Vergütung

Neues Entgeltsystem für den Psych-Bereich

Grafik: Darstellung von einem Haus mit Turm und großen Eingangstor, daneben Baum und Sträucher, Haus auf einem stilisierten Zettel dargestellt, auf dem PEPP (für: Pauschalierende Entgelte für Psychiatrie und Psychosomatik), rechts unten im Bild drei weitere Zettel

Der Gesetzgeber hat mit dem Krankenhausfinanzierungsreformgesetz den Selbstverwaltungspartnern den Auftrag erteilt, ein neues Entgeltsystem für den Bereich der Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (Psych-Bereich) zu entwickeln. Er selbst hat die Aufgabe, diesem Entgeltsystem den finanzierungsrechtlichen Rahmen zu geben – und ist ihr mit der Verabschiedung eines Psych-Entgeltgesetzes im Bundesrat am 6. Juli 2012 nachgekommen.

Der Gesetzgeber orientiert sich dabei stark am Krankenhausentgeltgesetz, das den Finanzierungsrahmen für den somatischen Bereich, der über die sogenannten Diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG) finanziert wird, regelt. Zumindest die Unterschiede einer fallbezogenen Vergütung über DRG-Entgelte und der tagesbezogenen Vergütung über PEPP-Entgelte (Pauschalierende Entgelte für Psychiatrie und Psychosomatik) werden berücksichtigt. Die Versorgungsunterschiede zwischen den Bereichen werden eher ignoriert. Es ist mittlerweile davon auszugehen, dass das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) im Spätsommer dieses Jahres einen vereinbarungsfähigen Entgeltkatalog vorlegen wird.

Einführungsphase

Das neue Entgeltsystem kann erstmals zum 1. Januar 2013 eingeführt werden. Zwei Jahre können sich die Krankenhäuser allerdings noch Zeit lassen, um sich definitiv für die Einführung zu entscheiden. Es gelten also für Krankenhäuser zwei Optionsjahre. Die Krankenkassen haben diese Möglichkeiten erneut nicht erhalten. Sie müssen ihre Fachverfahren zum 1. Januar 2013 darauf vorbereiten, dass Krankenhäuser das neue System anwenden und damit ihre Leistungen über die neuen Entgelte abrechnen wollen. Dies bedeutet, dass die Krankenkassen einen aufwendigen Parallelbetrieb, insbesondere im Abrechnungsverfahren, vorhalten müssen.

Nach den zwei Optionsjahren beginnt der Zeitpunkt der verpflichtenden Teilnahme für alle psychiatrischen beziehungsweise psychosomatischen Fachabteilungen und Fachkrankenhäuser. In insgesamt vier Jahren der Budgetneutralität kann es aufgrund des neuen Entgeltsystems nicht zu entsprechenden Finanzierungsverwerfungen für die Krankenhäuser kommen. Für die Krankenkassen gibt es keine Ausgabenneutralität. Ist das Versichertenklientel einer Krankenkasse im Sinne des PEPP-Entgeltsystems morbider, also ressourcenaufwendiger, hat diese Krankenkasse mit höheren Ausgaben zu rechnen.


Warum PEPP- und keine DRG-Entgelte für den Psych-Bereich?

Psychische Erkrankungen enden häufig nicht mit einem Krankenhausaufenthalt. Eine Operation, die eine Erkrankung heilt, gibt es hier grundsätzlich nicht. Viele Patienten haben einen langen Krankheitsverlauf mit mehreren Krankenhausaufenthalten und wechselnden Behandlungen in anderen Versorgungsbereichen. Je schwerwiegender die Erkrankung ist, desto geringer ist die Einsicht des Patienten, sich behandeln zu lassen. Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen sind in der Regel auch weniger therapiefähig.

Krankenhausaufenthalte sind häufig nur sehr kurz oder extrem lang. Wenn ein Patient das zweite Mal wegen einer psychischen Erkrankung stationär behandelt wird, steigt die Wahrscheinlichkeit sprunghaft an, dass er weitere Krankenhausaufenthalte benötigt.

Einzel- und Gruppen- sowie Pharmakotherapien stehen im Vordergrund der Behandlung. Technische Diagnostik und operative Verfahren sind sekundär. Diese Unterschiede müssen in einem Vergütungssystem, das zur Verbesserung der Versorgung beitragen soll, berücksichtigt werden.

Zum 1. Januar 2017 beginnt für insgesamt fünf Jahre die sogenannte Konvergenzphase. In dieser Zeit werden schrittweise die Durchschnittsvergütungen eines Krankenhauses an ein landesweites Niveau angepasst. Aber auch hier wird die Anpassung durch eine Kappungsgrenze abgefedert. Sofern die krankenhausindividuellen Durchschnittsvergütungen über dem Landespreisniveau liegen, wird im ersten Jahr maximal ein Prozent der Differenz angepasst. Dieser Wert steigt jährlich um 0,5 Prozentpunkte und beträgt damit im fünften Konvergenzjahr drei Prozent. Liegen hingegen die Durchschnittsvergütungen unter dem Landespreisniveau, bekommt das jeweilige Krankenhaus den vollen Anpassungsschritt. Die Krankenkassen werden bei dieser Konstellation nicht geschützt. Ab dem 1. Januar 2022 greift für die Krankenhäuser ein landesweites Festpreissystem. Neun Jahre Umstellungszeit bedeuten eine erhebliche Verlängerung gegenüber der DRG-Systemeinführung, für die es eigentlich keinen Sachgrund gibt.

Eine stationäre Behandlung in einer psychiatrischen Fachabteilung beziehungsweise einem Fachkrankenhaus wird bislang mit tagesbezogenen Pflegesätzen mit einem Abteilungsbezug, wie beispielsweise der Kinder- und Jugend- oder der Gerontopsychiatrie, vergütet. Die pauschalierten Pflegesätze werden prospektiv auf der Basis der Selbstkosten eines Krankenhauses kalkuliert.

Die neuen Entgelte sollen leistungsorientiert sein. Diesem Anspruch kann ein Abteilungsbezug allein nicht gerecht werden. Nicht mehr die Abteilung soll für die Höhe des abzurechnenden Entgeltes maßgeblich sein, sondern die tatsächlich erbrachten Leistungen. Erneut sollen die Entgelte pauschaliert werden. Daher scheidet eine Einzelleistungsvergütung oder -kostenerstattung aus. Um leistungsbezogene Entgelte bilden zu können, werden patientenbezogene Daten wie Alter, Geschlecht, Haupt- und Nebendiagnosen sowie Prozeduren benötigt. Da die Entgelte aufwandsgerecht kalkuliert werden sollen, werden zusätzlich Kalkulationsdaten aus einer Kostenträgerrechnung von Krankenhäusern benötigt. All diese Daten führt das InEK zusammen, um nach einem Gruppierungsalgorithmus entsprechende Gruppen bilden zu können. Eine mögliche Gruppe könnte zum Beispiel „Schizophrenie und andere psychotische Störungen“ lauten. Für die spätere Abrechnung werden Patientendaten des Einzelfalls benötigt, die bereits heute im Rahmen des maschinellen Abrechnungsverfahrens zu übermitteln sind.

Die Vergütungshöhe wird einerseits über Relativgewichte bestimmt. Diese werden bundesweit einheitlich vom InEK ermittelt beziehungsweise vorgegeben. Andererseits wird ein Entgeltwert benötigt, der in den ersten vier Jahren krankenhausbezogen ermittelt wird. Dieser wird in weiteren fünf Jahren an einen Landesentgeltwert angepasst. Erst danach ist der Landesentgeltwert Maßstab für die Berechnung der Entgelthöhe mit dem jeweiligen Relativgewicht.

Sowohl im Entgelt- als auch im Finanzierungssystem bestehen viele Parallelen zur DRG-Vergütung. Der Abrechnungsbezug ist zwar nicht fall-, sondern tagesbezogen; der Leistungsbezug basiert aber auch primär auf Diagnosen und Prozeduren. Neu ist, dass bis zu fünf Vergütungsstufen für Patienten mit längeren Behandlungsaufenthalten mit degressiven Relativgewichten vorgesehen werden sollen. Ferner ist zu erwarten, dass vermehrt teilstationäre Leistungen über Relativgewichte abgebildet werden können. Dies ist im DRG-Bereich immer noch ein Manko. Zusatzentgelte, besondere Einrichtungen und Entgelte für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden soll es analog dem DRG-System auch geben.

Regelbetrieb und Modellvorhaben

Die neuen PEPP-Entgelte sind Ergebnis des gesetzlichen Auftrages an die Selbstverwaltungspartner, ein neues Entgeltsystem für den Psych-Bereich zu entwickeln. Im neuen PEPP-Entgeltsystem (Regelbetrieb) erhöht sich nur die Transparenz des Leistungsgeschehens. Eine leistungsgerechtere Vergütung wird sich jeweils auf Leistungs- und Kostenträger auswirken, da es zu Verschiebungen der Finanzströme kommen wird. Das Gesamtvolumen wird hiervon frühestens in der Konvergenzphase berührt. Die Änderungen im Regelbetrieb werden aber kaum zu einer Verbesserung der Versorgung beitragen.

Der Selbstverwaltungsauftrag beinhaltet zwei Prüfaufträge. Zum einen ist zu prüfen, ob weitere Behandlungsformen einbezogen werden können und zum anderen, ob neben tagesbezogenen Entgelten andere Abrechnungseinheiten eingeführt werden können. Hintergrund dieser Prüfaufträge ist das Anliegen, Sektorgrenzen zu überwinden. Um dieses Anliegen zu unterstützen, können die Vertragsparteien flankierend Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Vorsorgung psychisch kranker Menschen vereinbaren. Dabei kommt insbesondere der Ausrichtung auf eine sektorübergreifende Versorgung eine besondere Bedeutung zu.

Ziel sollte es sein, dass der Krankenhausträger die Behandlung an den Bedürfnissen des psychisch Erkrankten und nicht an den sektoralen Vergütungsbedingungen ausrichtet. Dies kann dadurch erreicht werden, dass einem Krankenhausträger ein Erlöskontingent zur Verfügung gestellt wird, innerhalb dessen er die Form der Behandlung (voll- und teilstationäre sowie die Behandlung in psychiatrischen Institutsambulanzen oder im Lebensumfeld des Patienten außerhalb des Krankenhauses) nach den Patientenerfordernissen gestalten kann. Der Gesetzgeber sieht vor, dass in jedem Bundesland mindestens ein entsprechendes Modellvorhaben zu vereinbaren ist. Anders als im Regelbetrieb dürften hier wahrnehmbare Veränderungen in der Versorgung entstehen. Die Versorgungs- beziehungsweise Therapeutenkontinuität über die Sektorgrenzen hinweg dürfte dafür ausschlaggebend sein.

Sowohl der Regelbetrieb als auch die Modellvorhaben sollen einer Begleitforschung unterzogen werden. Diese wird die Auswirkungen auf die Versorgung unter Wirtschaftlichkeits- und Versorgungsaspekten durchleuchten und letztendlich über die Veränderungen Urteil geben können.

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