Fallpauschalen

PEPP-Entgeltsystem kommt erst 2017

Zwölf Jahre nach der Einführung des leistungsorientierten Fallpauschalensystems in der somatischen Medizin wird nun auch in der Psychiatrie ein ähnlicher Weg eingeschlagen. Eigentlich sollte die verpflichtende Einführung des Entgeltsystems für die Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie ab dem Jahr 2015 erfolgen. Aufgrund massiver Kritik aus der psychiatrischen Fachszene hat der Gesetzgeber die Einführung um zwei Jahre verlängert.

Das Ziel allerdings bleibt: In Zukunft soll es analog des DRG-Systems auch in der stationären Psychiatrie und Psychosomatik ein landeseinheitliches Festpreissystem geben. Ab 2019 werden die krankenhausindividuellen Basisentgeltwerte an den sogenannten Landesentgeltwert angepasst, der ab 2023 dann verbindlich gilt. Welche Konsequenzen dies hat und was getan werden muss, um mögliche Fehlanreize zu verhindern, wird im Folgenden diskutiert.

Der Gesetzgeber hat im Jahr 2009 mit dem Krankenhausfinanzierungsreformgesetz den Selbstverwaltungspartnern den Auftrag erteilt, ein neues Entgeltsystem für den Bereich der stationären Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (PEPP-Entgeltsystem) zu entwickeln. Seit dem 1. Januar 2013 können Krankenhäuser freiwillig auf das neue System umsteigen. Bis dato wurde die stationäre Krankenhausbehandlung in der Regel über tagesgleiche Pflegesätze finanziert, die von den regionalen Vertragsparteien vereinbart wurden. Verpflichtend ist die Teilnahme am PEPP-System erst nach den sogenannten Optionsjahren. Eigentlich sollte dies ab dem Jahr 2015 erfolgen. Nun erfolgt die verpflichtende Anwendung erst ab dem Jahr 2017. Die Erfahrungen aus dem DRG-System haben gezeigt, dass ein pauschalierendes Festpreissystem zu ökonomischen Fehlanreizen führt. Dies ist insbesondere dadurch bedingt, dass die Krankenhäuser, um kostendeckend wirtschaften zu können, insgesamt produktiver arbeiten müssen. Der gleichzeitig bestehende Investitionsstau durch die mangelnde Bereitstellung von Investitionsmitteln durch die Länder verschärft die Situation. Die Krankenhäuser werden quasi gezwungen, Gewinne zu erwirtschaften, um ihren baulichen Verpflichtungen nachzukommen. Dies mag im hauptsächlich durch apparative Ausstattung geprägten somatischen Bereich vertretbar sein. In der sprechenden Medizin, in der ca. 80 Prozent der Gesamtkosten Personalkosten sind, ist dieser Fehlanreiz umso kritischer. Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, sich an dem DRG-Fallpauschalensystem zu orientieren, nimmt daher ganz andere Dimensionen an.

Versorgung gefährdet?

Die politischen Entscheidungen zur Verlängerung der Einführungsphase fußen auf der massiven Kritik aus der psychiatrischen Fachwelt, die sich insbesondere gegen die sogenannte Verweildauerdegression richtete: Es wurde in der Öffentlichkeit immer wieder kritisiert, dass die im Verlauf der Behandlung sinkenden Relativgewichte, die für die Ermittlung der Höhe der Erlöse des Krankenhauses herangezogen werden, den Anreiz hätten, die Patienten möglichst schnell zu entlassen. Diesen Punkt hat die Selbstverwaltung bereits aufgegriffen. Viel kritischer erscheint die oben beschriebene Entwicklung, auf die die Selbstverwaltung allerdings keinerlei Einfluss hat. Sie wird durch den ordnungspolitischen Rahmen vorgegeben, den allein der Gesetzgeber in der Hand hat. Wenn sich schon die Ökonomisierung der Psychiatrie nicht aufhalten lässt, stellt sich die Frage: Was muss flankierend gemacht werden, um die Spielräume der Krankenhäuser so auszugestalten, dass die zur Verfügung stehenden Mittel nicht gänzlich aus der Versorgung verschwinden?

Ganz tatenlos geblieben ist der Gesetzgeber nicht. Er hat sich diesem Problem mit zwei Maßnahmen gewidmet. Einerseits soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Qualitätsindikatoren für die Beurteilung der  Struktur, Prozess- und Ergebnisqualität entwickeln. Andererseits soll er Empfehlungen für die Ausstattung stationärer Einrichtungen mit dem für die Behandlung erforderlichen Personal aussprechen.

Berücksichtigung regionaler und struktureller Besonderheiten

Dieser Auftrag resultiert wohl aus der Erkenntnis, dass nur bei ausreichender Personalbesetzung eine sachgerechte Versorgung gewährleistet und z. B. der Missbrauch von Fixierungsmaßnahmen oder übermäßige Neuroleptikagaben vermieden werden. Die bisher bestehende Verordnung über Maßstäbe und Grundsätze für den Personalbedarf in der stationären Psychiatrie (Psych-PV), die die Finanzierung der Personalbesetzung zum großen Teil regelt, soll ab dem Jahr 2019 außer Kraft gesetzt werden. Diese derzeit auf Ebene eines Krankenhauses vereinbarte Finanzierung hat den Vorteil, dass das Krankenhaus regionale und strukturelle Besonderheiten in die Verhandlungen einbringen kann. Die Höhe des Budgets, insbesondere die Finanzierung des Personals, ist somit regional bestimmbar. Dies ist bei landesbezogenen Preisen nicht mehr möglich; u. a. deshalb entfällt künftig die Psych-PV als Finanzierungsinstrument.

In der Konsequenz wird sich statt in den Budgetverhandlungen vor Ort nun im G-BA gleich für die gesamte Bundesrepublik über die Personalvorhaltung in psychiatrischen Krankenhäusern gestritten. Inwieweit dies zielführend ist, soll unkommentiert bleiben. Der G-BA hat seine Arbeit vor Kurzem aufgenommen. Es bleibt abzuwarten, auf welches Ergebnis sich die Bänke des G-BA verständigen. Die Krankenhausseite hätte lieber unverbindliche Empfehlungen statt konsequente Mindestvorgaben. Dass dies angesichts der geschilderten Fehlanreize, die das PEPP-System mit sich bringt, nicht der bestmögliche Weg ist, scheint nachvollziehbar. Nicht unberücksichtigt bleiben sollte die Tatsache, dass ein Personalabbau vielleicht kurzfristig zu Kosteneinsparungen führt, langfristig allerdings höhere Kosten entstehen durch Drehtüreffekte und eine langandauernde Krankheitsbelastung. Der G-BA muss ein Instrument finden, welches die durch die Psych-PV seit den 90er Jahren gesicherte Personalstruktur aufrechterhält, gleichzeitig aber keine Begehrlichkeiten weckt, die zu neuen Finanzströmen nach Gießkannenprinzip führen. Das vor Kurzem in den Landesbasisfallwert eingepreiste Pflegesonderprogramm hat gezeigt, dass lediglich das Zurverfügungstellen neuer Gelder die Personalstrukturen nicht nachhaltig verbessert, sondern in einem pauschalierenden Entgeltsystem mit bestehendem Investitionsstau zu Umverteilungen führt, die leider nicht primär der Personalvorhaltung zugutekommen. In der Psychiatrie muss dies vermieden werden. Schließlich haben psychiatrische Krankenhäuser eine Versorgungsverpflichtung gegenüber ihren Patienten, die künftig gefährdet ist, wenn der Auftrag an den G-BA scheitert.

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