Finanzlage der GKV

Mehr als nur an Schrauben drehen

Die Zuweisungen 2014 an die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) betragen nach Angaben des GKV-Schätzerkreises 199,6 Milliarden Euro und entsprechen den vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geschätzten Ausgaben 2014. Demzufolge legt die Bundesregierung keinen GKV-Zusatzbeitrag für den Sozialausgleich fest. Aus Sicht der GKV allerdings besteht ein hohes Risiko, dass die Zuweisungen die Ausgaben nicht decken. Angesichts der Finanzsituation fordern die Ersatzkassen eine Rückkehr zur Beitragssatzautonomie, was auch in den Koalitionsverhandlungen aufgegriffen wurde.

Bezüglich der Ausgabenentwicklung sind sich die GKV-Schätzerkreismitglieder nicht einig geworden. Nach Ansicht der GKV unterschätzen das BMG und das Bundesversicherungsamt (BVA) relevante Ausgabenrisiken insbesondere im ärztlichen Bereich und bei Arzneimitteln in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Entsprechend niedrig fallen die Zuweisungen 2014 aus, obwohl Beitragseinnahmen und Mittel aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds in ausreichender Höhe zur Verfügung stehen. Die finanzielle Situation könnte sich schon Ende nächsten Jahres für Krankenkassen verschlechtern, die strukturell bedingt eine signifikant unterdurchschnittliche Deckungsquote aus dem Gesundheitsfonds aufweisen und zugleich über ein unterdurchschnittliches Rücklagenpolster verfügen.

Dieses Risiko nicht gedeckter Ausgaben gilt es, auch mit Blick auf die Verwendung von Beitragsgeldern und zweckgebundener Steuermittel zu bewerten. Werden sie für die Versorgung der Versicherten sowie zur Deckung realistisch erwarteter Ausgabenrisiken der GKV genutzt oder in der Liquiditätsreserve gehortet? Letzteres birgt immer die Gefahr neuer Begehrlichkeiten des Bundes oder der Politik, die mit den GKV-Finanzmitteln einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung anstatt zur Gesundheitsversorgung leisten wollen.

Für 2013 erwartet der GKV-Schätzerkreis Einnahmen für den Gesundheitsfonds, die die geschätzten Ausgaben und die schon im letzten Herbst festgelegten Zuweisungen decken. Die Kürzung des Bundeszuschusses um 2,5 Milliarden Euro ist bereits berücksichtigt. Die Liquiditätsreserve dürfte dennoch bis Ende des Jahres nochmals um 0,3 Milliarden Euro auf voraussichtlich 13,3 Milliarden Euro aufgestockt werden. Die Krankenkassen können Rücklagen in Höhe von 2,9 Milliarden Euro auf rund 18,5 Milliarden Euro weiter ausbauen.

Für 2014 erwartet der GKV-Schätzerkreis, dass die laufenden Einnahmen des Gesundheitsfonds zwar hinter den erwarteten Ausgaben zurückbleiben, rechnet man die geplante Kürzung des Bundeszuschusses von 14 auf 10,5 Milliarden Euro ein. Da aber eine Kompensation aus der Liquiditätsreserve ermöglicht werden soll, legt er die Zuweisungen 2014 mit 199,6 Milliarden Euro in Höhe der geschätzten Ausgaben fest. Die Liquiditätsreserve schrumpft daher um 3,3 Milliarden Euro auf etwa zehn Milliarden Euro. Die Rücklagen der Krankenkassen verharren auf dem Niveau von 2013.

Betrachtet man allein die durchschnittliche Entwicklung der GKV-Einnahmen und -Ausgaben der vergangenen Jahre, so liegt die Ausgabenentwicklung mit 3,6 Prozent stetig deutlich über der Einnahmenentwicklung von in der Regel 1,0 bis 2,0 Prozent. Unter Fortschreibung dieser Entwicklungsannahmen ohne mögliche Entnahme aus der Liquiditätsreserve übersteigen die Ausgaben der GKV wie schon 2014 auch 2015 die laufenden Einnahmen. Es gibt keinen gesetzlichen Automatismus, Mittel der Liquiditätsreserve jenseits einer Mindestreserve für Zuweisungen zu verwenden. Wenn keine gesetzlichen Änderungen zur Abschmelzung der Liquiditätsreserve hin zu einer definierten Mindestreserve oder zur Dämpfung des Kostenanstiegs in der GKV erfolgen, wird es zu einer GKV-weiten Unterfinanzierung der Krankenkassen kommen; es müsste ab 2015 ein wohl jährlich wachsender GKV-Zusatzbeitrag für den Sozialausgleich festgelegt werden.

Finanzarchitektur der GKV korrigieren

Die Ersatzkassen fordern daher, durch eine geeignete gesetzliche Vorschrift eine Entnahmemöglichkeit aus der Liquiditätsreserve zu definieren, wenn die Mittel eine festgelegte Mindestreserve übersteigen. Darüber hinaus wäre es besser, den gesetzlich festgelegten Gesundheitsfondsbeitragssatz zu dynamisieren. Dabei gehen diese Überlegungen davon aus, dass der Bundeszuschuss mit 14 Milliarden Euro in voller Höhe der GKV zur Verfügung steht. Ansonsten stellt sich die Finanzlage der GKV noch ungünstiger dar. Des Weiteren sollte der Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen mindestens stabilisiert, ggf. auch nach oben korrigiert werden. Insbesondere muss dieser verlässlich sein, anstatt je nach Haushaltslage zum Spielball des Finanzministers oder der Politik zu werden.

Zurück zur Beitragssatzautonomie

Die Erfahrung aus 2011 und 2012 zeigt, dass die Erhebung auch kleinster Zusatzbeiträge zu Überreaktionen bei den Versicherten führt. Teilweise setzten die Zusatzbeiträge eine Abwanderungsspirale in Gang, die zu einer mitunter existenzgefährdeten Verschlechterung der Wettbewerbsposition einzelner Krankenkassen führte – und das, obwohl die betroffenen Krankenkassen weder aufgrund ihrer Organisation noch ihrer Struktur Leistungen unwirtschaftlich erbrachten. Vom pauschalen Zusatzbeitrag geht kein angemessenes Preissignal für wirtschaftliche Leistungserbringung aus. Stattdessen kommt es zu sehr starken Mitgliederfluktuationen ohne Effizienzgewinne für das Gesamtsystem. Eine autonome Beitragssatzgestaltung durch die Krankenkasse würde die marktlichen Reaktionen wieder auf ein gesundes und angemessenes Maß zurück- führen.

Damit ist die Forderung verbunden, zur Beitragssatzautonomie für die Krankenkassen, d. h. zu kassenindividuell kalkulierten Ausgaben deckenden allgemeinen Beitragssätzen wie zuletzt 2009 zurückzukehren. Zumindest sollte der heute als Kopfpauschale gestaltete Zusatzbeitrag abgeschafft werden und durch einen kassenindividuell kalkulierten Zusatzbeitragssatz als Bestandteil des allgemeinen Gesundheitsfondsbeitragssatzes ersetzt werden. Dies ist einfach umsetzbar und verhindert, dass Versicherte wie Arbeitgeber unnötig hohe Beiträge leisten müssen. Kassenindividuelle Beitragssätze machen zudem den in der derzeitigen Finanzierungssystematik vorgesehenen aufwändigen Sozialausgleich aus Steuermitteln überflüssig und verhindern unnötige Bürokratie. Der Gesundheitsfonds mit dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) soll vom Grundsatz her erhalten bleiben. Über einen mindestens einmal jährlich anzupassenden sogenannten allgemeinen Basisbeitragssatz würde der Solidartopf der GKV gefüllt, sodass wie heute risikoadjustierte Zuweisungen an die Krankenkassen ausgeschüttet werden könnten.

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