Qualitätsmessung

Bessere Konsequenzen aus vorhandenen Daten

ersatzkasse magazin: Schaubild Qualitätssteigerung im stationären Bereich

Die Qualität der Behandlungen in deutschen Krankenhäusern kann noch weiter verbessert werden. Wo sich Qualitätsmängel zeigen, muss gehandelt werden. Mehr Transparenz, aber auch Sanktionen sind dafür geeignete Optionen. Der Blick ins Ausland zeigt entsprechende Möglichkeiten auf. Der im Folgenden vorgeschlagene Ansatz ist spezifisch auf das deutsche Gesundheitswesen zugeschnitten.

Trotz eines Jahrzehnts voller Bemühungen bleibt die Steigerung der Behandlungsqualität ein Dauerthema für das deutsche Gesundheitswesen. Die Diskussion um Qualitätsmängel hat dabei längst die breite Öffentlichkeit erreicht. Presseberichte über Hygienemängel, Behandlungsfehler oder Todesfälle auf Frühchenstationen zeugen davon. Auch eine genauere Betrachtung der Thematik jenseits von Schlagzeilen zeigt, dass die Qualität in einzelnen Bereichen verbessert werden muss. Dies beweist etwa ein Blick auf die Messungen des AQUA-Instituts. Das Schaubild „Mortalität nach Operationen an der Aortenklappe“ stellt die risikoadjustierte Sterblichkeit bei der kathetergestützten Operation an der Aortenklappe dar. Das Gefälle ist offensichtlich. Demnach unterscheidet sich der Anteil der Verstorbenen zwischen dem besten und dem schlechtesten Viertel der Krankenhäuser um ein Mehrfaches.

Die großen Qualitätsunterschiede sind kein Einzelfall. Für eine Vielzahl von Indikationen zeigen die Messungen des AQUA-Instituts im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) ein großes Qualitätsgefälle in der Prozess- und Ergebnisqualität. Bekannte Probleme sind unter anderem Wundinfektionen nach operativen Eingriffen oder die Organerhaltung bei Ovareingriffen.

Gleichzeitig zeigen diese Beispiele, dass sich Deutschland in einer guten Ausgangsposition befindet, um die Anstrengungen zur Qualitätsverbesserung zu intensivieren. Denn im stationären Sektor verfügt Deutschland über eine ausgesprochen gute Datenlage zur Leistungsqualität. Diese Einschätzung wird von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bestätigt. So heißt es in einer vor Kurzem publizierten Studie, „dass Deutschland unter den OECD-Nationen führend ist, was die Sammlung von Daten zur Versorgungsqualität [im stationären Sektor] betrifft“ (OECD 2013, S. 24).

Dabei ist im Vergleich zu anderen Ländern auffällig, dass die Qualität zwar belastbar gemessen werden kann, aus den Messergebnissen jedoch keine Konsequenzen gezogen werden. Es gibt bis heute keine wirksamen Mechanismen, um die Leistung qualitativ schlechter Krankenhäuser unter Verwendung von Sanktionsmaßnahmen zu verbessern oder um gute Krankenhäuser zu belohnen. Auch die Transparenz von Qualitätsmessung und die zielgruppengerechte Aufbereitung – insbesondere für die breite Öffentlichkeit – sind im Vergleich zu anderen Ländern verbesserungsfähig. Steuerungsansätze anderer OECD-Länder auf Basis von Qualitätsinformationen offenbaren eine ganz andere Qualitätskultur.

Eine Auswahl von Beispielen:

  • In den Niederlanden und Kanada gibt es kritische Jahresberichte zum eigenen Gesundheitswesen, in denen Fortschritte und Zielwerte für Qualitätsindikatoren jährlich angegeben werden. Auch Benchmarks aus dem Ausland werden herangezogen.
  • In New York kann man die Mortalitätsrate von Operationen einzelner Herzchirurgen öffentlich miteinander vergleichen.
  • Im englischen Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) sind differenzierte Qualitätsindikatoren für Krankenhäuser ebenso wie die Bewertung durch die Patienten auf einer landesweiten Internetseite verfügbar.
  • In Dänemark wird in öffentlichen Darstellungen vor schlechten Ärzten gewarnt. Zwar ist eine Eins-zu-eins-Übertragung auf Deutschland häufig nicht denkbar. Die Betrachtung zeigte jedoch, welche Konzepte Qualität wirksam fördern: Es sind Ansätze, die zum einen auf transparente und nachvollziehbare Qualitätsinformationen setzen und zum anderen diese Informationen mit Konsequenzen verknüpfen.

In Deutschland existiert für die Messung der Qualität in Krankenhäusern bereits ein etabliertes System. Das AQUA-Institut ist derzeit im Auftrag des G-BA unter anderem mit der Qualitätssicherung im stationären Sektor beauftragt. Zu seinen Aufgaben gehört die Entwicklung, Pflege und Ergebnisauswertung von Qualitätsindikatoren. Wir schlagen vor, aus diesen Ergebnissen auch Konsequenzen zu ziehen.

Vorschläge zur Optimierung

Für geeignete Qualitätsindikatoren (zunächst nur für elektive Leistungen) sollten verbindliche Mindeststandards vereinbart werden, die für die Erlaubnis zur Leistungserbringung nicht unterschritten werden dürfen. Leistungserbringern unterhalb des Mindeststandards werden zwei Jahre Zeit gegeben, den Mindeststandard zu erreichen. Sollte ein Krankenhaus es nicht schaffen, innerhalb dieses Zeitraums den Mindeststandard zu erreichen, so darf es die Leistung nicht mehr erbringen.

Für den Leistungsausschluss sind drei komplementäre Mechanismen möglich. So können Krankenkassen im Rahmen der Budgetverhandlungen festlegen, dass die betroffenen Leistungen nicht mehr länger vergütet werden. Eine weitere Option ist die Kündigung des Versorgungsvertrags seitens der Krankenkassen für einzelne Leistungen. Die dritte Möglichkeit besteht in der stärkeren Qualitätssteuerung im Rahmen der Krankenhausplanung durch die Bundesländer. Zwar geschieht dies in einzelnen Bundesländern schon heute (zum Beispiel in Hamburg), jedoch ist dies nicht verpflichtend.

Den Krankenkassen und Leistungserbringern soll zudem gestattet werden, für elektive Leistungen, bei denen Krankenhäuser eine besonders hohe Qualität erbringen, Selektivverträge abzuschließen. Dabei wird die Krankenhauswahlfreiheit der Patienten in vollem Umfang beibehalten, den Patienten jedoch empfohlen, das Krankenhaus mit hoher Qualität aufzusuchen.

D as vorgeschlagene Konzept wurde so abgewogen, dass die Interessen der Krankenhäuser berücksichtigt werden und angemessene Bewährungszeiten sowie Begrenzungen möglicher Sanktionen vorgesehen sind. Zudem stellt die Studie nicht die generell hohe Behandlungsqualität der Krankenhäuser infrage. Vielmehr ist es das Ziel, aus wenigen unzureichend arbeitenden Abteilungen in andere Häuser mit hohem Qualitätsstandard umzusteuern. Zudem will das vorgeschlagene Konzept nicht die Versorgungsstrukturen in der Grund- und Notfallversorgung verändern. Die Möglichkeit, andere diskutierte Maßnahmen zur Qualitätssicherung umzusetzen, wie zum Beispiel Mindestmengenregelungen oder qualitätsorientierte Planung, wird von den hier empfohlenen Maßnahmen nicht tangiert.

Die Versorgungssicherheit bleibt mit diesem Vorschlag gewährleistet. Der großen Mehrzahl der Menschen in Deutschland stehen mehrere Krankenhäuser in nahem Umkreis zur Verfügung, sodass der Ausschluss einer Leistung in einem dieser Häuser keine wesentlich weiteren Fahrtzeiten erzeugt. Dabei sei nochmals betont, dass zunächst nur elektive Leistungen betrachtet werden, die Grund und Notfallversorgung also in jedem Fall beibehalten werden. Auch eine Modellrechnung mit dem oben genannten Beispiel der Aortenklappen-Operation zeigt, dass sich die Entfernungen kaum verändern, wenn beispielsweise die qualitativ schlechtesten zehn Prozent der Häuser von der Leistung ausgeschlossen werden. Für seltene Extremfälle besonderer Behandlungen werden Ausnahmeregelungen vorgesehen.

Für die formale Umsetzung bieten sich mehrere Wege: So könnten die Möglichkeiten zur Kündigung von Verträgen erweitert oder Budgetverhandlungen genutzt werden. Zudem sollten Fehlanreize vermieden werden, beispielsweise durch eine geeignete Risikoadjustierung. Das hier skizzierte Konzept bietet die Möglichkeit zu einem Einstieg in die Qualitätssteuerung mit einer begrenzten Anzahl von Indikatoren. Ein stufenweiser Ausbau und kontinuierliche Weiterentwicklung sind möglich.

Das hier vorgestellte Konzept basiert auf einer Studie, die das IGES Institut im Auftrag des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek) erstellt hat. Die vollständige Studie „Konsequenzen aus der Qualitätsmessung im Krankenhaus. Vorschläge auf Basis internationaler Beispiele“ finden Sie unter www.vdek.com unter Service/Krankenhäuser/Qualitätssicherung.

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