GKV-Versorgungsstrukturgesetz

Der Entwurf nimmt weitere Formen an

Die Bundesregierung hat die Sicherstellung einer flächendeckenden bedarfsgerechten und wohnortnahen medizinischen Versorgung der Bevölkerung als ein zentrales gesundheitspolitisches Anliegen auf ihre Agenda gesetzt und ein GKV-Versorgungsstrukturgesetz beschlossen. Allerdings weist der Entwurf nach wie vor eine generelle Schieflage auf.

Zwischenzeitlich hat der Gesetzentwurf zahlreiche Ergänzungen erfahren. Zur öffentlichen Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages am 19. Oktober 2011 sind 85 Änderungsanträge in das laufende Verfahren eingebracht worden. Viele haben lediglich rechtsbereinigenden Charakter – doch mancher Antrag geht auch ins Eingemachte. So wollte die Regierung wohl nicht versäumen, den Krankenkassen weitgehende Vorgaben zur Veröffentlichung ihrer Geschäftsergebnisse zu machen. Die fast sechsstündige Anhörung bot Raum, auch hierzu ausführlich Stellung zu nehmen.

Der Verband der Ersatzkassen e. V.(vdek) hat wiederholt auf die generelle Schieflage des Gesetzentwurfs hingewiesen. Zwar verfolge die Politik die richtigen Ziele – eine flexiblere Gestaltung der ärztlichen Versorgung und eine bessere Abbildung der Versorgungsrealität. Es würden jedoch primär Maßnahmen gegen einen vermeintlich drohenden Ärztemangel ergriffen. Gegen die massive Überversorgung halte der Entwurf wenig bereit. Die Anhörung ließ nicht den Schluss zu, dass die Regierung beabsichtigt, hier wesentlich nachzubessern. Das Gesetz, das am 1. Januar 2012 in Kraft treten soll, wird also keine Umlenkung von Geldflüssen aus überversorgten in unterversorgte Gebiete beinhalten. Deshalb ist besonders darauf zu achten, dass es bei der beabsichtigten Festlegung von neuen Bedarfsplanungszahlen nicht dazu kommt, dass zusätzliche Bedarfe in überversorgten Gebieten ausgewiesen werden. Einfluss der Länder Kritik wurde auch daran geübt, dass wesentliche Befugnisse auf die Landesebene heruntergebrochen werden. Mit der Rückverlagerung von Honorarverteilungskompetenzen ausschließlich auf die Kassenärztlichen Vereinigungen wird einer Auseinanderentwicklung der ärztlichen Vergütung Vorschub geleistet. Daneben werden den Ländern weitgehende Zugeständnisse gemacht. Die zusätzlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Entscheidungsgremien der Ärzte und Krankenkassen birgt die Gefahr, dass landespolitische Interessen die Arbeit der Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen dominieren könnten. So wird es künftig möglich sein, über die Definition von regionalen Besonderheiten die Vorgaben der Bedarfsplanungsrichtlinien zu umgehen. Dies könnte im Zweifel dazu führen, dass sich die Versorgungsbedingungen in der Bundesrepublik auseinanderentwickeln und möglicherweise bestehende Versorgungsdisparitäten verschärft werden.

Notwendig ist daher, dass der Gemeinsame Bundesausschuss verbindliche Kriterien für die Festlegung von regionalen Besonderheiten formulieren kann. Verstärkt werden könnte diese Entwicklung dadurch, dass die Länder künftig nicht nur für die Prüfung der Selektivverträge ihrer Regionalkassen zuständig sein werden, sondern in einem zeitraubenden Prozess auch alle Einzelverträge der bundesunmittelbaren Kassen sichten sollen, die in ihrem Land wirksam werden. Dies zwingt zu unnötigen bürokratischen Aufwänden, schafft Zeitverluste und damit Wettbewerbsnachteile für die bundesunmittelbaren Krankenkassen. Andererseits wird mit dem Gesetz die Chance genutzt, die Wettbewerbsbedingungen unter den Kassen im Bereich der zahnärztlichen Vergütung endlich anzugleichen. Ein überfälliger Schritt, der offenbar allgemein positiv gesehen wird und auch in der Anhörung kritiklos blieb.

Mit den bislang eingebrachten Änderungsanträgen wird die Regierung auch weiteren Handlungsbedarf, der sich im Zuge der Schließung der CITY BKK zum Juli dieses Jahres gezeigt hat, gesetzgeberisch abarbeiten. So wird es unter anderem ab dem nächsten Jahr einen zwingend einzuhaltenden Mindestzeitraum zwischen der Zustellung eines Schließungsbescheides und dem Wirksamwerden der Schließung einer Kasse geben. Damit werden sich viele Probleme, die bei der CITY BKK im Zusammenhang mit dem Mitgliedschaftswechsel und dem Leistungsübergang noch aufgetreten sind, nicht wiederholen. Im aktuellen Fall der BKK für Heilberufe ist der Mindestzeitraum schon im Vorgriff auf das Inkrafttreten zum Jahreswechsel vom Bundesversicherungsamt berücksichtigt worden.

Kompromiss zur ambulanten spezialärztlichen Versorgung

Wesentliche Änderungen stehen aber noch aus. Mit besonderer Spannung wird der Kompromiss zwischen Regierung und Ländern zur ambulanten spezialärztlichen Versorgung erwartet. Hierzu wurde in der Anhörung viel Kritik geäußert. Dabei stehen nahezu alle Beteiligten dem Versuch einer Überwindung der starren Sektorengrenzen im Gesundheitswesen positiv gegenüber. Allerdings fehlen in dem Gesetzesvorschlag noch Regeln, die sicherstellen, dass die Basisversorgung nicht leidet, eine hohe Behandlungsqualität sichergestellt wird und die Kostenrisiken beherrschbar bleiben. Es ist zu hoffen, dass die Politik die Chance in den Einstieg in die sektorübergreifende Versorgung nutzt, bei ihrer Kompromissfindung aber daran denkt, die notwendigen Sicherheitsleinen zu spannen.

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