Abhängigkeit

Konzept zur ambulanten Rehabilitation

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) hat zusammen mit der Deutschen Rentenversicherung (DRV) ein Rahmenkonzept zur ganztägig ambulanten medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker erstellt. Ziel ist die Entwicklung hoher Qualitätsstandards und die Weiterentwicklung des Rehabilitationsangebots insgesamt.

Abhängigkeitserkrankungen stellen ein epidemiologisches und gesundheitliches Problem ersten Ranges dar. In Deutschland rechnet man allein unter Erwachsenen mit etwa 3,2 Millionen suchtkranken Personen. Davon sind

  • etwa 1,3 Millionen alkoholabhängig,
  • etwa 1,4 bis 1,9 Millionen medikamentenabhängig,
  • etwa 175.000 drogenabhängig (ohne Cannabis) und
  • etwa 600.000 weisen einen problematischen Cannabiskonsum auf.

Das in Deutschland differenzierte Suchthilfe- und -behandlungssystem gilt als eines der am besten ausgebauten Unterstützungs- und Behandlungsnetzwerke für chronisch kranke Menschen. Es wird insbesondere von den stationären Entwöhnungseinrichtungen geprägt. In den letzten Jahren haben sich aber – wie auch im somatischen Bereich – ambulante Strukturen entwickelt, die fester Bestandteil der Entwöhnung von Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen wurden. Dieses Rehabilitationsangebot hat sich insbesondere in Ballungszentren etabliert, wird teilweise auch an stationären Entwöhnungseinrichtungen durchgeführt. 

Die GKV und DRV erstellten ein gemeinsames, mit den Suchtfachverbänden und Einrichtungen abgestimmtes Rahmenkonzept für die ganztägig ambulante Rehabilitation Abhängigkeitskranker, das am 1. Januar 2012 in Kraft trat. Damit werden die GKV und DRV ihrer Strukturverantwortung gerecht und unterstützen den Auf- und Ausbau ambulanter Rehabilitationsstrukturen. 

Die ganztägig ambulante rehabilitation entspricht im Wesentlichen mit ihrem ganzheitlichen, komplexen und interdisziplinären Therapieangebot dem einer stationären Leistung zur medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker. Die Rehabilitanden sind jedoch nicht auf den stützenden, strukturierten Rahmen der stationären Einrichtung abends und am Wochenende angewiesen. Des Weiteren ermöglicht die Behandlungsform eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Lebensumfeld. 

Als Indikation für die ganztägig ambulante Rehabilitation kommen alle stoffgebundenen Abhängigkeitserkrankungen (ICD 10: F1x.2) in Betracht. Neben der Schwere der Abhängigkeitserkrankung ist die professionell eingeschätzte Abstinenzfähigkeit das zentrale Beurteilungselement für die Indikationsstellung. Zu den unabdingbaren Voraussetzungen gehört neben einer sachgerechten Qualifikation des Personals ein Rehabilitationskonzept, das wissenschaftlich begründet ist und unter anderem Aussagen zum diagnostischen Vorgehen, zu den Leistungen und therapeutischen Zielen einschließlich der Leistungsdauer enthält. 

Zu den Leistungsinhalten im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes gehören unter anderem medizinische Therapie, Psychotherapie/Suchttherapie, soziale Beratung, Arbeits-/Ergotherapie und arbeitsbezogene Maßnahmen, Beschäftigungs- und Kreativtherapie, Physio-, Bewegungs- und Sporttherapie, Gesundheitsbildung/ Gesundheitstraining, Ernährungsberatung, Gesundheits- und Krankenpflege, Freizeitgestaltung, die Zusammenarbeit mit Angehörigen und Rückfallbearbeitung. Die Rehabilitation erfolgt unter Leitung erfahrener Fachärzte mit entsprechenden Zusatzausbildungen beziehungsweise Weiterbildungen. Dem interdisziplinären Rehabilitationsteam gehören verschiedene Berufsgruppen an, die über adäquate Aus- und Weiterbildungen sowie über Berufserfahrung in der Rehabilitation abhängigkeitskranker Menschen verfügen, insbesondere Ärzte, Diplom-Psychologen, Diplom- Sozialarbeiter/Diplom-Sozialpädagogen. 

Die Therapieangebote finden in der Regel in der Zeit von etwa 9 bis 17 Uhr an fünf bis sechs Tagen statt. Die Mindesttherapiedauer beträgt montags bis freitags sechs Stunden, samstags vier Stunden. Die Gesamtbehandlungsdauer der Rehabilitation liegt bis zu zwölf Wochen bei Alkohol- und Medikamentenabhängigen und bis zu 20 Wochen bei Drogenabhängigen. 

Mit dem vorliegenden Rahmenkonzept, das von den Rehabilitationsträgern in Absprache mit Einrichtungen und Suchtfachverbänden auf Bundesebene abgestimmt wurde, liegt jetzt ein Orientierungsrahmen vor, der eine gezielte Indikationsstellung für diese Rehabilitationsform ermöglicht und konzeptionelle, personelle und strukturelle Rahmenbedingungen beschreibt. Es ist zu hoffen, dass damit bundesweit ein vergleichbarer hoher Qualitätsstandard in den Einrichtungen aufgebaut und dieses Rehabilitationssegment zukünftig von den Fallzahlen ausgebaut werden kann.


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