Ethikrat

Ambivalenter Begriff der 'personalisierten Medizin'

Prof. Dr. Christiane Woopen, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates

Der Deutsche Ethikrat hat sich auf seiner Jahrestagung 2012 mit dem Thema personalisierte Medizin befasst und dabei vor allem festgestellt, wie ambivalent dieser Begriff ist.

Auf der einen Seite greift er zu kurz, weil er die eigentlich personale Dimension in der Praxis genau nicht meint, sondern die biologische. Auf der anderen Seite weist er aber auch auf die vielen Chancen hin, die wir auf keinen Fall vergeben dürfen.

Um diese Chancen zu verwirklichen, gilt es noch erhebliche Herausforderungen zu meistern, zum Beispiel beim Probanden- und Patientenschutz. Damit es zu Fortschritten kommen kann, braucht die Forschung sehr viele Daten. Erst durch die Kombination von verschiedenen Biodaten, Psychodaten und Soziodaten können wir mit Therapiekonzepten rechnen, die den Patienten auch tatsächlich weiterbringen.

Für unser Solidarsystem ergeben sich ebenfalls Herausforderungen. Der Anspruch, Erkrankungswahrscheinlichkeiten möglichst früh und präzise vorherzusagen und Erkrankungen durch eine gezieltere Prävention zu verhindern, wirft die Frage auf, inwieweit dies zu einer Art Gesundheitspflicht führen könnte. Und auch für die Kostenübernahme innovativer Therapien und der zugehörigen Biomarker- Diagnostik, die für die Auswahl geeigneter, personalisierter Arzneimittel erforderlich ist, gilt es neue Verfahren und Regelungen zu finden.

Um diese Entwicklungen sensibel zu begleiten, so das Fazit unserer Tagung, sollte man den Begriff der personalisierten Medizin besser vermeiden und durch differenziertere Ausdrücke wie stratifizierte Medizin, Biomarker-basierte Therapie und Ähnliche ersetzen, je nachdem worüber man gerade spricht.

Weitere Artikel aus ersatzkasse magazin. 5./6.2013