Versorgung

Gesundheit von Asylsuchenden

Illustration: Ein Arzt impft einen asylsuchenden Patienten

Das deutsche Gesundheitswesen wird derzeit durch die hohe Anzahl Asylsuchender* vor neue Herausforderungen gestellt. Es herrscht bei Akteuren in unterschiedlichen Institutionen und auf verschiedenen Ebenen unseres Gesundheitssystems eine große Unsicherheit darüber, wie die medizinische Versorgung der neu in die Bevölkerung eintretenden Menschen kurz-, mittel- und langfristig geregelt werden soll, aber auch mit welchen Erkrankungen und Belastungen konkret zu rechnen ist.

Vorweg sei gesagt, dass diese Fragen zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beantwortet werden können. Hierzu fehlen auf nationaler Ebene belastbare Daten. Dieser Artikel soll aber eine grobe Einschätzung geben, welche gesundheitlichen Probleme in den Bereichen übertragbare und nicht-übertragbare Erkrankungen bei Asylsuchenden vorkommen können. Darüber hinaus wird dargelegt, welche Maßnahmen zurzeit eingeleitet werden, um zukünftig die dringend benötigte Datenbasis zu verbessern.

Übertragbare Erkrankungen

Asylsuchende sind grundsätzlich durch die gleichen Infektionskrankheiten gefährdet, wie die in Deutschland ansässige Bevölkerung. Die schwierigen Umstände während der Flucht nach Deutschland, ein ggf. eingeschränkter oder fehlender Impfschutz sowie die engen räumlichen Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen können jedoch zu einer höheren Vulnerabilität gegenüber bestimmten Infektionskrankheiten führen. Insbesondere impfpräventable und gastrointestinale Erkrankungen sowie Tuberkulose und parasitäre Hauterkrankungen erscheinen aufgrund ihres Übertragungsweges, ihres Vorkommens in den Herkunftsländern, ihres gehäuften Auftretens in Gemeinschaftsunterkünften oder ihres Ausbruchspotenzials besonders relevant. Ein Überblick über epidemiologisch relevante Infektionskrankheiten sowie zu weiteren für Deutschland ungewöhnliche Infektionskrankheiten bei Asylsuchenden ist auf der Internetseite des Robert Koch-Instituts (RKI) zu finden.

Prävention und Kontrolle von Infektionskrankheiten in Gemeinschaftsunterkünften für Asylsuchende ist  Zuständigkeit der Betreiber und wird durch Gesundheitsämter überwacht. Vor oder unmittelbar nach Aufnahme in Gemeinschaftsunterkünfte erhalten Asylsuchende eine Erstaufnahmeuntersuchung gemäß § 62 Asylgesetz und § 36 Infektionsschutzgesetz. Diese Untersuchung dient dem Erkennen akuter Infektionen, wie zum Beispiel der ansteckungsfähigen Lungentuberkulose. Die genauen Inhalte und Umstände der Durchführung werden aber von den Bundesländern definiert und variieren entsprechend. Da diese Screening-Untersuchung nur eine Momentaufnahme abbilden kann, ist ein freiwilliger, niedrigschwelliger Zugang zur Gesundheitsversorgung für Asylsuchende notwendig, um Infektionen frühzeitig zu erkennen, zu behandeln und eine Weiterverbreitung zu verhindern. Asylsuchende, deren Impfstatus unvollständig oder unbekannt ist, sollten grundsätzlich nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission geimpft werden. Zur effektiven Umsetzung dieser Empfehlungen unter Asylsuchenden liegt ein abgestimmtes Konzept vor (EpiBull 41/2015).

Belastbare Zahlen zum Vorkommen von Infektionskrankheiten unter Asylsuchenden liegen zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor. Das Asylbewerberleistungsgesetz um- fasst nur die medizinische Versorgung akuter und/oder schmerzhafter Leiden. Das Gesundheitswesen bleibt somit Asylsuchenden in weiten Teilen verschlossen und die Routinedaten des Gesundheitswesens sind bezogen auf diese Fragestellung nicht auswertbar. Die Ergebnisse der Screening-Untersuchungen werden nicht flächendeckend ausgewertet und lassen sich aufgrund der Unterschiede auch schwer vergleichen. Seit September 2015 übermitteln Gesundheitsämter bei meldepflichtigen Infektionskrankheiten Angaben zum Herkunftsland und zum Datum der Einreise über die Bundesländer an das RKI. Weitere Forschungsaktivitäten des RKI beziehen sich u. a. auf die gesundheitliche Erstversorgung sowie auf Prävalenzen und Inzidenzen von verschiedenen Infektionskrankheiten bei Asylsuchenden in Deutschland.

Nicht-übertragbare Erkrankungen

Verglichen mit Infektionskrankheiten ist mit nicht-übertragbaren Erkrankungen in Deutschland eine wesentliche größere Krankheitslast verbunden. Beide werden stark von sozio-demografischen Determinanten beeinflusst. Risikofaktoren für Infektionen, chronische Erkrankungen, aber auch Traumatisierung und andere psychische Erkrankungen variieren stark in Abhängigkeit von der Herkunftsregion, genauso auch von den Erfahrungen, die vor und auf der Flucht gemacht wurden. Anderseits können auch protektive Faktoren – beispielsweise ein geringerer Tabak- und Alkoholkonsum – eine Rolle spielen. Es gibt zwar Hinweise darauf, wo konkreter gesundheitsbezogener Handlungsbedarf besteht, jedoch fehlen detaillierte und stratifizierte Informationen über das Ausmaß gesundheitlicher Problemlagen der Asylsuchenden, um die Handlungsempfehlungen mit Evidenz zu untermauern. Für Deutschland werden die Daten zur Prävalenz sowohl für nicht-übertragbare als auch für übertragbare Erkrankungen vor allem im Zuge großer Gesundheitssurveys des RKIs erhoben. Um die Datengrundlage für die Gruppe der Asylsuchenden zu verbessern, plant das RKI, die Einbeziehung dieser Gruppe in das Gesundheitsmonitoring zu verbessern.

Fazit

Zur Beurteilung der Gesundheit Asylsuchen- der in Deutschland fehlen zurzeit belastbare Daten. Die Gesundheit der Asylsuchenden hinsichtlich übertragbarer und nicht-über- tragbarer Erkrankungen hängt aber wesentlich davon ab, wie gut sie hier in Deutschland versorgt sind und ob ihnen ein niedrigschwelliger, barrierefreier Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen, einschließlich Präventions-, Diagnostik- und Therapieangeboten gewährt wird.

 

*Als „Asylsuchende“ werden in diesem Artikel alle Personen verstanden, die sich in Deutschland aufhalten und sich gerade im Asylprozess befinden oder eine Duldung nach § 60 a Aufenthaltsgesetz erhalten haben. Das schließt alle Asylsuchenden, Asylbewerber (auch Minderjährige) und geduldete Personen ein.

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