Arzneimittel

Frühe Nutzenbewertung und Bestandsmarkt

Seit 1. Januar 2011 muss sich jeder neue Wirkstoff einer frühen Nutzenbewertung unterziehen. Doch auch bereits vor diesem Zeitpunkt zugelassene Arzneimittel können nachträglich zur Nutzenbewertung aufgerufen werden. Bei 14 Wirkstoffen war das bisher der Fall.

Mit Inkrafttreten des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) werden seit 1. Januar 2011 alle neu in den Markt gekommenen Arzneimittel mit bisher noch nicht bekannten Wirkstoffen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) einer frühen Nutzenbewertung nach § 35a SGB V unterzogen.

Dem Gesetzgeber war dabei klar, dass diese Maßnahme alleine nicht ausreichen würde, die gewünschte dauerhafte Kostenentlastung für den Arzneimittelbereich durchzusetzen. Hierzu hatte er in einem ersten Konsolidierungsschritt ein Preismoratorium verhängt und den Zwangsrabatt nach § 130a SGB V für patentgeschützte Arzneimittel vorübergehend von sechs Prozent auf 16 Prozent erhöht. Seine Erwartungshaltung war, dass bis zum Auslaufen dieser Regelung zum 31. Dezember 2013 eine weitere gesetzliche Option sukzessive die so erzielten Kostensenkungen aufnehmen und fortführen würde. Diese Option findet sich in § 35a Abs. 6 SGB V und erlaubt dem G-BA auch für bereits zugelassene und vor dem 1. Januar 2011 im Verkehr befindliche Arzneimittel eine Nutzenbewertung zu veranlassen. Aus diesem sogenannten Bestandsmarkt sollen vorrangig solche Arzneimittel bewertet werden, die entweder für die Versorgung von Bedeutung sind oder mit Arzneimitteln im Wettbewerb stehen, die bereits der „normalen“ frühen Nutzenbewertung unterzogen wurden.

Für letzteren Fall hatte der G-BA bereits einen Aufruf für die zur Behandlung von Diabetikern zugelassene Arzneimittelgruppe der Gliptine veranlasst, der die Firma Novartis bewog, umgehend gegen diese Aktivitäten zu klagen. Nach Abweisung dieser Klage durch das Landessozialgericht (LSG) Berlin/ Brandenburg zündete der G-BA die zweite Stufe seines Maßnahmenpaketes. Nämlich die zeitgleiche Bekanntgabe der von ihm bestimmten Kriterien zur Definition dessen, was im Gesetz etwas prosaisch als „für die Versorgung von Bedeutung“ angesehen wird, und eine erste Liste der durch Anwendung dieser Kriterien identifizierten Wirkstoffe.

Dabei handelt es sich um eine gewichtete Mischung aus Umsatzentwicklung und Zahl der verordneten Packungen unter Berücksichtigung von Restlaufzeiten für die Wirkstoffpatente. So soll verhindert werden, dass der nach Abschluss des Bewertungsverfahrens ausgehandelte Preis durch kurz darauf einsetzenden Zweitanbieterwettbewerb zur Makulatur wird. Die bisher aufgerufenen 14 Wirkstoffe unter anderem zur Behandlung von Schmerzen werden jedoch kaum in der Lage sein, die durch die bisherigen gesetzlichen Regelungen eingesparten rund 1,2 Milliarden Euro pro Jahr auch nur annähernd zu kompensieren. Daher ist ein zügiger und möglichst ungestörter Aufruf weiterer Arzneimittelgruppen zwingend notwendig, um sich zumindest mittelfristig dem gesetzgeberischen Einsparziel nähern zu können.

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