Einwurf

Zu- und Abschläge im Krankenhaus?

Rund 65 Milliarden Euro zahlen die Krankenkassen jährlich an die Krankenhäuser – dafür sollte man eine hohe Qualität erwarten können. Doch obwohl Deutschland bei den Gesundheitskosten weltweit einen Spitzenplatz belegt, schneiden wir bei der Qualität nur mittelmäßig ab. Im Rahmen der Krankenhausreform sollen nun die Krankenhäuser dazu gebracht werden, mehr Qualität zu erbringen. Ein Weg dahin sollen Zu- und Abschläge sein. Aber ist das der richtige Weg?

Seit mehr als 100 Jahren beschäftigen sich Verhaltensforscher mit der Frage, ob Belohnungen oder Bestrafungen dazu taugen, jemanden zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Dass beide Mittel grundsätzlich beim Lernen oder bei Veränderung helfen können, weiß man seit 1930 durch den US-Psychologen Burrhus Frederic Skinner, der mit hungrigen Tauben experimentierte. Aber mitunter bewirken Belohnungen und Bestrafungen genau das Gegenteil. Bei Zu- und Abschlägen könnte dies der Fall sein, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen und es Ausweichstrategien oder Zielkonflikte gibt.

Bei Abschlägen ist die Sache klar: Die Ersatzkassen wollen nicht weniger Geld für schlechtere Qualität zahlen, oder anders formuliert: Discountpreise für schlechte Leistung, das geht gar nicht, wenn es um die Gesundheit und schon gar um lebenswichtige Operationen geht. Die Menschen erwarten eine hohe Qualität, die Krankenkassen zahlen gutes Geld dafür und wollen dafür auch eine hochwertige Leistung sehen. Abstriche darf es da nicht geben. Wenn die Krankenhäuser schlechte Qualität erbringen, sollten sie vielmehr auf Dauer von der Versorgung ausgeschlossen werden. Das muss zwar nicht sofort, aber nach einer gewissen Karenzzeit von maximal zwei Jahren geschehen. Bekommen die Krankenhäuser weniger Geld für die Leistungen, besteht zudem die Gefahr, dass sie ihre Budgetabstriche kompensieren, indem sie wieder mehr Fälle produzieren, also „in die Menge gehen“. Das wäre ein verheerender Nebeneffekt.

Auch Zuschläge für Krankenhäuser mit besonders guter Qualität sind genau zu hinterfragen. Sie machen überhaupt nur dann Sinn, wenn es klare Festlegungen zur Indikationsstellung gibt. Denn ansonsten besteht die Gefahr, dass leichte Fälle oder sogar Gesunde bevorzugt behandelt werden, um den Vergütungszuschlag zu kassieren. Die Gefahr von Fehlanreizen ist hier eindeutig gegeben. Es kommt also sehr genau auf die Ausgestaltung an. Und auch hier gilt: Die Ersatzkassen erwarten, dass die Krankenhäuser schon jetzt eine gute Qualität für das Geld ihrer Versicherten erbringen.

Belohnung und Bestrafung ist in Sachen Gesundheit also eine zweischneidige Sache. Denn schließlich handelt es sich nicht um eine normale Ware, die in Designer- oder Discounterqualität zu erwerben sein sollte. Und Krankenhäuser sind wohl auch nicht mit hungrigen Tauben vergleichbar.

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