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vdek-Zukunftsforum: Nutzen geht vor

Foto vom Zukunftsforum: Podiumsdiskussion zur Entwicklung der Versorgung. Abgebildet sind: Heinz Lanfermann, Jens Spahn, Prof. Dr. Jürgen Windeler, Steffen-Claudio Lemme, Dr. Martina Bunge, Dr. Harald Terpe, Prof. Dr. Georg Marckmann
Zukunftsforum: Podiumsdiskussion zur Entwicklung der Versorgung. v. l. n. r.: Heinz Lanfermann, Jens Spahn, Prof. Dr. Jürgen Windeler, Steffen-Claudio Lemme, Dr. Martina Bunge, Dr. Harald Terpe, Prof. Dr. Georg Marckmann

Wohin entwickelt sich die medizinische Versorgung? Diese Frage diskutierten im Rahmen des vdek-Zukunftsforums am 25. April 2013 in der Zentrale des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek) Gesundheitsexperten und Politiker.

Der vdek hatte die gesundheitspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen, den Medizinethiker Prof. Dr. Georg Marckmann von der Ludwig- Maximilians-Universität München (LMU) und den Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Prof. Dr. Jürgen Windeler geladen. Tagesspiegel-Korrespondent Jürgen Zurheide moderierte die Veranstaltung. Christian Zahn, Verbandsvorsitzender des vdek, sagte: „Nicht jede neue Entwicklung, zum Beispiel im Arzneimittelbereich, führt automatisch zu einer besseren Versorgung der Versicherten. Hier gilt es im Sinne der Patienten, die Spreu vom Weizen zu trennen – das geht nur durch eine konsequente Ausrichtung am medizinischen Nutzen, Bedarf und an der Qualität. Dabei ist auch ein höchstmögliches Maß an Patientensicherheit anzustreben.“

Ziel müsse es sein, die Errungenschaften des deutschen Gesundheitswesens – freie Arzt- und Krankenhauswahl, freier Zugang zur Hochleistungsmedizin für alle Versicherten − auch in Zukunft zu erhalten, sagte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek. „Um dieses Niveau zu erhalten, brauchen wir echte Innovationen, die auch einen echten Fortschritt für die Patienten bedeuten. Dies ist dann gegeben, wenn ein Nutzen oder Zusatznutzen nachgewiesen werden kann.“ Die industrielle Forschung konzentriere sich zu wenig auf die Frage des Nutzens und den Bedarf eines medizinischen Produkts, kritisierte Elsner.

Medizinethiker Marckmann erläuterte in einem Vortrag, wenn personalisierte Medizin nachweislich die Wirksamkeit und Sicherheit sowie Effizienz der Versorgung verbessere, sei deren Förderung ethisch geboten. Bislang gebe es jedoch nur sehr begrenzten Erfolg. Die personalisierte Medizin werde von ökonomischen Erwartungen der Industrie getrieben. „Die zentrale Aufgabe lautet, eine - vom Hersteller unabhängige - Nutzenbewertung mit angemessenen Studienformen zu entwickeln“, schloss Markmann.

IQWiG-Leiter Windeler referierte zur Frage: Erst der Nutzen, dann das Geld? „Ja was denn sonst?“, beantwortete er diese Frage direkt am Anfang seines Vortrags. Schlupflöcher müssten geschlossen werden, wie sie beispielsweise im Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) vorhanden sind ¬ so könnten Pharmahersteller bewusst kein Dossier zur Bewertung des Nutzens eines Medikaments einreichen und seien mit ihrem Produkt dann im System, ohne überprüft zu werden. Auch die Medizintechnik müsse neu reguliert werden. Außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), etwa bei individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL), sieht Windeler ebenfalls die Notwendigkeit von Nutzenbewertungen.

Im Anschluss diskutierten Windeler, Marckmann, Elsner und die gesundheitspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen Jens Spahn (CDU), in Vertretung für Dr. Karl Lauterbach Steffen- Claudio Lemme (SPD), in Vertretung für Biggi Bender Dr. Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen), Heinz Lanfermann (FDP) und Dr. Martina Bunge (Die Linke) über die Entwicklung der medizinischen Versorgung.

„Wir wollen einen effizienten Einsatz der Versichertengelder“, sagte Spahn. „Die Frage bei Nutzenbewertungen lautet daher: Wie setzen wir das Geld sinnvoll ein? In den letzten Jahren ging es vorwiegend um Preisdebatten. Jetzt sollten wir stärker in Richtung Versorgungsoptimierung gehen, und dazu gehört Forschung.“ Lemme sprach sich dafür aus, einen Forschungsschwerpunkt auf personalisierte Medizin zu setzen: „Der Bedarf dafür ist einfach da“, sagte er. Etwas nüchterner sah das Bunge: Sie sei zwar offen, aber ein bisschen skeptisch, was das Potenzial der personalisierten Medizin angehe. Lanfermann sagte, was mit personalisierter Medizin alles möglich sein solle, sei eine geradezu fantastische Vorstellung. „Da ist manch einer versucht etwas voranzutreiben, was vielleicht noch gar nicht so reif ist.“ Nach Terpe ist „völlig klar, dass wir in die Richtung der individualisierten Medizin gehen werden.“ Es sei jedoch wünschenswert, den Markteintritt analog zum Arzneimittelmarkt gesetzlich zu regulieren.

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