Präventionsgesetz

Neue Perspektiven für die Gesundheitsförderung

Mit dem Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention vom 17.  Juli 2015 bieten sich neue Perspektiven hinsichtlich der Ziel- und Zielgruppenorientierung, der Erreichung sozial und gesundheitlich benachteiligter Gruppen, der Koordination und Kooperation sowie der Qualitätssicherung und Evaluation. Eine besondere Stärkung erfährt die Gesundheitsförderung in Lebenswelten, den sogenannten Settings wie Kindergärten, Schulen, Pflegeheimen und Betrieben. Dies sind ideale Orte, um ungenutzte Potenziale für die Prävention zu heben, denn hier können Zielgruppen mit schlechteren Gesundheitschancen am besten erreicht werden.

In den vergangenen 20 Jahren hat sich in Deutschland eine Präventions- und Gesundheitsförderungslandschaft mit einer Vielzahl von Akteuren und Maßnahmen entwickelt. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) hat sich dabei zum dominierenden Akteur entwickelt: Im Jahr 2014 gab sie rund 293 Millionen Euro für Präventionsmaßnahmen aus. Das sind 4,16 Euro je Versicherten und damit deutlich mehr als der gesetzliche Orientierungswert von 3,09 Euro für das Jahr 2014. Das Präventionsgesetz verpflichtet die Krankenkassen, die Ausgaben für Präventionsmaßnahmen auf sieben Euro je Versicherten zu steigern. Zudem bekommen die Pflegekassen einen neuen Präventionsauftrag. Sie werden verpflichtet, 0,30 Euro je Versicherten für die Gesundheitsförderung in Pflegeeinrichtungen auszugeben und dort den Setting-Ansatz zu etablieren. Mit der „Nationalen Präventionskonferenz“ schafft das Präventionsgesetz ein zentrales Koordinations- und Abstimmungsgremium der bedeutenden Akteure auf Bundesebene: Neben den vier Sozialversicherungen als Träger wirken Bund, Länder, Sozialpartner, kommunale Spitzenverbände, die Bundesagentur für Arbeit, Patientenorganisationen sowie die für die Gesundheitsförderung und Prävention maßgeblichen Organisationen und Verbände mit. Die Nationale Präventionskonferenz hat sich im Oktober 2015 konstituiert und soll bis Ende 2015 Bundesrahmenempfehlungen als Basis für eine gemeinsame nationale Präventionsstrategie schaffen. Festgelegt werden gemeinsame Ziele, Zielgruppen und Handlungsfelder. Die auf Bundesebene entwickelten Empfehlungen sollen die Zusammenarbeit der relevanten Akteure stärken und sind von den Krankenkassen, den Unfall- und Rentenversicherungsträgern sowie dem jeweiligen Bundesland in Landesrahmenvereinbarungen zu berücksichtigen. Die nationale Präventionsstrategie bietet die Chance, Synergieeffekte zu erzielen und Zielgruppen mit schlechteren Gesundheitschancen besser als bisher zu erreichen. Insbesondere sozial benachteiligte Quartiere und Zielgruppen mit besonderem Präventionsbedarf, zum Beispiel Erwerbslose oder Menschen mit Migrationshintergrund, können von dem stärkeren kooperativen Engagement profitieren. Inwieweit dies gelingt, wird künftig im Präventionsbericht dokumentiert, der alle vier Jahre – erstmals 2019 – erstellt werden muss. Bei der Gesundheitsförderung in den nichtbetrieblichen Lebenswelten ist vorgesehen, dass der GKV-Spitzenverband die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) beteiligt. Die BZgA soll nach dem Willen des Gesetzgebers insgesamt rund 32 Millionen Euro für die Entwicklung der Art und Qualität von Präventionsleistungen, deren Implementierung und die wissenschaftliche Evaluation erhalten. Die Finanzierung einer nachgeordneten Behörde des Bundesministeriums für Gesundheit aus Versichertenbeiträgen ist ordnungspolitisch und vergaberechtlich nach wie vor problematisch. Dennoch gilt es nun, die Zusammenarbeit mit der BZgA so auszugestalten, dass sie den ziel- und qualitätsgesicherten Ausbau der Aktivitäten der Krankenkassen bestmöglich unterstützt. Dabei soll an bestehende Strukturen, wie beispielsweise an die regionalen Koordinierungsstellen „Gesundheitliche Chancengleichheit“, angeknüpft werden. Prävention und Gesundheitsförderung sind nicht allein Aufgaben der Krankenkassen, sondern als gesamtgesellschaftliche Aufgaben zu begreifen und zu gestalten. Da dies im Gesetz nicht ausreichend berücksichtigt wurde, gilt es, bei der Umsetzung darauf zu achten, dass auch die Länder und andere Akteure sich nicht aus ihrer Verantwortung zurückziehen. Die Ersatzkassen werden die mit dem Gesetz verbundenen Chancen ergreifen und ihr Engagement in der Gesundheitsförderung weiter zielgerichtet und qualitätsgesichert ausbauen.

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