Intelligente Koordinierungsstellen

Ambulante Psychotherapie: Versorgung verbessern

Grafik: Frau sitzt auf einem Sessel, neben ihr steht ein Palme, zur rechten Bildhälfte liegt ein Mann auf der Couch, darüber befindet sich eine Tafel auf der steht u. a. "Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie"

Die Ersatzkassen schlagen vor, Koordinierungsstellen zu schaffen, die für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit psychischen Störungen erste Anlaufstelle sind. So ließe sich schnell die richtige Therapieform finden und Wartezeiten könnten verkürzt werden.

Es ist eine Zahl, die aufschrecken lässt: Etwa ein Drittel aller erwachsenen Menschen leiden innerhalb von zwölf Monaten an einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung. Zu diesem Ergebnis kommen Jacobi et al. im Rahmen der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS 1) aus dem Jahr 2012. Gleichzeitig liest man fast täglich über die Volkskrankheit Depression, über Burn-out oder über immer mehr Kinder und Jugendliche mit Verhaltensauffälligkeiten. Nehmen psychische Erkrankungen also ständig weiter zu?

Auch wenn Schlagzeilen und öffentliche Diskussionen diesen Eindruck vermitteln, kommt die Wissenschaft zu anderen Ergebnissen: Die Prävalenz psychischer Erkrankungen ist über die Jahre relativ konstant geblieben – im Jahr 2006 lag sie bei etwa 31 Prozent. Es ist auch schwer vorstellbar, dass die heutige Generation psychisch kränker sein soll als die Generation ihrer Eltern und Großeltern, die zum Teil zwei Weltkriege miterleben mussten. Viel wahrscheinlicher ist, dass sich die Anforderungen und Herausforderungen an die Psyche mit der Zeit verändert haben. Und mit ihr auch das Problembewusstsein: Die Behandlung der Psyche ist heute in vielen Fällen gesellschaftlich anerkannt. Wer zum Psychotherapeuten geht, gilt nicht mehr als „verrückt“.

Das deutsche Gesundheitswesen bietet ein weltweit einzigartiges Angebot an unterschiedlichen ambulanten, stationären und rehabilitativen Therapieoptionen, das allen GKV-Versicherten offensteht. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen jedes Jahr etwa 1,5 Milliarden Euro für die ambulante psychotherapeutische Versorgung. Durch die seit Jahresbeginn geltende extrabudgetäre Vergütung und über 1.300 neue Therapeutensitze werden die Ausgaben weiter zunehmen. Dennoch warten heute Versicherte manchmal bis zu mehrere Monate auf ein Erstgespräch beim Psychotherapeuten. Viele Patienten landen bei dem Versuch, sich einen Therapieplatz zu sichern, auf einem Anrufbeantworter – der Rückruf bleibt jedoch aus. Für Patienten und Krankenkassen ist diese Situation mehr als unbefriedigend.

Gerade bei seelischen Störungen ist es wichtig, dass eben keine aufwendige Suche nach einem Psychotherapeuten mit freien Behandlungskapazitäten erforderlich ist. Und welches Verfahren ist überhaupt geeignet? Für den Versicherten stellt sich das vielfältige Angebot eher als verwirrend dar. Es fehlt an Informationen und Transparenz.

An dieser Stelle setzen die Ersatzkassen mit dem Konzept einer intelligenten Koordinierungsstelle (iKS) an. Denn für den Versicherten ist es am einfachsten, wenn er eine Anlaufstelle in seiner Region hat, die ihm individuell weiterhelfen kann. Und die gut vernetzt ist mit allen Psychotherapeuten, aber auch mit Selbsthilfegruppen und stationären Einrichtungen. Denn nicht immer ist der ambulant tätige Psychotherapeut die beste Hilfe.

Die iKS soll erste Anlaufstelle für Versicherte sein, die sich noch nicht anderweitig in psychischer oder psychiatrischer Behandlung, etwa im Krankenhaus, befinden. Unabhängige Psychotherapeuten und Versicherte besprechen dort gemeinsam und ohne Einflussnahme durch die Krankenkassen, wie dem Versicherten am besten geholfen werden kann und welches Therapieverfahren nach evidenzbasierten Kriterien für die jeweilige Erkrankung besonders geeignet ist. Der Versicherte erhält außerdem eine Information über freie Therapieplätze, eine langwierige Suche bleibt ihm erspart. Die Therapeutenwahl selbst bleibt selbstverständlich dem Versicherten überlassen. Auf diese Weise kann es gelingen, die vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen und Wartezeiten zu verringern.

Die Koordinierungsstellen sollten gemeinsam von Krankenkassen und Psychotherapeuten getragen werden, ihre Finanzierung erfolgt durch die GKV. Das bisherige Gutachterverfahren – in seiner Effizienz zumindest fraglich – könnte entfallen. Eine Rationierung, wie von einigen Interessenvertretern der Psychotherapeuten vermutet, ist dies nicht. Stattdessen, begleitet durch andere Maßnahmen wie zum Beispiel die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Gruppentherapie, ein großer Schritt in Richtung einer koordinierten psychotherapeutischen Versorgung im Sinne der Patienten.

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