Erfolgsgeschichte

Festbeträge halten Arzneimittelausgaben in Schach

Als das Herzstück des Gesundheits-Reformgesetzes 1988 sind Arzneimittel-Festbeträge bis heute unbestritten das auch nachhaltig wirksamste zentrale Instrument zur Dämpfung der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Erfolg und Bestandskraft der Festbeträge zeigen deutlich, dass auch in Zukunft auf dieses Instrument nicht verzichtet werden kann.

Die Fakten sprechen für sich: 78 Prozent aller Verordnungen und 42 Prozent des Umsatzes entfallen auf 33.320 Fertigarzneimittel in 428 Festbetragsgruppen (Stand Juli 2011) und führen allein im Jahr 2011 zu einem Einsparvolumen in Höhe von 5,4 Milliarden Euro. Erfolgsgarant der Festbetragsregelung ist ihre Marktnähe, die Versicherten und deren Ärzten, aber auch den pharmazeutischen Unternehmern in diesem auf Regulierung angewiesenen Bereich der Gesundheitsversorgung größtmögliche Freiheiten gewährt.

Dabei ist die Geschichte der Festbeträge durchaus von wechselvoller Gesetzgebung geprägt. Hervorzuheben sind die generelle Freistellung von Arzneimitteln mit patentgeschützten Wirkstoffen (7. SGB V-Änderungsgesetz 1995) und die befristete Übertragung der Regelungskompetenz auf den Verordnungsgeber (Festbetrags-Anpassungsgesetz 2001), die die Durchschlagskraft der Festbetragsregelung geschwächt haben.

Positiv dagegen wirkten sich andere Regelungen aus, die zu einer Verfahrensbeschleunigung, einer breiteren Marktdurchdringung sowie einer besseren Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven führten. Dazu zählen die Rückübertragung der Zuständigkeit in die Hände der Selbstverwaltung, verbunden mit der Wiedereingliederung patentgeschützter Wirkstoffe sogar schon während der Patentlaufzeit aller Wirkstoffe einer Gruppe (GKV-Modernisierungsgesetz 2003), die gesetzliche Bestimmung zur Festbetragshöhe (Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz 2006) sowie die Möglichkeit zur Freistellung besonders preisgünstiger Festbetragsarzneimittel von der gesetzlichen Zuzahlung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 2007).

Reaktionen auf den Preiswettbewerb

Dass Festbeträge – wie gesetzlich intendiert – unmittelbaren Preiswettbewerb auslösen, der bei jeder einzelnen Verordnung der jeweils leistungspflichtigen Krankenkasse direkt zugutekommt, konnte von den Profiteuren der in Deutschland freien Preisbildung nicht tatenlos hingenommen werden. Insofern verwunderte nicht, dass bereits die ersten Festbetragsfestsetzungen 1989 unter allen rechtlichen Aspekten und durch alle Instanzen der Sozial- und Zivilgerichte auf nationaler und europäischer Ebene beklagt wurden.

Letztlich ist die in § 35 SGB V dem GKV-Spitzenverband (vor dem 1. Juli 2008 den ehemaligen Spitzenverbänden der Krankenkassen) eingeräumte Befugnis, Festbeträge festzusetzen, mit dem Grundgesetz vereinbar (Bundesverfassungsgericht 2002). Auch sind die Spitzenverbände bei der Festsetzung von Festbeträgen nicht als Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen im wettbewerbs- oder kartellrechtlichen Sinne des Art. 81 EG anzusehen (Europäischer Gerichtshof 2004).

Eindeutige Rechtsprechung

Nachdem die Festbetragsregelung als solche nicht mehr angegriffen werden kann (Bundessozialgericht 2004) und auch Klagen pharmazeutischer Unternehmer wegen Wettbewerbsverfälschung gegenüber Konkurrenzprodukten derselben Festbetragsgruppe abgewiesen wurden (zuletzt Bundessozialgericht 2011), führen vermehrt Versicherte Leistungsklage gegen ihre Krankenkasse auf Übernahme der Mehrkosten in Höhe der positiven Differenz zwischen Listenpreis und Festbetrag. Hierzu hat das Bundessozialgericht bereits klargestellt, dass derartige Klagen nur in einem atypischen Einzelfall unter engsten Voraussetzungen einer notstandsähnlichen Situation erfolgreich sein könnten. Insofern ist die über 20-jährige Bestandskraft der Festbetragsregelung auch der eindeutigen Rechtsprechung geschuldet.

Die Möglichkeiten einzelner Krankenkassen, mit pharmazeutischen Unternehmern Rabattverträge zu schließen (Beitragssatzsicherungsgesetz 2002) und für Festbetragsarzneimittel einen Rabatt in Höhe der Mehrkosten der Überschreitung des Festbetrages zu vereinbaren (Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz 2006), sowie der Abgabevorrang für rabattbegünstigte Arzneimittel bei der Ersetzung wirkstoffgleicher Arzneimittel durch die Apotheke (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 2007) schränken die Freiheiten der Versicherten ein. Zugleich verlagern sie für pharmazeutische Unternehmer den Wettbewerb um Marktanteile weg von niedrigen Preisen hin zu hohen Rabatten. So ist zu beobachten, dass pharmazeutische Unternehmer zunehmend Festbeträge nicht mehr zugleich auch als Preisobergrenze akzeptieren.

Stärkung durch das AMNOG

Mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) 2010 hat der Gesetzgeber die Festbetragsregelung erneut gestärkt. Arzneimittel, deren Zusatznutzen pharmazeutische Unternehmer nicht als therapeutische Verbesserung im Sinne von § 35 Abs. 1b SGB V belegen können, werden nach § 35a Abs. 4 SGB V direkt in die Festbetragsgruppe mit pharmakologisch therapeutisch vergleichbaren Arzneimitteln eingeordnet. Auf dieser gesetzlichen Grundlage konnte zum 1. Oktober 2011 der Festbetrag für ein Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff bereits sechs Monate nach dessen Markteinführung in Kraft gesetzt werden.

Für nicht in die Festbetragsregelung einbeziehbare Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen werden einheitlich für alle Krankenkassen geltende Erstattungsbeträge entweder zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem pharmazeutischen Unternehmer vereinbart oder durch eine Schiedsstelle festgesetzt. Damit ist die verbliebene Regelungslücke geschlossen und das Preismonopol der pharmazeutischen Unternehmer gebrochen. In diesem Steuerungskonzept bleiben Festbeträge im Markt der im engeren Sinne vergleichbaren Arzneimittel auch weiter unverzichtbar.

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