Einwurf

Von Überschüssen und Begehrlichkeiten

Einem Kind, das monatlich sein Taschengeld bekommt, machen die Eltern schnell klar, dass es doch sinnvoller sei, das Geld auf dem Sparbuch anzulegen, als es direkt zu verpulvern. Für größere Investitionen oder für schlechtere Zeiten, heißt es da. Und auch in der freien Wirtschaft freut man sich, wenn der Vorstandschef am Ende des Jahres positive Bilanz zieht und Gewinne verkündet. Bei der Sozialversicherung scheint das nicht so zu sein.

Seit klar ist, dass die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) im Jahr 2011 Überschüsse erzielt hat, überschlagen sich Politik und Leistungserbringer mit Vorschlägen, was denn nun mit dem Geld geschehen soll. Die Ärzte fordern die Abschaffung der Praxisgebühr, die Krankenhäuser wollen mehr Geld für die Kliniken, einige Politiker fordern eine Beitragssatzsenkung oder Prämienausschüttungen von den Krankenkassen, der Finanzminister will einen Teil der Steuerzuschüsse zurückhaben.

Die Krankenkassen wehren sich gegen derartige Begehrlichkeiten. Zuerst muss sorgfältig differenziert werden. Auf der Einnahmeseite gibt es den Gesundheitsfonds. Nach Abzug der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserve und nach Abzug der Reserve zur Finanzierung des Sozialausgleichs geht es hier um 4,5 Milliarden Euro nicht zweckgebundenes Vermögen. Auch wenn das nach viel aussieht: In der Realität könnte die GKV damit genau neun Tage lang die gesundheitliche Versorgung finanzieren. Als übertrieben hohen Puffer für konjunkturelle Risiken kann man dies sicher nicht bezeichnen.

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Die GKV könnte mit den Überschüssen genau neun Tage lang die gesundheitliche Versorgung finanzieren.

Thomas Ballast, Vorstandsvorsitzender des vdek

Auf der Ausgabenseite vermelden die Krankenkassen einen Überschuss von rund vier Milliarden Euro. Doch sind diese bei den Krankenkassen sehr unterschiedlich verteilt. Manche Kassen sind in der Lage, Prämien auszuzahlen, manche haben gerade erst angekündigt, den Zusatzbeitrag wieder anzuschaffen. Bei einigen Kassen, wie der BKK für Heilberufe, haben wir vor Kurzem erst die Pleite miterleben dürfen. Auch auf der Ausgabenseite ist also Vorsicht geboten, was Leistungsausweitungen oder die Abschaffung der Praxisgebühr anbelangt. Schon jetzt zeichnet sich im Übrigen für Januar und Februar 2012 ab, dass die Ausgaben im Arzneimittel- und Krankenhausbereich wieder um etwa fünf bis sechs Prozent ansteigen. Wenn die Entwicklung so anhält, erwarten die Krankenkassen bis Ende 2014 ein Defizit von etwa fünf Milliarden Euro. Insofern ist es jetzt richtig, auf Nachhaltigkeit zu setzen.

Doch wie gesagt: In der GKV ticken die Uhren anders. Im Überschüsse-Streit scheint sich nun der Bundesfinanzminister durchgesetzt zu haben. Zwar lässt er – im Rahmen seines Haushaltsplans für 2013 – den Steuerzuschuss von 14 Milliarden Euro, den die GKV jährlich für versicherungsfremde Leistungen und die Mitversicherung von Familienangehörigen erhält, unangetastet. Stattdessen soll die GKV nun einmalig zwei Milliarden Euro an den Bundeshaushalt zurückzahlen. Dieses Geld war eigentlich zur Finanzierung des Sozialausgleichs im Falle von hohen Zusatzbeiträgen gedacht. Es ist zu hoffen, dass es bei diesem einmaligen Zugriff bleibt. Alles andere wäre angesichts der Prognosen verantwortungslos.

Weitere Kommentare der vdek-Vorstandsvorsitzenden:

  1. Einwurf

    Verrückte Kassenwelt

    Magazin 

    Thomas Ballast. Wie kann es sein, dass auf der einen Seite der Gesundheitsfonds Milliardenüberschüsse anhäuft, auf der anderen Seite aber Krankenkassen Pleite gehen können? » Lesen