GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt

Illustration: Vier Menschen tauschen am Tisch Ideen aus

Mit den Eckpunkten zum Gesetz zur Stärkung der Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung der Spitzenorganisationen in der GKV (GKV-SVSG) will das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nach eigenem Bekunden die interne und externe Kontrolle in den Selbstverwaltungsorganen der Spitzenverbände im Gesundheitswesen stärken. Es baut aber im Wesentlichen nur die eigenen Aufsichtsrechte auf. 

In den vergangenen Jahren haben sich die Mitglieder der Selbstverwaltung immer wieder beklagt, dass die Entscheidungsmöglichkeiten und die Gestaltungsspielräume der Selbstverwaltungsorgane kontinuierlich durch den Gesetzgeber beschnitten worden sind. Wichtige Eingriffe waren 2011 die Einführung eines Vetorechtes des Gesundheitsausschusses des Bundestages bei der Ernennung der unparteiischen Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) oder zwei Jahre später die Verpflichtung zur Vorabgenehmigung von Vorstandsdienstverträgen von Kassen- und Verbandsvorständen durch das BMG. Auch im letzten Jahr wurden die Rechte der Selbstverwaltung weiter beschnitten; so zum Beispiel durch die gesetzliche Verpflichtung der Krankenkassen, Maßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zur Prävention aus Versichertengeldern zu finanzieren oder die direkte Beteiligung von Vertretern der Aufsicht an Entscheidungen des Innovationsfonds.

Als Ende Mai 2016 das Eckpunktepapier mit dem Titel GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz auftauchte, erwartete man anhand des Titels zunächst eine Abkehr von dieser Politik der schrittweisen Entmachtung der Selbstverwaltungsorgane. Und während noch im ersten Absatz das Prinzip der Selbstverwaltung als „tragendes Prinzip“ der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gepriesen wird und Praxisnähe und eigenverantwortliche Entscheidungen in den Mittelpunkt gerückt werden, wird im zweiten Absatz schon der wesentliche Kern des neuen Gesetzes aufgeführt: effektive interne und externe Kontrollen der Spitzenorganisationen der Selbstverwaltung, der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KBV und KZBV), des GKV-Spitzenverbandes (GKV-SV), des G-BA und des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS).

Die vorgelegten Vorschläge zur Stärkung der internen Kontrolle verbessern die Rechte der Mitglieder der Selbstverwaltung. So soll es zukünftig einzelnen Mitgliedern der Selbstverwaltung und nicht mehr dem Organ als Ganzem ermöglicht werden, Unterlagen zur Prüfung einzusehen. Darüber hinaus soll besser über die Tätigkeit der Ausschüsse informiert werden. Verpflichtend neu in jeder Satzung soll geregelt werden, dass der Vorsitzende des Verwaltungsrats oder der Vertreterversammlung mit einfacher Mehrheit abgewählt werden kann.

Was aber positiv als Stärkung individueller Rechte der Organmitglieder daherkommt, wird auf der anderen Seite teuer mit weiteren Rechten für die Aufsicht erkauft. So sollen die Entschädigungszahlungen an die Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane zukünftig veröffentlicht werden und eine neu für alle Spitzenorganisationen vorgeschriebene Innenrevision muss festgestellte Verstöße an das BMG berichten. Deutlicher noch greift der Vorschlag des BMG bei der Durchsetzung von Weisungen ein. Das bisher geübte gestufte Verfahren, welches zunächst ein aufsichtsrechtliches Beratungsgespräch vorsieht, bevor dann die aufsichtsrechtliche Weisung erfolgte, soll beschleunigt werden. Flankiert wird diese Maßnahme durch die Abschaffung der aufschiebenden Wirkung eines Klageverfahrens.

Weitere Entscheidungsspielräume der Selbstverwaltung will das BMG kappen, indem es sich das Recht zuschreiben will, in bestimmten Fällen, in denen rechtliche Beurteilungsspielräume bestehen, Konkretisierungen zur Rechtsanwendung und zur Rechtsauslegung zu erlassen. Ergänzend sehen die Eckpunkte vor, dass für die Vollstreckung von Aufsichtsverfügungen, abweichend von den Vorgaben des Bundesverwaltungsvollstreckungsgesetzes, erheblich höhere Zwangsgelder möglich sein sollen. Fairerweise muss man allerdings auch sagen, dass mit den Eckpunkten das Gesetzgebungsverfahren noch in einer sehr frühen Phase ist und dass sich bis zur Verabschiedung des Gesetzes noch einiges ändern kann und wird. Wohl als Reaktion auf die sofort von allen betroffenen Organisationen eingeleiteten Gespräche mit dem BMG wurden bereits in einer überarbeiteten Version der Eckpunkte von Ende Juni einige Punkte gestrichen, die zuvor zu massiver Kritik geführt hatten. So wurde die Pflicht zur Vorabgenehmigung des Haushaltes zurückgenommen und auch die vorgesehene komplette Streichung des Klagerechtes gegen aufsichtsrechtliche Weisungen ist entfallen. Des Weiteren muss die Innenrevision nur noch bei festgestellten Verstößen dem BMG berichten und nicht grundsätzlich alle Prüfberichte vorlegen.

Zwar wurden mit der Neufassung der Eckpunkte schon leichte Verbesserungen erzielt, nach wie vor stellen die Eckpunkte aber einen tiefen Eingriff in den Verantwortungsbereich der Selbstverwaltung dar und weisen in ihrer Gesamtbetrachtung den Willen des Gesetzgebers aus, schleichend und Schritt für Schritt seine Rechtsaufsicht in eine Fachaufsicht umzubauen.

Damit das Gesetz seinen Namen verdient und tatsächlich zu einer Stärkung der Selbstverwaltung führt, müssen aus der Sicht des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek) nicht nur individuelle Kontrollrechte gestärkt, sondern Entscheidungsspielräume an die Selbstverwaltung zurückgegeben werden. Dazu gehört in erster Linie die Wiedereinführung der vollständigen Beitragssatzautonomie für die gesetzlichen Krankenkassen, die Rücknahme der Vorabgenehmigungspflicht von Vorstandsdienstverträgen und die strikte Beachtung des Prinzips der Rechtsaufsicht bei allem Handeln des BMG. Käme der Gesetzgeber diesen Forderungen nach, wäre das ein klares Bekenntnis zur Selbstverwaltung als Organisator der hochwertigen Versorgung der Menschen zu solidarisch finanzierten Beiträgen.

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