vdek-Zukunftsforum

Pflegereform: Hat sich das Warten gelohnt?

Foto der Podiumsdiskussion auf dem vdek-Zukunftsforum 2014

Auf dem Podium diskutierten (v. l.) Kathrin Vogler (Die Linke), Mechthild Rawert (SPD), Andreas Mihm (Moderator, FAZ), Ulrike Elsner (vdek), Erwin Josef Rüddel (CDU) und Elisabeth Scharfenberg (Bündnis 90/Die Grünen).

Es hat lange gedauert und mehrere Anläufe gebraucht, jetzt aber ist die Pflegereform keine Absichtserklärung mehr: Anfang Juli 2014 verabschiedete der Bundestag in erster Lesung das erste von zwei Pflegestärkungsgesetzen. Über die daraus resultierenden Vorhaben und Erwartungen, über Wünsche und Enttäuschungen diskutierten Vertreter aus Politik und Gesundheitswesen am 2. Juli auf dem Zukunftsforum des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek).

Das vdek-Zukunftsforum sollte nicht nur eine Bestandsaufnahme bieten. Vielmehr ging es darum, notwendige Schritte zu diskutieren, Umsetzungswege aufzuzeigen und weitere Ideen zur besseren Ausgestaltung der Pflege zu formulieren und damit zur Weiterentwicklung der sozialen Pflegeversicherung beizutragen. Zahlreiche Akteure aus der Gesundheitspolitik, Vertreter aus Reihen der Leistungserbringer und Kostenträger sind der Einladung des vdek in die Landesvertretung Sachsen-Anhalt gefolgt. Alle mit demselben Ziel: den Herausforderungen in der Pflege und damit auch den Herausforderungen durch den demografischen Wandel erfolgreich zu begegnen.

Die soziale Pflegeversicherung, so betonte vdek-Verbandsvorsitzender Christian Zahn, trage bis heute mit dazu bei, dass Pflege für alle Menschen, die auf sie angewiesen sind, bezahlbar bleibe. „Sie ist eine sozialpolitische wichtige Errungenschaft, auf die wir mit Recht stolz sein können. Wir sollten daher gemeinsam alles daran setzen, sie auch für die Zukunft auf finanziell sichere Beine zu stellen.“ Entsprechend begrüßte er die Leistungsverbesserungen für die Pflegebedürftigen und deren Angehörige, die das erste Pflegestärkungsgesetz hervorbringe und hielt die dafür notwendige Anhebung des Beitragssatzes um 0,2 Prozentpunkte Anfang 2015 für vertretbar. Ausdrücklich stimmte er auch einer Dynamisierung der Leistungsbeträge zu, kritisierte jedoch, dass man sich künftig nur mit einem Prüfauftrag begnügen wolle. Er forderte eine verbindliche Regelung, um die Leistungen der Pflegeversicherung vor einer schleichenden Entwertung zu schützen.

Welchen Stellenwert Pflege in dieser Legislaturperiode genießt, verdeutlichte Gastredner Karl-Josef Laumann, Patientenbeauftragter und Bevollmächtigter für Pflege, anhand seines eigenen Amtes: „Meinen Job verstehe ich so, dass das Geld aus dem Topf am Pflegebett und bei den Pflegenden auch tatsächlich ankommt.“ Pflege sei in der Vergangenheit eindeutig zu kurz gekommen und verdiene eine Aufwertung. „Wenn wir das hinbekommen, dann hat sich das Warten gelohnt.“ Zweifel an der Umsetzung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes, die mithilfe des zweiten Pflegestärkungsgesetzes erfolgen soll, ließ er nicht gelten: „Den Pflegebedürftigkeitsbegriff werden wir ohne Wenn und Aber einführen.“ Dies verlange vieles von allen Beteiligten ab, und natürlich müsse die Umsetzung vernünftig vorbereitet werden. „Dennoch, der Pflegebedürftigkeitsbegriff ist kein Hexenwerk“, betonte er nachdrücklich.

Dass zum Pflegebedürftigkeitsbegriff inzwischen alles gesagt worden sei, dass sich vermutlich auch niemand mehr trauen würde, eine neue Kommission zur Festlegung des Begriffes zu bilden, machte Herbert Mauel, Geschäftsführer des Bundesverbandes Privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), in seinem Statement deutlich. Allerdings gab er zu bedenken, dass der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff alleine niemandem helfe. „Nur im Zusammenspiel mit den Leistungen kommt er der Pflege wirklich zugute.“ Daher hielt er das Vorhaben der Regierung, den Pflegebedürftigkeitsbegriff zunächst in Modellregionen zu testen, für sinnvoll.

Skepsis rief das Thema Pflegevorsorgefonds hervor. Künftig sollen rund 1,2 Milliarden Euro pro Jahr durch Anhebung des Beitragssatzes um weitere 0,1 Prozentpunkte in solch eine Rücklage fließen. „Die Errichtung eines Vorsorgefonds als Sondervermögen ist noch nicht zu Ende gedacht“, kritisierte vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner. Zum einen sei es schwierig, den Fonds, der aus Beitragsgeldern bestehe, vor den Zugriffen des Staates zu schützen. Zum anderen werde der Effekt der Rücklage nicht gerade nachhaltig sein. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft untermauerte die Befürchtung; der Vorsorgefonds sei Berechnungen zufolge fast nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Nachhaltigkeit ist wichtig“, verteidigte Erwin Josef Rüddel (CDU) im Rahmen der abschließenden Podiumsdiskussion der pflegepolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen den Pflegevorsorgefonds. Damit steige man ein in eine notwendige Demografie-Reserve. Zugleich jedoch stellte Mechthild Rawert (SPD) klar: „Mehr Geld werden wir für den Pflegevorsorgefonds nicht zur Verfügung stellen.“ Derweil konnte Kathrin Vogler (Die Linke; in Vertretung für Pia Zimmermann) keinerlei Nachhaltigkeit erkennen und forderte, die Beitragserhöhung unmittelbar den Pflegebedürftigen und Pflegenden zukommen zu lassen. Schließlich sprach sich auch Elisabeth Scharfenberg (Bündnis 90/Die Grünen) gegen diesen Vorsorgefonds aus, obwohl ihre Partei selbst einmal mit einer derartigen Rücklage geliebäugelt habe. „Inzwischen haben wir uns davon verabschiedet, denn so ein Fonds löst das Problem nicht, er verschiebt es nur nach hinten.“

Dass die Herausforderungen in der Pflege künftig zwar nicht einfach, aber dennoch durchaus zu bewältigen sein werden, darüber war man sich einig. Und vergessen sollte man bei all diesen Diskussionen nicht, dass der demografische Wandel und die damit einhergehende längere Lebenserwartung im Endeffekt ein erfreulicher Wandel ist.

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