Internationaler Vergleich

Telemedizin ist seit Jahrzehnten im Einsatz

Grafik: stilisierte Weltkugel mit Krankenhaus, Rettungswagen und Funkmast angeordnet, drum herum fliegt ein Satellit
Telemedizin wird bereits in vielen Ländern erfolgreich angewendet.

Deutschland ist nicht das einzige Land, das über den Einsatz von Telemedizin diskutiert. In vielen Flächenländern wird sie – zumindest punktuell – teilweise seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt. Weit fortgeschritten auf dem Weg in die Regelversorgung sind telemedizinische Anwendungen in Großbritannien und Skandinavien.

Als beste Datenquelle für die globale Situation in Sachen Telemedizin gilt das Global Observatory der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diese Umfrage, die auf Daten aus 114 WHO-Mitgliedsstaaten beruht, zeigt, dass global gesehen die „Doctor-to-Doctor“-Telemedizin eindeutig im Vordergrund steht. Die Teleradiologie ist dabei die bei Weitem wichtigste Anwendung. In etwa jedem dritten Land gibt es Teleradiologiedienste, die das Pilotstadium überschritten haben. Auf den Plätzen zwei bis vier folgen die Telepathologie, die Teledermatologie und die Telepsychiatrie.

Was die regionale Verteilung der Telemedizinaktivitäten weltweit angeht, steht Südostasien in praktisch allen Disziplinen der Doctor-to-Doctor-Telemedizin an der Spitze. Es folgen Europa und Amerika, wobei jenseits des Atlantiks neben der Teleradiologie die Teledermatologie und die Telepsychiatrie besonders beliebt sind, diesseits ist dagegen die Telepathologie häufiger anzutreffen.

Als besonders eindrucksvolles Beispiel nennt die WHO den Einsatz der Teleradiologie im Rahmen des nationalen Brustkrebs-Screening- Programms in Mexiko. Dort wurden für insgesamt 1,3 Millionen Screening- Untersuchungen zwischen Mai 2010 und Dezember 2012 insgesamt 30 Screening- Einheiten in elf Bundesländern mit zwei Teleradiologie- Zentren verbunden. Mexiko gehört zu den Ländern, die angeben, über eine nationale Strategie zur Implementierung telemedizinischer Dienste zu verfügen. Damit ist das mittelamerikanische Land gemäß dem im Jahr 2011 veröffentlichten WHO-Bericht Teil einer Minderheit: Nur jedes fünfte Land hat eine solche nationale Strategie.

Systematische Ausweitung telemedizinischer Lösungen

Wie sieht es in Europa aus? „Sowohl telemedizinische Lösungen für die ärztliche Kommunikation als auch telemedizinische Lösungen, die der Patientenüberwachung dienen, werden in immer mehr europäischen Ländern systematisch ausgerollt, besonders konsequent in Großbritannien und Skandinavien“, sagt Dr. Stephan Schug von der in Brüssel ansässigen European Health Telematics Association (EHTEL). „Einer der Erfolgsfaktoren ist dabei eine Umsetzungsstrategie, bei der Telemedizin nicht als Stand-alone-Anwendung eingesetzt wird, sondern als eine von vielen eHealth-Anwendungen in einem digitalisierten Gesundheitswesen.“ So gibt es beispielsweise in dem Flächenland Norwegen einen vor 15 Jahren gestarteten und mittlerweile in mehr als 100 Rettungswagen verfügbaren Tele-EKG-Dienst. In dem Land, in dem die Rettungswagen nur teilweise ärztlich besetzt sind, hilft der Dienst den Rettungssanitätern bei der Verdachtsdiagnose eines akuten Herzinfarkts. Eine landesweite Abdeckung soll innerhalb der nächsten Jahre erreicht werden.

Die stark von Neurologen aus Deutschland vorangetriebene Schlaganfall-Telemedizin hat mittlerweile auch in vielen anderen Ländern Fuß gefasst. „Schlaganfall-Tele-Netze sind in den USA mittlerweile weit verbreitet, und ihre Bedeutung nimmt zu“, sagt die Neurologin Gisele Silva, die die Situation in den USA kürzlich in der Fachzeitschrift Stroke detailliert analysiert hat (2012; 43(8):2078). Was sich in dieser Untersuchung unter anderem gezeigt hat, ist ein Trend zur Professionalisierung. Er äußert sich darin, dass die Zahl der mit einem Schlaganfallzentrum vernetzten Satellitenkliniken seit 2007 von im Durchschnitt unter vier auf knapp acht zugenommen hat.

In Europa sind Schlaganfall-Tele-Netze außerhalb Deutschlands vor allem in Großbritannien anzutreffen. Dort haben mittlerweile mehr als 30 der im staatlichen National Health Service (NHS) für die Gesundheitsversorgung zuständigen NHS Trusts Schlaganfall-Telekonsile eingeführt. Im Juli 2012 starteten beispielsweise sechs nordirische Trusts in den Regionen Lancashire und Cumbria mit Schlaganfall- Telekonsilen. Es wird damit gerechnet, dass dieser Service zusätzlich 40 Leben pro Jahr rettet und zu Einsparungen in der Größenordnung von sieben Millionen Pfund führt.

Ziel: Spürbare Verbesserung durch Telehealth

Großbritannien gehört in Europa auch bei der zweiten Form der Telemedizin zu den führenden Ländern, der „Doctor-to-Patient“-Telemedizin. In Deutschland wird auch von Telemonitoring gesprochen. In vielen anderen Ländern ist eher von Telehealth oder auch Telecare die Rede. Das britische Gesundheitsministerium hat im Dezember 2011 eine „3 million lives“- Kampagne ausgerufen. Sie zielt darauf ab, das Leben von drei Millionen Menschen innerhalb von fünf Jahren durch Telehealth-Dienste spürbar zu verbessern. Seither wagen sich immer mehr NHS Trusts mit teilweise sehr umfangreichen Telemonitoring-Programmen aus der Deckung. Dabei geht es meist um die durch General Practitioners organisierte Heimüberwachung von Patienten mit Herzerkrankungen, Lungenerkrankungen und Diabetes.

So hat die Region Cornwall im September 2012 angekündigt, eine Telehealth-Infrastruktur für bis zu 10.000 chronisch kranke Patienten aufzubauen. In Nordirland sollen mit einer ähnlichen Infrastruktur künftig bis zu 20.000 Patienten parallel überwacht werden. Ende 2012 waren es bereits rund 2.000. Und die NHS Trusts der Grafschaft Somerset in Südengland befinden sich gerade in einem Telemonitoring-Rollout mit einer Zielgröße von 4.000 Patienten.

Unterstützung für die Telemonitoring -Projekte der NHS Trusts kommt dabei von höchster Stelle: Nach dem Ende eines groß angelegten Pilotprojekts sprach sich Premierminister David Cameron Ende 2011 dafür aus, Telehealth-Dienste in Großbritannien landesweit auszurollen. Dadurch werde nicht nur die Patientenversorgung bequemer und würdevoller. Auch kommerziell sei Großbritannien damit anderen Ländern um Meilen voraus, so der Premier.  

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