besser verdienende gesunde Mitglieder wechselten die Kasse, kranke und alte Menschen blieben. Alle Fusions- und Sanierungsbemühungen halfen nichts, das Bundesversicherungsamt musste für beide Kassen die Schließung verkünden. Nun müssen die Schließungskosten auf die Haftungsgemeinschaft – das ist in diesem Fall die BKK-Gemeinschaft – umgelegt werden. Deshalb tut jede Kasse alles dafür, den Zusatzbeitrag für ihre Versicherten wenn möglich zu vermeiden oder aber zu fusionieren, bevor es zu einer drohenden Abwärtsspirale kommt. Denn eine größere Kasse kann Mitgliederverluste besser verkraften als eine kleinere. Und wenn man bereits einen Zusatzbeitrag erhebt, wird man – ob mit oder ohne Fusion – versuchen, ihn unter den guten finanziellen Rahmenbedingungen, die 2012 noch herrschen werden, wieder abzuschaffen.

Die Kassen können 2012 also noch einmal eine Verschnaufpause einlegen. Die Frage ist dann: Wie geht es im Jahre 2013 weiter? Wenn die Sparmaßnahmen der Bundesregierung nicht mehr wirken und eventuell die Konjunktur nicht mehr so gut läuft? Wenn dem Gesundheitsfonds das Geld ausgeht? Werden dann Zusatzbeiträge flächendeckend Realität? Oder wird die Politik aus der „Killerwirkung des Zusatzbeitrags“, wie es das Handelsblatt schreibt, lernen? Denn so schlecht war das alte Beitragssystem eigentlich nicht.

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