E-Health

Auf dem Weg zur digitalen Gesundheit

Grafik: Die Historie der elektronischen Gesundheitskarte

Telematik ist dem Grunde nach vergleichbar mit Bernie Eccelstones’ Formel 1. Nur das Renntempo fehlt noch, hat es bisher doch den Anschein, dass man nicht über die Einführungsrunde hinauskommt. Zur Beschleunigung hat der Gesetzgeber nun das E-Health-Gesetz auf den Weg gebracht.

Im Zuge der Telematik muss eine Menge Technik konzipiert, geschaffen und bereitgestellt werden. Daneben gilt es zu beachten, dass die Datenautobahn performant, sicher und erweiterbar ist. Genutzt werden darf sie nur von denen, die eine TÜV-Zulassung von gematik und Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik erhalten haben. Und: Es muss genug Geld vorhanden sein. Hierfür bedient man sich uneingeschränkt bei den gesetzlichen Krankenkassen.

Startphase und erster Boxenstopp

Aller Anfang ist schwer! Im Jahr 2004 ist man mit der Konzeption des Projektes und mit dem gesetzlich definierten Ziel gestartet, die elektronische Gesundheitskarte (eGK) 2006 auf den Markt zu bringen und die Telematikinfrastruktur (TI) mit allen Anwendungen und Komponenten sukzessive nachzuziehen. Die technische Komplexität und die Abhängigkeit einzelner Bausteine, gepaart mit teilweise unterschiedlichen Interessen der Akteure, führten dazu, dass man 2009 einen ersten Boxenstopp einlegen musste. Politik und Selbstverwaltung waren sich einig: Ohne Änderung der Strategie kann das Projekt nicht erfolgreich fortgeführt werden. Die Neuausrichtung des Projektes mit dem Ziel der Verringerung von Komplexität und Abhängigkeiten wurde 2009/2010 beschlossen. Auch die Anzahl der einzuführenden Anwendungen wurde auf drei begrenzt. Gleichzeitig legte man fest, die gematik von der Alleinverantwortlichkeit zu lösen und die Anwendungen über ein Projektleitermodell mit entsprechenden Verantwortlichkeiten zu planen und umzusetzen. Der Neustart erfolgte mit den Anwendungen Aktualisieren der Versichertendaten auf der eGK, Erstellen und Speichern von Notfalldaten auf der eGK und der Möglichkeit einer gerichteten Kommunikation der Leistungserbringer untereinander von den Startplätzen eins bis drei.

Nach einem Boxenstopp füllt sich die Rennstrecke allmählich wieder und mit frischen Reifen fährt es sich besser. So auch im Telematik-Projekt. Die Erstellung der anwendungsspezifischen Lastenhefte mit dem Ziel der Abnahme durch die Gesellschafter der gematik (GKV-Spitzenverband und Spitzenorganisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene) wurde an Fristen gebunden. Für die Klärung technischer Detailfragen wurde ein Lenkungsausschuss mit Entscheidungskompetenz eingerichtet. Damit es auch in schwierigen Situationen nicht zu einer Massenkarambolage kommen kann, verständigte man sich darauf, eine neutral besetzte Schlichtungsstelle einzurichten, die im Projektverlauf bereits mehrfach in Anspruch genommen werden musste. Wenn es läuft, traut man sich etwas. Die Gesellschafter beschlossen, das Projekt um die Anwendungen elektronische Fallakte und die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erweitern. Wenig später wurde das Vorhaben, die Organspendeerklärung ebenfalls auf der eGK speichern zu können, in Auftrag gegeben.

Intermezzo

Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser erhielten 2011 durch die gesetzlichen Krankenkassen finanzierte Kartenterminals, die eGK-kompatibel sind. Was aber war mit der eGK? Den Krankenkassen war klar, dass die eGK der Generation 1 nicht lange im Feld sein würde, da sie zwar einen Prozessorchip hat, für das Online-Geschäft aber nicht geeignet war. Wenn die Reifen noch nicht abgenutzt sind, bleibt man im Rennzirkus mindestens noch eine Runde draußen. Das sah man im Bundesgesundheitsministerium (BMG) anders und gab den Krankenkassen die Vorgabe, die eGK in dem Zeitraum (2010 bis 2012) an die Versicherten auszugeben. Da war sie nun im Feld – die eGK. Ihr Funktionsgrad bis heute: Krankenversichertenkarte mit Lichtbild.

Zurück im Rennen

Dieses Zwischenhoch führte dazu, dass 2013 endlich öffentliche Ausschreibungen durchgeführt werden konnten. Die Industrie konnte die Telematik-Pläne einsehen und sich für die Umsetzung im Rahmen einer Erprobungsphase (Testphase) anbieten. Im Vorfeld einigten sich die Gesellschafter der gematik darauf, die Erprobungsphase in zwei Testregionen (Nordwest und Südost) durch zwei Industriekonsortien stattfinden zu lassen.

Den Zuschlag erhielten die T-Systems International GmbH und die Bietergemeinschaft strategy&, CompuGroup Medical AG und KoCo Connector AG. Diese sind nun verantwortlich, die zentrale Infrastruktur aufzubauen, den Betrieb und erstmals die Online-Prüfung und –Aktualisierung der Versichertendaten auf der eGK zu ermöglichen. Ein wenig später soll dann die Anwendung der Qualifizierten Elektronischen Signatur (QES) auf Leistungserbringerseite erprobt werden. Das alles mündet dann in eine Evaluation, deren positiver Ausgang den bundesweiten Rollout ermöglicht, für den man schätzungsweise 24 Monate veranschlagen muss. Im Zuge der Umsetzung der gematik-Vorgaben und –Spezifikationen durch die Industrie wurde viel Klärungsbedarf auf beiden Seiten festgestellt. Nachbesserungen in nicht geringem Umfang waren erforderlich, bis heute sind noch nicht alle Beistellungen verfügbar, die den Beginn der Erprobungsphase überhaupt ermöglichen. Nichtsdestotrotz wurde die letzte, lang gezogene Kurve vor der Zielflagge genommen, die Ziellinie aber noch nicht überfahren.

Um die Beteiligten zu motivieren, die letzten Meter zügiger zurückzulegen, hat das BMG Mitte Januar 2015 den Entwurf eines Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (E-Health-Gesetz) vorgelegt. Die Motivation liegt in Fristsetzungen zur Erreichung der Ziele „Erprobungsbeginn und Wirkbetrieb“, verbunden mit möglichen Sanktionen. Die weiteren Big Points des E-Health-Gesetzes sind:

  • Etablierung der TI als zentrale und sichere Datenautobahn (inklusive Nutzungsverpflichtung für gesetzliche Anwendungen) und Öffnung derselben für sicherheitsgleiche Anwendungen außerhalb des Gesundheitswesens. Kompetenzerweiterung der gematik in Sachen Erstellung von Vorgaben für einen sicheren Betrieb der TI und Überwachung der Umsetzung sowie Festlegung von Authentisierungsverfahren.
  • Der Anspruch auf einen Medikationsplan für Versicherte, die mindestens drei verordnete Arzneimittel anwenden, und die mögliche Nutzung von Notfalldaten im Rahmen der Regelversorgung.
  • Einrichtung eines von den Versicherten verwalteten Patientenfaches, in dem zum Beispiel ein elektronischer Mutterpass oder ein elektronischer Impfpass abgelegt werden kann.
  • Einführung eines elektronischen Briefes für die Kommunikation von Ärzten, Zahnärzten und Krankenhäusern untereinander sowie des elektronischen Entlassbriefes zwischen Krankenhäusern und Ärzten.

Eine gute Sache, die richtige Richtung, viel zu eng bemessene Fristen und hohe Anforderungen. So ist es den öffentlichen Fachbewertungen zu entnehmen, denen sich angeschlossen werden kann. Zwei wesentliche Kritikpunkte aus dem Blickwinkel der Krankenkassen existieren nach wie vor. Zum einen sind auch nach dem aktuellen Gesetzentwurf die Krankenkassen dauerhaft alleiniger Finanzier des gesamten Projektes. Zum anderen wurde einer langjährigen Forderung wieder nicht nachgekommen, wonach der eGK ausschließlich eine Schlüsselfunktion zu allen medizinischen Anwendungen (in einem Online-Betrieb) zugewiesen werden sollte.

Digitalisierung –Realität oder Zukunft?

In den Kinderschuhen steckt sie, die Digitalisierung. Die Ablösung des papiergebundenen Krankenscheins durch die seit dem 31. Dezember 2014 nicht mehr gültige Krankenversichertenkarte war sicher einer der ersten Schritte der Digitalisierung. Auch die Einführung der elektronischen Abrechnungsverfahren (Datenaustausch) zwischen Ärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern, Apotheken, weiteren Leistungserbringern und Krankenkassen ist zu nennen. Das Potenzial (wie etwa Notfalldaten, Arzneimitteltherapiesicherheit, der elektronische Medikationsplan, die Organspendeerklärung, der elektronische Impfpass oder Mutterpass) liegt aber noch in der Zukunft und wird durch das E-Health-Gesetz schon beschrieben. Wenn bei der Digitalisierung und Umsetzung der Anwendungen auf eine sichere und zukunftsorientierte Technologie gesetzt wird, entsteht dadurch für Versicherte und Leistungserbringer eine Win-win-Situation.

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