Diskussionsrunde

Wahlkampf: Die Suche nach dem Königsweg

Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek

Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek

Es sind noch gut zwei Monate bis zur Bundestagswahl 2013. Die Legislaturperiode geht dem Ende entgegen, jetzt stehen alle Zeichen auf Wahlkampf. Die Parteien werben für ihre Konzepte, Modelle und Versprechen. Auch in der Gesundheitspolitik warten Herausforderungen, die auf unterschiedliche Weise gelöst werden wollen. Für das ersatzkasse magazin. diskutieren die gesundheitspolitischen Sprecherinnen und Sprecher Jens Spahn (CDU), Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD), Heinz Lanfermann (FDP), Dr. Martina Bunge (DieLinke) und Birgitt Bender (Bündnis 90/Die Grünen) gemeinsam mit Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek), darüber, wie sie sich die Zukunft der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vorstellen – unter Aspekten der Finanzierung, Versorgung, Qualität und Umsetzbarkeit.

Die GKV verzeichnete im 1. Quartal 2013 einen Überschuss in Höhe von 850 Millionen Euro. Werten Sie dies als Erfolg, dass das jetzige Finanzierungssystem funktioniert oder haben Sie einfach Glück, dass Zusatzbeiträge im Wahlkampf unterbleiben?

Jens Spahn: Der Überschuss ist dreifach begründet. Wir haben 2011 und 2012 gespart, zum Beispiel bei Arzneimitteln, Ärzten und Krankenhäusern, zudem haben wir den Beitragssatz wieder auf 15,5 Prozent gesetzt und drittens ist der wirtschaftliche Aufschwung sicherlich die Basis, die Gelegenheit gibt, Rücklagen in allen Sozialversicherungssystemen zu schaffen. Wenngleich Rücklagen im Gesundheitsfonds von bis zu zehn Milliarden Euro am Ende nächsten Jahres zwar erst mal nach viel klingt, sich dann aber bei über 190 Milliarden Euro Gesamtausgaben doch relativiert. Also: Wir haben solide Finanzen und eine gute Grundlage, aber wir wissen auch, dass in Zukunft noch etwas zu tun sein wird.

Wie schätzen Sie die zeitliche Perspektive ein, wann werden die Rücklagen abgeschmolzen sein?

Heinz Lanfermann: Selbst wenn die Konjunktur so gut bleibt, schmelzen die Rücklagen. Es gibt zum einen auslaufende Maßnahmen, etwa Stichwort Herstellerrabatt, zum anderen Maßnahmen, die wiederum Geld kosten, beispielsweise Prävention. Aber die Rücklagen befinden sich auf sehr hohem Niveau. Wenn Überschüsse etwas sinken, ist das ja noch keine Gefahr in sich. Und von Zusatzbeiträgen, zumindest durchschnittlich gesehen, sind wir ja weit entfernt.

Zusatzbeiträge werden aber, ausgehend vom aktuellen Finanzierungssystem, wieder kommen.

Heinz Lanfermann: Der Finanzierungsweg muss, auch mit Blick auf die demografische Entwicklung, hinführen zu mehr Prämienbestandteilen. Abgesehen davon, ob es nun genau dieser Zusatzbeitrag ist oder wie dieser gerechnet wird, muss zumindest ein Wettbewerb neben dem Leistungswettbewerb stattfinden, der über den Preis geht.

Wie schätzt die Opposition das ein?

Karl Lauterbach: Zunächst würden wir die Dinge beim Namen nennen. Das heißt: Wir würden sagen, wir schaffen die Kopfpauschalen wieder ab. Es ist ja ein Zusatzbetrag pro Kopf, der gezahlt wird. Neben dieser Abschaffung würden wir zurückkehren zu Beitragssätzen, die sich von Krankenkasse zu Krankenkasse unterscheiden. Der Klassiker wäre, den Beitragssatz selbst zu bestimmen. Ich glaube, die Krankenkassen sind dazu auch in der Lage, viele Kassen wünschen sich das. Ein Wettbewerb über Beitragssätze bei einem gut funktionierenden Risikostrukturausgleich war das Modell, für das wir im Ausland beneidet wurden. Das wollen wir wiederherstellen.

Martina Bunge: Wir wollen einen einheitlichen Beitragssatz beibehalten, alles andere ist bei einem gleichen Leistungsspektrum nach SGB V den Versicherten nicht zu vermitteln. Folglich lehnen wir ab, dass die Krankenkassen den Beitragssatz selbst bestimmen. Wobei ich, um auf die Anfangsfrage zurückzukommen, sagen muss, dass die Höhe des aktuellen Beitragssatzes gepaart mit der wirtschaftlichen Entwicklung schon ein Glücksfall war. Aber dieses Glück ist sehr fragil. Wenn man wirklich, und das ist unser Ansatz, von den Patientinnen und Patienten ausgeht, muss man einen gewissen Spielraum für die Finanzierung schaffen. Aber Stabilität ist in dem jetzigen System nicht vorhanden, daher sind wir für die Bürgerinnen- und Bürgerversicherung. Wir sind der Meinung, dass alle in die Versicherung einzahlen sollen, und zwar über alle Einkommen. So bekommen wir eine stabilere Basis zugunsten der Versorgung. Aber ich bin skeptisch, dass unterschiedliche Beitragssätze gerade mit Blick auf einen fairen Wettbewerb unter gleichen Bedingungen funktionieren.

Birgitt Bender: Zunächst möchte ich klarstellen, dass die Überschüsse im System kein Ergebnis guter Gesundheitspolitik sind, sondern unter anderem das Ergebnis eines zu hoch angesetzten Einheitsbeitrags. Im Sinne einer verlässlichen, zukunftssicheren Finanzierung stehen wir für ein beitragsfinanziertes System. Dabei wollen wir unter Aspekten der Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit Beiträge auf alle Einkommen erheben und auch alle Bürgerinnen und Bürger im Boot haben. Das ist in der Tat der Weg zur Bürgerversicherung. Wenn Grün und Rot den Auftrag einer Regierungsbildung bekommen, wird unser erster Schritt sein, die Zusatzbeiträge abzuschaffen und das Recht der Krankenkassen, über ihre Beiträge selbst zu bestimmen, wieder einzuführen.

Mit dem Modell der Bürgerversicherung ist die Abschaffung der privaten Krankenversicherung (PKV) verbunden. Dagegen sprechen verfassungsrechtliche Probleme und auch Übergangsregelungen. So werden vermutlich erst einmal die Bürger in die GKV kommen, die mit der PKV nicht zufrieden sind. Schafft man sich damit nicht auch neue Probleme?

Birgitt Bender: Mit der PKV sind ja inzwischen ziemlich viele nicht zufrieden, das zeigen unzählige Mails und Briefe. Natürlich wird eine verstärkte Diskussion darüber einsetzen, wie zukunftsunfähig die PKV in ihrem System ist. Bei unserer demografischen Entwicklung kann es nicht bestehen. Da muss vermittelt werden, dass die Bürgerversicherung die bessere Option ist.

Jens Spahn: Bei einem System, das Altersrückstellungen beinhaltet, zu sagen, dieses stünde in den demografischen Veränderungen schlechter da als die GKV, ist ziemlicher Humbug. Das Problem ist, dass Ihre Bürgerversicherung schon bei den Annahmen nicht stimmt. Angeblich retten die vielen Gutverdienenden die GKV, aber so viele Gutverdienende gibt es gar nicht. Angeblich sind nur die Gesunden in der PKV, nur ist der Krankenstand bei Beamten statistisch höher und diese sind mit Abstand die größte Gruppe in der PKV. Fakt ist, die Bürgerversicherung löst keines der entscheidenden Zukunftsprobleme der GKV.

Karl Lauterbach: Darum geht es doch überhaupt nicht. Es geht darum, den Menschen eine Perspektive zu geben, die jetzt die PKV nicht mehr bezahlen können. Es geht auch darum, Ungerechtigkeiten bei der Versorgung bzw. Verteilung der Ärzte zu beseitigen. Dafür steht die Bürgerversicherung. Es geht nicht um die Rettung der GKV.

Martina Bunge: Es gibt aber auch andere Experten-Meinungen bezüglich Verfassungsmäßigkeit und Umsetzbarkeit einer solidarischen Bürgerversicherung. Das hohe Gut der Gesundheit der Bevölkerung lässt verfassungsmäßig viel Gestaltungsspielraum für Änderungen der Sozialgesetzgebung zum Zwecke der Finanzierungssicherung.

Gibt es fern einer ideologischen Debatte um Bürgerversicherung auf der einen und Prämienmodell auf der anderen Seite nicht eine pragmatische Lösung dazwischen?

Ulrike Elsner: Im Grunde brauchen wir doch keine revolutionären Veränderungen, um die Stabilität der sozialen Sicherungssysteme zu gewährleisten. Ich denke, wir können dasselbe Ziel erreichen, wenn wir zunächst nur einen Schritt gehen, und zwar zurück zur Beitragssatzautonomie. Wir haben weder die Unsicherheit, dass nur sogenannte schlechte Risiken zur GKV wechseln, noch stehen ungeliebte Zusatzbeiträge vor der Tür. Insgesamt wäre die Akzeptanz einer Beitragssatzautonomie in der Öffentlichkeit größer, zudem wirkt sie zielgenauer.

Herr Spahn, können Sie sich damit anfreunden, zumal ja die CDU ebenfalls für Beitragssatzautonomie geworben hat?

Jens Spahn: Unsere Option ist die Weiterentwicklung der Zusatzbeiträge. Denn der Zusatzbeitrag beinhaltet ein wichtiges Wettbewerbselement. Wir wollen ein klares Wettbewerbsmodell, in dem Krankenkassen um Versorgungsangebote, Satzungsleistungen, Service, Verwaltungsstrukturen bis hin zum Preis, in dem alles kumuliert, miteinander konkurrieren. Dies soll dann deutlich nach außen sichtbar und die Unterschiede leicht erfahrbar sein. Dabei haben die Krankenkassen im Moment die Möglichkeit wie nie zuvor, sich voneinander zu unterscheiden. Das soll sich in einem festen Europreis niederschlagen und nicht in einem Preis, im Zuge dessen ich einen Dreisatz brauche, um erahnen zu können, welche Krankenkasse mit welchem Preis am Markt ist.

Karl Lauterbach: Es ist doch ganz simpel. Wenn das System der Zusatzbeiträge bleibt und diese irgendwann im großen Stil erhoben werden, ärgern sich die Versicherten, einige Krankenkassen werden Mitglieder verlieren, andere werden sie im großen Stil gewinnen. Das kann doch aber nicht Sinn und Zweck sein.

Hat der Zusatzbeitrag aber nicht auch teilweise Selektiv- und Versorgungsverträge zurückgedrängt?

Ulrike Elsner: Wir stellen das schon fest. Der Zusatzbeitrag schwebt gewissermaßen wie ein Damoklesschwert über den Krankenkassen. In integrierte Versorgungsverträge muss man zunächst Geld investieren. Wenn da ein Zusatzbeitrag droht, ist die Bereitschaft naturgemäß nicht sehr groß. Hier brauchen wir neue Rahmenbedingungen.

Jens Spahn: Schmerzlicherweise ist jetzt die Zeit des Übergangs, aber wenn wir zu dem Punkt kommen, an dem viele Krankenkassen einen Zusatzbeitrag erheben, sind gute Versorgungsangebote und -verträge ein wichtiges Wettbewerbsinstrument. Es hängt davon ab, wie schnell sich dieses System als wettbewerbliches System weiterentwickelt. Allerdings wird es nicht gehen, dass die Kollektivversorgung am Ende über 150 verschiedene Verträge geregelt wird. Die Krankenkassen sollten erst mal nutzen, was sie haben. Man kann heute schon nahezu alles machen. Wenn man will.

Karl Lauterbach: Wenn man zahlt. Leistungserbringer schließen natürlich nur solche Verträge ab, wenn sie mehr Geld bekommen. Aber eine Krankenkasse, die gegen den Zusatzbeitrag kämpft, kann sich keine integrierte Versorgung leisten.

Ulrike Elsner: Man muss auch beachten, dass der größte Teil der Ausgaben nach wie vor im Kollektivbereich anfällt, in dem die Krankenkassen zunehmend stärker an ein gemeinsames und einheitliches Verhandlungsmodell gebunden sind. Hier wären Lockerungen hilfreich, gewisse Freiheiten in der Vertragsgestaltung würden dem System insgesamt gut tun.

Stichwort Steuerfinanzierung. Sie alle sind sich einig, dass ein großer Teil der Gesundheitsausgaben über Steuern finanziert werden muss. Da redet aber der Finanzminister kräftig mit. Wie wollen Sie die Steuerfinanzierung der GKV verlässlicher gestalten als bisher?

Ulrike Elsner: Das ist ein zentrales Anliegen der GKV. Wenn der Gesetzgeber richtigerweise festlegt, dass die GKV zum Beispiel für versicherungsfremde Leistungen eine Kompensation erhält, sollte dies der Finanzminister – je nach Haushaltslage – nicht kippen können, wie unlängst geschehen. Diese Realität zeigt auch, wie schwer es bei der jetzigen Finanzarchitektur sein wird, bei hohen Zusatzbeiträgen einen Sozialausgleich tatsächlich durchzuführen. Hierzu wären neue Steuermittel notwendig und jeder kann sich vorstellen, welche Diskussion damit ausgelöst wird.

Martina Bunge: In der Tat mischt sich bei Steuerfinanzierung der Finanzminister in die Gestaltung des Gesundheitssystems ein wie unlängst bei Entnahme von zwei Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds für sein Einverständnis zum Abschaffen der Praxisgebühr. Deshalb baut unser Konzept der Bürgerinnen- und Bürgerversicherung auf Beitragseinnahmen von allen Einkommen, über die Menschen verfügen.

Birgitt Bender: Diese Gefahr ist beim derzeitigen Modell des Zusatzbeitrages am größten. Je größer der Zusatzbeitrag wird, desto größer wird die Gefahr, dass die Versicherten abhängig werden vom Sozialausgleich. Da wundert es mich, dass eine Partei, die sich liberal nennt, ein Gesundheitssystem in diesem Maße vom Staat und seinen Finanzen abhängig machen will.

Heinz Lanfermann: Ein so großer Teil sind selbst mehrere Milliarden Euro Steuergelder nicht bei einem jährlichen Gesamtumsatz der GKV von rund 190 Milliarden Euro. Die möglichen Schwankungen bei Steuergeldern sind tatsächlich ein Problem. Aber viel heftiger sind die Schwankungen und Ausfälle durch Konjunktureinflüsse auf lohnbezogene Beitragssysteme. Hier schaffen Prämiensysteme viel mehr Stabilität und Planungssicherheit.

Karl Lauterbach: Zur Finanzierung werden wir die Kapitalertragssteuer erhöhen. Der bestehende Steuerzuschuss wird dann zu einem Steuerbeitrag und entsprechend dem Verfahren in der Rentenversicherung dynamisiert. Der Steuerbeitrag erhöht sich gemäß der Veränderungsrate der Umsatzsteuereinnahmen.

Jens Spahn: Die Einkommensstarken sollen für die Einkommensschwachen einstehen. Das ist die Grundlage unseres solidarischen Sozialstaats. Eine Einbeziehung aller kann aber nur sinnvoll über das Steuersystem funktionieren, weil dort alle Einkommensarten erfasst werden. Oder wollen Sie die GKV zu einem Nebenfinanzamt machen? Das kann niemand ernsthaft wollen. Deshalb: Sozialausgleich über das Steuersystem. Da sind wir uns in der Koalition völlig einig, auch mit dem Finanzminister. Wir haben beim Steuerzuschuss für die Leistungen der GKV in den Gesundheitsfonds eine verlässliche solide Grundlage geschaffen. Und dass Überschüsse im Fonds in guten Zeiten zur Haushaltskonsolidierung genutzt werden, ist nachvollziehbar. Warum soll der Staat zusätzliche Zinsen für Kredite bezahlen, wenn dies vermeidbar ist? Schwierig wird es mit dem Finanzminister bei zusätzlichen Ausgaben. Das ist manchmal lästig, aber wohl oder übel die Aufgabe eines Finanzministers.

Die Bundesregierung hat in dieser Legislaturperiode viele Themen angepackt, was werden – fernab der Finanzierungsdebatte – die zentralen Themen in der nächsten Wahlperiode sein?

Karl Lauterbach: Ich würde sagen, die Koalition hat große Ankündigungen gemacht und dann schlecht funktionierende Gesetze beschlossen. Daher wird die Gesundheitspolitik in der nächsten Wahlperiode vor riesigen Aufgaben stehen. Wir brauchen eine Pflegereform, eine Krankenhausreform, eine Stärkung der Hausärzteversorgung und die Bürgerversicherung.

Jens Spahn: Na ja, das Thema der flächendeckenden Versorgung zum Beispiel ist mehr im Fokus denn je. Wir sind die Krankenhaushygiene angegangen, soweit es der Bund kann. Genauso die Zusammenarbeit von stationärer und ambulanter Versorgung. Aber das Megathema 2014 in der Versorgung muss der Krankenhausbereich sein. Da braucht es eine Übereinkunft mit den Ländern, da diese Fragen nach der Krankenhausplanung, Mengenentwicklung oder unterschiedlicher Landesbasisfallwerte alleine nicht lösen können. Beide Seiten, Bund und Länder, müssen bereit sein, sich zu bewegen.

Birgitt Bender: Der Krankenhausbereich ist in der Tat eine große Reformbaustelle und man muss sagen, dass hier die Konfliktlinien eher zwischen Bund und Ländern verlaufen als zwischen den unterschiedlichen Parteien. Wichtig ist eine vernetzte Versorgung. Wir müssen wegkommen von der Arztzentriertheit des Systems, beispielsweise so, dass Pflegekräfte mehr Verantwortung übernehmen und die Arztrolle eher eine koordinierende ist. Und wir müssen die Ergebnisqualität messen.

Martina Bunge: Auch eine Überprüfung der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) würde viel bringen. Diese Mengenausweitung bedeutet Fehlanreize. Ich frage mich, warum außer über die Krankenkassen keine unabhängige wissenschaftliche Evaluierung stattgefunden hat.

Heinz Lanfermann: Mit Verlaub, aber ich kenne wirklich niemanden, der mit guten Gründen sagen könnte, wir schaffen die DRGs ab und alles wird besser.

Wie wird es dann besser?

Heinz Lanfermann: Das ist die große Frage. Wir müssen, gerade auch über die Bundesrats- und Verfassungsgrenzen hinweg, die Länder dazu bewegen, etwas zu tun. Alle Länder wissen, dass sie zu wenig tun. Deswegen lege ich Wert darauf, dass der Bund immer öfter daran erinnert, dass die Länder mit steigender Tendenz ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Oder die Länder geben ihre Verantwortung am Ende aus der Hand, aber dann können sie auch nicht mehr in dem Maße mitreden.

Birgitt Bender: Wir sehen aber auch das Problem, dass die Länder aufgrund der Schuldenbremse gar nicht in der Lage sein werden, den Investitionsnotwendigkeiten tatsächlich nachzukommen. Daher schlagen wir vor, dass die Krankenkassen für jeden Euro, den die Länder ausgeben, einen Euro draufzahlen. Dann ist es eine echte Planungspartnerschaft und wäre eine Chance, die Krankenhauslandschaft zukunftsfähig auszubauen.

Ulrike Elsner: In Sachsen-Anhalt gibt es einen zukunftsweisenden Weg in der Krankenhausplanung. Das Land macht die Rahmenplanung und hat Krankenkassen und Krankenhäusern die Kompetenz eingeräumt, stärker die Rahmenplanung auszugestalten durch besondere Qualitäts- und Leistungsvereinbarungen. Das führt zu einer stärkeren Zentrumsbildung, zum Beispiel im Bereich der Geriatrie oder der Versorgung von Schlaganfällen, was wiederum die Qualität der Versorgung erhöht. Es stellt sich zudem die Frage, ob wir wirklich alle Standorte brauchen. Auf alle Fälle brauchen wir die Bereitschaft der Länder, um stärker in eine gemeinsame Verantwortung zu kommen.

Zum Abschluss eine Frage an alle: Welche konkrete Sache würden Sie als allererstes angehen, wenn Sie der/die nächste Bundesgesundheitsminister/ in wären?

Jens Spahn: Die Frage ist einfach zu beantworten: Es gibt nichts Allererstes, was ganz schnell angegangen werden müsste. Wir sind nämlich nach allem, was wir in dieser Legislaturperiode erreicht und umgesetzt haben, in der glücklichen Lage, nicht mit einem Spargesetz beginnen zu müssen, wie es in der Vergangenheit zu Beginn einer neuen Legislaturperiode die Regel war. Die neue Regierung könnte sich intensiv auf die strukturelle Weiterentwicklung des Gesundheitswesens einlassen, zum Beispiel auf die bereits erwähnte Strukturreform bei den Krankenhäusern.

Karl Lauterbach: Die kleine Kopfpauschale abschaffen und die Beitragssatzautonomie für die Krankenkassen wieder einführen.

Heinz Lanfermann: Die Position des Bundesgesundheitsministers überlasse ich gern und überzeugt weiterhin Daniel Bahr. Die ersten Prioritäten werden die Reform der Krankenhausfinanzierung und die Fortsetzung unserer Pflegereform haben.

Martina Bunge: Ein modernes Präventionsgesetz, das darauf zielt, sozial bedingte gesundheitliche Ungleichheit zu verringern, damit aufhört, dass Arme kränker sind und früher sterben als Reiche. Parallel würde ich eine wissenschaftliche Studie auf den Weg bringen, die wissenschaftliche Grundlagen für eine ressortübergreifende Bedarfsplanung der gesundheitlichen Versorgung aller Menschen in Stadt und Land, von Jung bis Alt, von Arm und Reich schafft.

Birgitt Bender: Ich würde dem Bundestag einen Gesetzentwurf vorlegen, der regelt, dass die Krankenkassen über die Höhe ihrer Beiträge wieder selbst entscheiden dürften, und dass die ungerechten, einseitig von den Versicherten zu zahlenden Zusatzbeiträge wieder abgeschafft würden.

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