Selbsthilfegruppen

Von Adipositas bis Zystitis

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Für viele Themen gibt es Selbsthilfegruppen: Gemeinsam mit Menschen in ähnlichen Situationen lassen sich Herausforderungen durch Krankheit, Sucht oder Traumatisierungen besser meistern. Die Selbsthilfekontaktstellen in Städten und Kreisen bieten Informationen, Kontakte und Unterstützung.

Einander zuhören, gegenseitig helfen, gemeinsam aktiv werden: In Selbsthilfegruppen finden Menschen, die unter chronischen Erkrankungen leiden oder schwere Schicksalsschläge erleben mussten, andere Menschen, denen Ähnliches widerfahren ist. Während Angehörige und Bekannte vielleicht nur mehr mit den Achseln zucken, können in Selbsthilfegruppen Bewältigungsstrategien und verschiedene Blickwinkel mit anderen Betroffenen ausgetauscht werden. Vielen bringt auch einfach schon das Wissen, dass sie mit dem Erlebten nicht alleine sind, Kraft und Mut.

In Deutschland gibt es für fast jedes Thema Selbsthilfegruppen. Dies betrifft Erkrankungen, von denen sehr viele Menschen betroffen sind – wie etwa Krebs oder Diabetes –, aber gerade auch seltene Erkrankungen. Manche finden für den Umgang mit Substanzabhängigkeiten oder bei psychischen und körperlichen Traumatisierungen durch Gewalt oder Unfälle den Weg in eine Selbsthilfegruppe. Auch die oft  große Last, wenn Angehörige krank, pflegebedürftig oder behindert sind, kann in einer Gruppe aufgefangen werden. Solche gesundheitsbezogenen Selbsthilfegruppen können Fördermittel von der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten. Daneben gibt es auch ein breites Angebot für soziale Themen wie besondere Alltagssituationen, in denen sich etwa Alleinerziehende, Patchwork- oder Pflegefamilien befinden. Auch hier kann der Austausch mit Menschen in der gleichen Situation die Bewältigung des Alltags erleichtern.

In Deutschland gibt es rund 300 Selbsthilfekontaktstellen. Hierhin können sich Betroffene wenden, die ein Unterstützungsangebot in ihrer Region suchen. Oftmals gibt es in Wohnortnähe eine Regionalgruppe, und auch im Internet finden sich professionell betreute Selbsthilfeforen. Und auch Initiatoren von Selbsthilfegruppen erhalten bei den Kontaktstellen Hilfe bei der Gründung und bei der Beantragung von Fördermitteln.

Selbsthilfepreise in den Ländern

Auf Landesebene ist das Thema Selbsthilfe von großer Bedeutung. Kassen und ihre Verbände arbeiten bei zahlreichen Versorgungsfragen mit Selbsthilfeorganisationen zusammen. Um das Engagement herausragender Selbsthilfeinitiativen zu fördern und sie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen, werden in einigen Bundesländern Selbsthilfepreise verliehen. Die Landesvertretungen des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek) organisieren teilweise selbst die Vergabe von Selbsthilfepreisen, in anderen Bundesländern sind sie und/oder die Landesvertretungen der Ersatzkassen mitbeteiligt.

Selbsthilfeinitiativen können sich bei den Preisen mit ihren Projektideen bewerben und unabhängige multidisziplinäre Auswahlkommissionen entscheiden über die Gewinner. In diesem Jahr wurde beispielsweise der Hamburger Selbsthilfepreis der Ersatzkassen an einen Selbsthilfeverein, der von Eltern autistischer Kinder gegründet wurde, verliehen. Niedersachsen, Sachsen und Rheinland-Pfalz haben noch für dieses Jahr Ausschreibungen zu Selbsthilfepreisen geplant.

Eigenverantwortung zur Transparenz

Die Finanzierung der Selbsthilfe fußt im Wesentlichen auf Zuwendungen durch die Sozialversicherung, die öffentliche Hand, Mitgliedsbeiträge und Spenden. Daneben nutzen viele Selbsthilfeorganisationen das Sponsoring als Einnahmequelle. Nicht selten kommen Kooperationen mit Pharmafirmen zustande, die für die betreffende Erkrankung Medikamente im Sortiment haben. Dadurch ist die Selbsthilfe teilweise in die öffentliche Kritik geraten.

Es liegt in der Eigenverantwortung von Selbsthilfeorganisationen, Kooperationen mit Sponsoren – insbesondere aus dem Pharmabereich – detailliert offenzulegen und die inhaltliche Einflussnahme der Sponsoren auf die Arbeit der Selbsthilfegruppen auszuschließen. Viele Organisationen haben auf die öffentliche Kritik reagiert und veröffentlichen detaillierte Transparenzberichte über Mittelzuflüsse und Kooperationen.

Für unklare oder strittige Fälle hat die „Bundesarbeitsgemeinschaft SELBSTHILFE von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e. V. (BAG SELBSTHILFE) e. V.“ im Jahr 2007 ein Monitoringverfahren eingerichtet und veröffentlicht in jährlichen Berichten die Arbeitsergebnisse ihres Monitoringausschusses. Hier können Selbsthilfeorganisationen nicht nur die Vorgehensweisen anderer Organisationen überprüfen lassen, sondern auch eigene Aktivitäten klären. Laut Transparency International Deutschland e. V. zeugen neben solchen Aktivitäten auch Selbstverpflichtungen der Hersteller, Zuwendungen an Patientenverbände offenzulegen, von einer zunehmenden Sensibilisierung für das Thema.

Beteiligung im Gemeinsamen Bundesausschuss

Politische Stärkung hat die gesundheitsbezogene Selbsthilfe durch die Patientenbeteiligung im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) als oberstem Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung erfahren. Mit Gründung des G-BA zum 1. Januar 2004 erhielten Organisationen, die auf Bundesebene maßgeblich die Interessen von Patienten, chronisch kranken und behinderten Menschen in Deutschland wahrnehmen, Mitberatungs- und Antragsrechte (jedoch keine Stimmrechte) im G-BA. Die Organisationen entsenden Patientenvertreter, die an den Verhandlungen teilnehmen. Bei den Vorgängerinstitutionen des G-BA konnten sie lediglich mittelbar über Stellungnahmen Einfluss auf die Entscheidungen der gemeinsamen Selbstverwaltung nehmen. Folgende Patienten- und Selbsthilfeorganisationen sind derzeit berechtigt, Patientenvertreter zu benennen: der Deutsche Behindertenrat (DBR), die Bundes-ArbeitsGemeinschaft der PatientInnenstellen (BAGP), die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen (DAG SHG) e.V. und der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.

 

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