Positionspapier des vdek

Selbstverwaltung stärken, Sozialwahlen reformieren

Illustration: Selbstverwaltung stärken, Sozialwahl reformieren

Die Große Koalition will die Selbstverwaltung stärken und die Sozialwahlen modernisieren. Soziale Selbstverwaltung sei „Ausdruck der Verantwortung, die die Sozialpartner in Deutschland für die Gestaltung der Sozialversicherung übernehmen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Die Versicherten- und Arbeitgebervertreter der Ersatzkassen nehmen dieses Bekenntnis ernst. „Den Worten müssen nun Taten folgen“, fordert Christian Zahn, Vorsitzender des Verbandes des Ersatzkassen e. V. (vdek). Die ehrenamtlichen Vertreter der Selbstverwaltung der Ersatzkassen haben ihre Vorstellungen zu einer Stärkung der Selbstverwaltung und einer Reform der Sozialwahlen in einem gemeinsamen Positionspapier formuliert.

Die soziale Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist ein Kernelement der auf Subsidiarität basierenden Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland und ein prägender Bestandteil der Mitbestimmung der Versicherten und Beitragszahler. Die hohe Leistungsfähigkeit dieses Systems beweist sich auch unter schwierigen wirtschaftlichen, demografischen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen. Die selbstverwaltete GKV zeigt sich als ein krisensicheres und leistungsfähiges Zukunftsmodell. Sie steht für Solidarität und eine bedarfsgerechte, versichertennahe und wirtschaftliche Versorgung.

Permanente Aufgabe der Vertreter der sozialen Selbstverwaltung in der GKV ist es, einen Ausgleich herbeizuführen zwischen den berechtigten Interessen der Versicherten, die auf ausreichende und hochwertige Leistungen ihrer Krankenkasse angewiesen sind, und den ebenso berechtigten Interessen der Beitragszahler an einer wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung. Auf diesem Weg gelingt es dem selbstverwalteten Gesundheitswesen in Deutschland im Vergleich zu rein marktwirtschaftlich oder rein staatlich gelenkten Systemen in anderen Ländern, eine weitaus hochwertigere und zugleich wirtschaftlichere medizinische Versorgung für ihre Bürger zur Verfügung zu stellen. Im Rahmen der alle sechs Jahre stattfindenden Sozialwahlen sind die Bürger an der Wahrnehmung der Aufgaben der GKV beteiligt. Die Eigenverantwortung der Selbstverwaltung einzuschränken würde bedeuten, dieses Ergebnis zu gefährden.

Das historisch gewachsene System der sozialen Selbstverwaltung ist durch politische Reformen regelmäßig modernisiert worden. Die Ersatzkassen sprechen sich dafür aus, dass dieser Weg durch die neu gebildete Bundesregierung in der 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages weiter beschritten wird, um die soziale Selbstverwaltung zukunftsfest zu machen. Sie befürworten die Verabschiedung einer Reform der sozialen Selbstverwaltung und der Sozialwahlen durch den neu gewählten Deutschen Bundestag und stellen in diesem Positionspapier ihre Vorschläge für eine solche Reform dar.

Entscheidungsspielraum ausbauen

Die Ersatzkassen sprechen sich dafür aus, das Selbstverwaltungsprinzip zu stärken. Im Rahmen der sozialen Selbstverwaltung wird sichergestellt, dass die Versicherten und Beitragszahler an den Entscheidungen der Krankenkassen und ihrer Organisationen beteiligt sind. Die Mitwirkung der Betroffenen ist durch die Sozialwahlen demokratisch legitimiert und sichert praxisgerechte, ökonomisch vertretbare und gesellschaftlich akzeptierte Entscheidungen. Um diese wichtigen Funktionen auch in Zukunft erfüllen zu können, darf der Handlungsspielraum der Selbstverwaltung nicht weiter eingeschränkt werden. Stattdessen sollte ihr Verantwortungsbereich ausgebaut werden, indem zum Beispiel die Beitragssätze der Krankenkassen wieder selbstständig und kassenindividuell durch ihre Verwaltungsräte festgesetzt werden. Die Beitragszahler werden dadurch in die Lage versetzt, die durch sie erbrachte Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen bedarfsgerechter und effizienter zu gestalten, als dies derzeit durch die zentrale, staatliche Festsetzung möglich ist. Diskussionen um überbordende Finanzreserven in der GKV würden sich auf diese Weise in Zukunft erübrigen.

Überzeugende politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen sind eine wichtige Voraussetzung dafür, die Mitarbeit in der ehrenamtlichen Selbstverwaltung attraktiv zu gestalten und ein möglichst großes Interesse an einer ehrenamtlichen Tätigkeit in der Selbstverwaltung zu wecken. Dafür sind Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Ehrenamt und Beruf zu ergreifen. Die Ersatzkassen fordern, den gesetzlichen Anspruch auf Arbeitsfreistellung unter Fortzahlung der Bezüge zu stärken. Darüber hinaus sind angemessene Entschädigungsregelungen sowie akzeptable steuerliche Rahmenbedingungen notwendig. Die Forderung nach mehr Weiterbildungsmöglichkeiten wird von den Ersatzkassen unterstützt.

Die Ersatzkassen unterstützen das Ziel, dass die Verwaltungsräte der Krankenkassen die verschiedenen Bevölkerungsanteile unter ihren Mitgliedern möglichst weitgehend widerspiegeln, um ihre Interessen möglichst vollständig vertreten zu können. Sie sprechen sich daher dafür aus, dass der Gesetzgeber verschiedene Varianten für die Einführung einer Frauenquote prüfen sollte, um den Frauenanteil in allen Verwaltungsräten der Krankenkassen nachhaltig anzuheben.

Modus der Zusammensetzung beibehalten

Kassenartenübergreifende Fusionen unter Beteiligung von Ersatzkassen haben dazu geführt, dass in den Verwaltungsräten einiger Ersatzkassen nun auch Arbeitgebervertreter beteiligt sind. Dies ist der Fall bei der TK, der DAK-Gesundheit, der KKH und der hkk. Eine gesetzlich verordnete, zwangsweise paritätische Besetzung der Verwaltungsräte aller Krankenkassen durch Arbeitgeber- und Versichertenvertreter lehnen die Ersatzkassen ab. Ihre Verwaltungsräte sollten wie bisher selbst darüber entscheiden können, ob und in welchem Verhältnis sie sich zum Beispiel im Rahmen einer Fusion in Zukunft mit Vertretern der Versicherten und der Arbeitgeber zusammensetzen. Der Entscheidungsspielraum der Selbstverwaltung und insbesondere die bestehende gesetzliche Regelung in § 44 Abs. 4 SGB IV sollten hier unverändert bleiben.

Prinzip der Urwahlen stärken

Die Ersatzkassen sprechen sich dafür aus, auch zukünftig an der demokratischen Legitimation der sozialen Selbstverwaltung durch Sozialversicherungswahlen festzuhalten und dabei das Prinzip der demokratischen Urwahlen zu stärken. Die demokratischen Beteiligungsrechte der Kassenmitglieder dürfen nicht beschnitten werden. Bei den Ersatzkassen werden die Sozialwahlen traditionell als Urwahlen durchgeführt.

Wahlen ohne Wahlhandlung, die sogenannten „Friedenswahlen“, werden insbesondere auf der Seite der Versicherten in der öffentlichen Diskussion hinterfragt. Die Ersatzkassen schlagen vor, das Instrument als solches einer kritischen Überprüfung zu unterziehen und konkrete Maßnahmen zur Förderung von Urwahlen zu ergreifen. Eine grundsätzliche Abschaffung der in § 46 Abs. 2 SGB IV normierten Wahlen ohne Wahlhandlung halten die Ersatzkassen allerdings nicht für sinnvoll.

Bei der Durchführung von Urwahlen entstehen den Krankenkassen höhere Kosten je Versicherten als bei der Durchführung von Wahlen ohne Wahlhandlung. Im Wettbewerb werden sie damit gegenüber Krankenkassen, die Wahlen ohne Wahlhandlung durchführen, schlechter gestellt. Zur Stärkung des Solidarprinzips und der demokratischen Beteiligungsrechte der Versicherten in der GKV sollten die durch die Sozialwahlen entstehenden Kosten gleichmäßig auf die Solidargemeinschaft der GKV verteilt werden. Für Kassen, die bisher traditionell Wahlen ohne Wahlhandlung durchgeführt haben, könnte dies ein weiterer Anreiz sein, in Zukunft Urwahlen durchzuführen. Einführung von Online-Wahlen Die Ersatzkassen sehen Online-Wahlen als einen geeigneten Weg an, neue Wählerschichten für eine Teilnahme an den Sozialwahlen zu gewinnen. Sie sprechen sich dafür aus, zusätzlich zur Briefwahl Online-Wahlen bei den Sozialwahlen zu ermöglichen und fordern den Gesetzgeber dazu auf, umgehend einen entsprechenden gesetzlichen Rahmen dafür zu schaffen.

Umfrageergebnisse bestätigen, dass sich vor allem diejenigen Versicherten an den Sozialwahlen beteiligen, die viel über die Arbeit der sozialen Selbstverwaltung wissen. Die Ersatzkassen informieren ihre Versicherten daher im Verlauf der gesamten Sozialwahlperiode zum Beispiel durch ihre Internetauftritte und in den Mitgliederzeitschriften über das vielfältige Engagement und die Entscheidungen der Selbstverwaltung der Krankenkassen. Um die Wahlberechtigten in Zukunft noch besser über die Arbeit ihrer Selbstverwaltungsvertreter zu informieren, stehen die Ersatzkassen allen Vorschlägen offen gegenüber, die die Transparenz gegenüber den Versicherten weiter verbessern können. Nach Auffassung der Ersatzkassen sollten zudem alle im Ausland wohnenden Mitglieder an den Sozialwahlen teilnehmen dürfen. Die aktuellen Beschränkungen für bestimmte Mitgliedergruppen, die sich nach dem Wohnortstaat der Mitglieder richten, halten die Ersatzkassen nicht mehr für zeitgemäß. Unter Berücksichtigung der ansonsten geltenden gesetzlichen Voraussetzungen, wie zum Beispiel dem Wahlrecht ab 16 Jahren und der Wählbarkeit ab 18 Jahren, sollte eine entsprechende gesetzliche Regelung geprüft werden, um allen im Ausland wohnenden Mitgliedern das Wahlrecht einzuräumen.

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