Änderungen im Überblick

Das Zweite Pflegestärkungsgesetz kommt

Mit dem Kabinettsentwurf zum Zweiten Pflegestärkungsgesetz (PSG II) wird eine weitreichende Reform in der sozialen Pflegeversicherung eingeleitet. Aber wie genau sieht diese Reform aus, was ändert sich konkret?

Den Kern des PSG II bildet die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Damit wird eine Gleichbehandlung von somatischen, kognitiven und psychisch beeinträchtigten Menschen in der Pflegeversicherung erreicht. Hierfür wird ein neues Begutachtungsinstrument eingeführt, mit dem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) zukünftig den Grad der Selbstständigkeit des Versicherten in den pflegerelevanten Bereichen des täglichen Lebens misst. Die Unterscheidung zwischen körperlicher Pflegebedürftigkeit und eingeschränkter Alltagskompetenz, zum Beispiel Demenz, entfällt. Die drei Pflegestufen werden durch fünf Pflegegrade abgelöst.

Pflegebedürftigen der Pflegegrade 2 bis 5 stehen alle bisherigen Leistungen der Pflegeversicherung zur Verfügung. Die Höhe der Leistungsbeträge hängt vom Pflegegrad ab. Menschen mit dem Pflegegrad 1 erhalten einen Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro, den sie im Rahmen der Kostenerstattung für Pflegeleistungen einsetzen können. Ändern wird sich lediglich die Palette der konkret angebotenen Hilfestellungen. So erhalten Pflegebedürftige beispielsweise zukünftig nicht nur vorrangig Hilfe bei der Körperpflege, sondern auch Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen von Demenz oder psychischen Erkrankungen durch ein individuell zugeschnittenes Betreuungsangebot.

Überleitungsregelungen und Bestandsschutz

Zum 1. Januar 2017 wird das bisherige System von drei Pflegestufen auf fünf Pflegegrade umgestellt. Hierzu beinhaltet die Reform umfangreiche Überleitungsregelungen für die 2,4 Millionen Versicherten, die derzeit Leistungen der Pflegeversicherung erhalten. So wird gesetzlich festgelegt, dass Pflegebedürftige mit rein körperlichen Beeinträchtigungen einem Pflegegrad zugeordnet werden, der einen Wert über der bisherigen Pflegestufe liegt (einfacher Stufensprung: Pflegebedürftiger der Pflegestufe I wird in Pflegegrad 2 überführt). Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz vollziehen einen doppelten Stufensprung, zum Beispiel von Pflegestufe II zu Pflegegrad 4. Mit diesen Regelungen wird sichergestellt, dass kein aktuell Pflegebedürftiger durch die Systemumstellung schlechter gestellt wird. Zudem hat der Pflegebedürftige die Möglichkeit, ohne Risiko die formale Überleitung durch eine Begutachtung des MDK überprüfen zu lassen. Im Übrigen soll mit der gesetzlichen Überleitung auch eine Überlastung des MDK vermieden werden, der ansonsten alle Pflegebedürftigen nach dem neuen Begutachtungssystem hätte prüfen müssen.  

Mit der Reform wird auch festgelegt, dass zukünftig alle Bewohner eines Pflegeheims – unabhängig vom Grad der Pflegebedürftigkeit – einen gleich hohen Eigenanteil zu den von der Pflegeversicherung zu tragenden Pflegekosten zu leisten haben. Im Vergleich zur heutigen Regelung wird der Eigenanteil bei Pflegebedürftigen in niedrigen Pflegegraden vergleichsweise zwar etwas höher, dafür in den höheren Pflegegraden etwas geringer ausfallen. In der Gesamtbetrachtung über den Verlauf der Pflegebedürftigkeit des Einzelnen wird sich dies in der Regel wieder ausgleichen. Pflegebedürftige, die bereits in einer stationären Einrichtung leben, erhalten Bestandsschutz. Für sie wird sich nach der Umstellung auf die neuen Pflegegrade nichts ändern, sie werden also keinen höheren Anteil tragen, als dies bisher der Fall war. Die Leistungen der Pflegeversicherung werden zunehmend komplexer, die Umstellung auf das neue Begutachtungssystem und die zunehmende Flexibilisierung der Leistungen werden zwangsläufig Beratungsbedarf bei den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen nach sich ziehen. Der Beratungsauftrag der Pflegekassen soll daher deutlich ausgebaut werden. So werden die Pflegekassen verpflichtet, die Pflegebedürftigen bei Antragstellung unverzüglich über die unentgeltliche Pflegeberatung, den nächstgelegenen Pflegestützpunkt sowie über Preis- und Vergleichslisten insbesondere von Pflegeeinrichtungen in der Region zu informieren. Des Weiteren hat zukünftig der pflegende Angehörige, die Zustimmung des Pflegebedürftigen vorausgesetzt, einen Anspruch auf Pflegeberatung, auch ohne Beisein des Pflegebedürftigen. Zukünftig wird ein Qualitätsausschuss, der aus Vertretern des GKV-Spitzenverbandes und der Verbände der Pflegeeinrichtungen besteht, über alle wichtigen Fragen im Bereich der Qualität in der Pflege entscheiden. Die auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe pflegebedürftiger und behinderter Menschen wirken beratend mit. Kann sich der Qualitätsausschuss nicht einigen, wird er um drei unparteiische Mitglieder, die durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) benannt werden, erweitert. Zu den wichtigsten Aufgaben gehört die Weiterentwicklung der Pflegenoten, die im stationären Bereich bis Ende 2017 und im ambulanten Bereich bis Ende 2018 überarbeitet werden müssen. Dabei ist vorgeschrieben, dass wissenschaftlich unabhängige Einrichtungen oder Sachverständige die fachlichen Grundlagen erarbeiten. Das bisherige System der Pflegenoten gilt weiter bis zum Inkrafttreten der neuen Qualitätssysteme Ende 2017 bzw. 2018. Im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Pflegequalität ist zudem bis zum 30. Juni 2020 ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in den Pflegeeinrichtungen zu entwickeln.

Finanzierung der Reform

Der Beitragssatz wird zum 1. Januar 2017 um 0,2 Beitragssatzpunkte auf 2,55 Prozent, für Kinderlose auf 2,8 Prozent, angehoben. Zur Finanzierung der (einmaligen) Übergangs- kosten von geschätzten 4,4 Milliarden Euro muss zusätzlich auf die finanziellen Reserven im Ausgleichsfonds zurückgegriffen und diese erheblich abgeschmolzen werden.

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