Krankenhausstrukturreform

Es kommt auf die Umsetzung an

Die Bundesregierung hat mit dem Koalitionsvertrag die Weichen für eine Krankenhausreform gestellt. Nachdem eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Anfang Dezember 2014 Eckpunkte einer Krankenhausreform erarbeitet hatte, legte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) am 28. April 2015 einen Referentenentwurf für ein Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) vor und das Bundeskabinett verabschiedete am 10. Juni 2015 den Gesetzesentwurf. Was sind die nächsten Schritte?

Mit  dem  Reformvorhaben wird der Versuch unternommen, die  Strukturen der
stationären Versorgung auf zukunftssichere  Beine zu stellen. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) rechnet mit Mehrausgaben von rund 4,1 Milliarden Euro. Dabei beinhaltet das Reformpaket insbesondere folgende Teilbereiche:

Planung

  • Im Rahmen der Bedarfsplanung der Länder
    werden die Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu den planungstauglichen Qualitätsindikatoren zum Bestandteil des Krankenhausplans. Diese entscheiden über die Aufnahme und den
    Verbleib im Krankenhausplan.
  • Es wird ein Strukturfonds eingerichtet mit Mitteln aus dem Gesundheitsfonds in Höhe von 500 Millionen Euro. Er soll zum Abbau von Überkapazitäten und zur Konzentration von stationären Versorgungsangeboten sowie Umwandlungen in nicht akutstationäre örtliche Versorgungseinrichtungen beitragen. Ansonsten bleibt die Investitionsfinanzierung unangetastet.

DRG-Finanzierung

  • Zuschläge für Zentren und Schwerpunkte, die besondere Aufgaben wahrnehmen
  • Zuschläge für die stationäre Notfallversorgung
  • Zuschläge zur Sicherstellung der Versorgung bei geringem Versorgungsbedarf und nicht kostendeckender Finanzierung
  • Zuschläge für Mehrkosten, die aus der Umsetzung von G-BA-Beschlüssen resultieren
  • Zu-/Abschläge für gute oder unzureichende Qualität

Mengensteuerung

  • Abschaffung der doppelten Degression und Kollektivhaftung und Verlagerung der Mengendegression auf die Hausebene (Individualhaftung)
  • Adjustierung des Orientierungswertes

Pflegestellenförderprogramm

  • Es wird ein zweites Pflegesonderprogramm aufgelegt. Etwa 600 Millionen Euro werden für die Pflege am Bett zusätzlich bereitgestellt.

Qualitätsorientierung

  • In vier Leistungsbereichen sollen Qualitätsverträge ermöglicht werden.
  • Die Mindestmengenregelung wird rechtssicher ausgestaltet.
  • Die Vorgaben zu den Beschlüssen des G-BA zur Qualitätssicherung im Krankenhaus und zur Krankenhausplanung werden neu gefasst.
  • MDK-Kontrollen werden zur Qualitätssicherung vorgesehen.

Die Leistungserbringer lehnen das Reformpaket in dieser Form ab. Zusätzliche vier Milliarden Euro Mehreinnahmen reichen ihnen nicht aus. Die Krankenkassen hingegen befürchten aufgrund diesbezüglicher Mehrausgaben Beitragssatzsteigerungen.
Ob die Reform zum Erfolg wird, hängt auch maßgeblich davon ab, ob die diversen Handlungsaufträge adäquat ausgeführt werden. Dabei stehen drei Akteure im Fokus: der G-BA, die Vertragsparteien auf Bundes-, Landes- und Ortsebene sowie der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK). Im Folgenden wird näher auf die Rolle dieser Akteure eingegangen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA)

Der Gesetzgeber zeigt mit dem Referentenentwurf großes Vertrauen in den G-BA. Als oberstes Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung erhält dieser eine Vielzahl an neuen Aufgaben:

  • Veröffentlichung der Qualitätsberichte der Krankenhäuser
  • Festlegung von vier Leistungsbereichen bis 31. Dezember 2017, für die Qualitätsverträge erprobt werden sollen
  • Festlegung von Leistungsbereichen bis 31. Dezember 2017, die sich für qualitätsabhängige Zu- und Abschläge eignen
  • Festlegung von planungstauglichen Qualitätsindikatoren bis 31. Dezember 2016 als Empfehlungen an die Bundesländer
  • Bereitstellung von Qualitätsergebnissen für Länder, Krankenkassen und Krankenhäuser
  • Festlegung bundeseinheitlicher Vorgaben bis 31. Dezember 2016 für die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen
  • Festlegung eines gestuften Systems von Notfallstrukturen in Krankenhäusern bis 31. Dezember 2016
  • Festlegung eines gestuften Systems von Konsequenzen bei Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen
  • Festlegung von Regelungen zu MDK-Qualitätsprüfungen

Die Ersatzkassen begrüßen die Ansätze des Gesetzgebers, dem G-BA neue Kompetenzen zuzuweisen. Qualitätsindikatoren, bundeseinheitliche Vorgaben für Sicherstellungszuschläge und Notfallstrukturen sind explizite Forderungen der Ersatzkassen. Allerdings steht und fällt die Wirkung des Gesetzes mit der Verbindlichkeit von Qualitätsvorgaben. Solange der G-BA den Ländern nur Empfehlungen aussprechen kann und es im Ermessen der Länder bleibt, diese anzuwenden, wird das Gesetz seine Wirkung verfehlen. Gänzlich unverständlich bleibt, warum der Gesetzgeber wider besseres Wissen an seiner Idee festhält, schlechte Qualität mit Vergütungsabschlägen zu versehen. Diese führen schlimmstenfalls zu einer weiteren Verschlechterung der Qualität und drängen Krankenhäuser, Vergütungsausfälle mit medizinisch nicht notwendigen Fällen auszugleichen. Die Ersatzkassen lehnen diese Idee daher vehement ab. Stattdessen muss dauerhaft schlechte Qualität gänzlich von der Versorgung ausgeschlossen werden.

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK)

Der MDK unterstützt die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung mit fachlich unabhängiger Beratung und Begutachtung. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in der Einzelfallbegutachtung, insbesondere im Rahmen der Abrechnungsprüfung. Neben diesen anlassbezogenen Prüfungen sind auch Stichprobenprüfungen möglich. Das KHSG erweitert sowohl den Kreis der Auftraggeber als auch die Aufgaben des MDK. Ebenso wird er Vorgaben für die neuen Tätigkeiten bekommen.

Folgende Änderungen sind vorgesehen:

  • Der MDK führt Kontrollen zur Einhaltung der Qualitätsanforderungen nach dem SGB V und zur Richtigkeit der Dokumentation der Krankenhäuser im Rahmen der externen stationären Qualitätssicherung und der Qualitätsanforderungen der Länder durch.
  • Die für die Durchführung der Qualitätsanforderungen zuständigen Stellen können den MDK zu Qualitätskontrollen beauftragen, sofern dies der G-BA in seiner Richtlinie vorgesehen hat.
  • Die für die Krankenhausplanung zuständigen Stellen der Länder können den MDK zur Überprüfung der Einhaltung der allgemeinen Qualitätsanforderungen und der der Länder beauftragen.

Qualitätsanforderungen machen ohne Kontrollmöglichkeiten keinen Sinn. Dies gilt
auch für die Validität und Vollständigkeit der zu erhebenden und zu übermittelnden
Qualitätsdaten. Der Gesetzgeber wählt den MDK aufgrund seiner Kompetenz bewusst für diese neuen Aufgaben aus. Die Möglichkeit, dass neben der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nun auch die zuständigen Stellen für die Qualitätssicherung und die Landesbehörden auf den MDK zugreifen können, unterstreicht die Unabhängigkeit des MDK im Rahmen seiner Gutachtertätigkeiten.
Aus Sicht der Ersatzkassen wurde in der Vergangenheit von den Leistungserbringern die Unabhängigkeit des MDK vielfach zu Unrecht infrage gestellt. Die neuen Reglungen dürften dazu beitragen, diese Kritik aus der Diskussion zu nehmen.

Vertragsparteien auf Bundes-/Landes- und Ortsebene

Die Vertragsparteien auf Bundes-, Landes- und Ortsebene sind Teil der Selbstverwaltung. Mit dem KHSG werden den Selbstverwaltungspartnern auf allen drei Ebenen neue Aufgaben übertragen.

Die Vertragsparteien auf Bundesebene …
… vereinbaren bis zum 31. Mai 2016 für Leistungen, bei denen es Anhaltspunkte für wirtschaftlich begründete Fallzahlsteigerungen gibt, eine gezielte Absenkung oder Abstaffelung der Bewertung.

… vereinbaren bundeseinheitliche Regelungen für Zu- und Abschläge, unter anderem für die Notfallversorgung, für die besonderen Aufgaben von Zentren, für gute und schlechte Qualität und für die Finanzierung von Mehrkosten aufgrund von Richtlinien oder Beschlüssen des G-BA.

… vereinbaren ein Konzept für eine repräsentative Kalkulationsstichprobe für die stationären Entgeltsysteme sowie Sanktionsmaßnahmen für den Fall, dass ein Krankenhaus seine Teilnahme verweigert.

… vereinbaren erstmals bis zum 30. September 2016 einen Katalog von Leistungen, die vom Fixkostendegressionsabschlag ausgenommen sind.

… vereinbaren bis zum 31. März 2016 das Nähere zu den besonderen Aufgaben von
Zentren.

… vereinbaren bis zum 31. Dezember 2016 Anforderungen an die Durchführung klinischer Sektionen, bestimmen die Höhe der Durchschnittskosten und legen die Berechnung des Zuschlags fest.

… legen bis zum 31.Juli 2018 die Rahmenvorgaben für Qualitätsverträge fest.

Die Vertragsparteien auf Landesebene …

… legen die Mindesthöhe für den auf Ortsebene zu vereinbarenden Fixkostendegressionsabschlag zur Berücksichtigung von Kostenvorteilen durch Mehrleistungen sowie eine fünfjährige Abschlagsdauer fest.

… berücksichtigen bei den Landesbasisfallwertverhandlungen Produktivitätsentwicklungen, Ergebnisse von Fehlbelegungsprüfungen und Leistungsverlagerungen.

Die Vertragsparteien auf Ortsebene …

… vereinbaren einen Fixkostendegressionsabschlag für Mehrleistungen, wobei sie abweichend von der Vereinbarung auf Landesebene eine höhere Abschlagshöhe oder eine längere Abschlagsdauer festlegen können.

… vereinbaren im Rahmen des Pflegestellenförderprogramms 2016 bis 2018 zusätzliche finanzielle Mittel zur Neueinstellung und zeitlichen Aufstockung von Pflegefachpersonal in der unmittelbaren Patientenversorgung.

… vereinbaren Sicherstellungszuschläge auf Grundlage der Kriterien des G-BA.

… vereinbaren Zuschläge für die besonderen Aufgaben von Zentren und Schwerpunkten auf Grundlage der Rahmenvereinbarung auf
Bundesebene.

… vereinbaren Zu- und Abschläge für gute bzw. unzureichende Qualität auf Grundlage der Qualitätsindikatoren des G-BA und der entsprechenden Auswertungsergebnisse.

… vereinbaren einen Zuschlag je voll- und teilstationären Fall für klinische Sektionen.

… vereinbaren auf Grundlage der Vereinbarung auf Bundesebene befristete Zuschläge für die Finanzierung von Mehrkosten aufgrund von Richtlinien oder Beschlüssen des G-BA.

Die Ersatzkassen sehen die Verlagerung der Mengenberücksichtigung von der Landes- auf die Krankenhausebene kritisch, da zu erwarten ist, dass diese Regelung nicht kostenneutral umgesetzt werden kann. An die Stelle einer dauerhaften Absenkung des Landesbasisfallwertes tritt ein fünfjähriger Fixkostendegressionsabschlag, dessen Höhe unbestimmt bleibt. Durch die Möglichkeit zur Abweichung von dem auf Landesebene vereinbarten Abschlag durch die Vertragsparteien vor Ort können zukünftig auf Ortsebene krankenhausindividuelle Preise für die gleiche Leistung vereinbart werden. Dies ist eine Abkehr von den Grundsätzen eines landesweiten Festpreissystems. Die Finanzierung von Mehrkosten aufgrund von Richtlinien oder Beschlüssen des G-BA lehnen die Ersatzkassen ab. Die Regelung widerspricht den Grundsätzen der Kostenkalkulation von Fallpauschalen. Änderungen in der Kostenstruktur von Leistungen werden bereits heute mit einer leichten zeitlichen Verzögerung in den Fallpauschalen berücksichtigt. Die vorgesehene Überführung der befristeten Zuschläge in den Landesbasisfallwert würde zu einer Doppelfinanzierung führen.

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