Medikationsplan

Alle Medikamente auf einen Blick

Illustration: Patientin bespricht mit Ärztin ihren Medikationsplan

Die nicht aufeinander abgestimmte Einnahme verschiedener Arzneimittel kann gerade bei älteren Patienten zu massiven Problemen führen. Zu einer höheren Transparenz in diesem Bereich soll der Medikationsplan beitragen, auf den Versicherte seit dem 1. Oktober 2016 Anspruch haben.

Mehr als 40 Prozent der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nehmen gleichzeitig mindestens drei rezeptpflichtige Arzneimittel ein. Mit ihnen können Krankheiten geheilt, gelindert oder deren Verschlimmerung verhindert werden. Gleichzeitig steigt jedoch mit der Anzahl eingenommener Medikamente das Risiko unerwünschter Wechselwirkungen. Diese können auch in Kombination mit Arzneimitteln entstehen, die von den Versicherten – häufig ohne Wissen der behandelnden Ärzte – freiverkäuflich in der Apotheke erworben werden können. Wie viele Versicherte aufgrund von Wechselwirkungen infolge nicht abgestimmter Verordnungen oder Selbstmedikation behandelt werden müssen, ist schwer zu beziffern. Klar ist jedoch, dass die Sicherheit bei der Arzneimitteltherapie gerade bei Polypharmazie einen hohen Stellenwert in der Behandlung einnehmen muss.

Die Krankenkassen widmen sich bereits heute in zahlreichen Projekten dieser Problematik. Auch im Rahmen des Innovationsfonds sollen Versorgungsangebote zur Steigerung der Arzneimittelsicherheit gefördert werden. Gleichzeitig gehören die Erstellung eines Medikationsplans sowie die fortlaufende Kontrolle der Arzneimitteltherapie bereits seit jeher zu den Leistungsinhalten der Versorgung von chronisch kranken Versicherten. Viele Apotheken bieten ihren Kunden zudem ein Medikationsprofil mit sogenanntem Interaktionscheck als kostenlose Serviceleistung an. Mit dem E-Health-Gesetz hat die Politik der gemeinsamen Selbstverwaltung zusätzlich aufgegeben, einen Medikationsplan als verpflichtenden Leistungsbestandteil in die vertragsärztliche Versorgung aufzunehmen. Demnach haben alle Versicherten, die gleichzeitig mindestens drei verordnete Arzneimittel anwenden, seit dem 1. Oktober 2016 Anspruch auf Erstellung eines solchen Planes in Papierform durch einen Vertragsarzt. Ab 2019 sollen die Inhalte auch auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert werden können. Auf Wunsch des Versicherten kann auch die Apotheke eine Aktualisierung des Medikationsplanes vornehmen.

Der Zeitplan zur Einführung dieser Leistung, die immerhin für etwa 30 Millionen GKV-Versicherte relevant sein könnte, war vergleichsweise ambitioniert:

  • Bis Ende April 2016 hatten Kassenärztliche Bundesvereinigung, Bundesärztekammer und Deutscher Apothekerverband Inhalt und Struktur des Medikationsplans und Vorgaben zu seiner Erstellung und Aktualisierung festzulegen.
  • Bis zum 30. Juni 2016 sollten Kassen- und Ärzteseite Regelungen zum Anspruch des Versicherten im Bundesmantelvertrag Ärzte treffen.
  • Ebenfalls bis zum 30. Juni 2016 sollte auch der Bewertungsausschuss den Einheitlichen Bewertungsmaßstab entsprechend anpassen. Gerade dieser Aspekt ist insoweit bedeutsam, als dass der Referentenentwurf des Gesetzes zunächst noch keine Vergütung für den Medikationsplan in Papierform vorsah, da er bereits heute Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sei.

Aufbau und Inhalte des Medikationsplans

Der Medikationsplan wird im Regelfall durch den behandelnden Hausarzt erstellt. Eine Erstellung durch einen Facharzt ist nur dann vorgesehen, wenn der Versicherte keinen Hausarzt hat. Dabei werden die relevanten Daten aus der Praxisverwaltungssoftware übernommen und ggf. durch den Arzt ergänzt.

Die vorgegebenen Inhalte umfassen

  • Wirkstoff, optional zusätzlich der Handelsname des Medikaments
  • Stärke
  • Darreichungsform
  • Hinweise zur Dosierung und zur Anwendung
  • Anwendungsgrund

Der ausgedruckte Medikationsplan ist außerdem mit einem besonderen Barcode ausgestattet, in dem alle genannten Informationen enthalten sind. Damit kann ein mitbehandelnder Arzt oder der Apotheker Aktualisierungen vornehmen, ohne den Plan neu abtippen zu müssen. Hierzu wird der Barcode eingelesen und die Inhalte werden automatisch in der Software abrufbar und können dort bearbeitet oder ergänzt werden. Auf diese Weise erhält der Versicherte bei jeder Änderung der Medikation einen aktuellen Plan.

Vergütung: Schwierige Verhandlungen

Besonders schwierig gestalteten sich die Verhandlungen über die Höhe des Honorars, mit dem der aus Ärztesicht bestehende zusätzliche Aufwand abgegolten werden sollte. Aus Kassensicht musste ein potenzielles Finanzrisiko in Milliardenhöhe vermieden werden, das bei Vergütung jeder einzelnen Erstellung und Aktualisierung entstanden wäre. Im Ergebnis verständigten sich Krankenkassen und Ärzteseite am 21. September 2016 auf ein jährliches Vergütungsvolumen für diese Leistung in Höhe von 162,5 Millionen Euro. Der größere Anteil entfällt dabei auf die Hausärzte, die im Regelfall für die Erstellung des Medikationsplans verantwortlich sein werden. Dementsprechend wird der hausärztliche Chronikerzuschlag leicht angehoben. Für die vergleichsweise geringe Zahl an Versicherten, die zwar Anspruch auf einen Medikationsplan haben, für die aber kein Chronikerzuschlag abgerechnet werden kann, wird eine jährliche Einzelleistung in Höhe von ca. vier Euro eingeführt. Diese Leistung ist auch von bestimmten Fachärzten abrechenbar, wenn diese – anstelle des Hausarztes - den Medikationsplan erstellen. Die Aktualisierung der Medikationspläne im fachärztlichen Bereich wird über die Grundpauschalen abgegolten, die zu diesem Zweck mit einem extrabudgetären Zuschlag erhöht werden.

Durch diesen Kompromiss der gemeinsamen Selbstverwaltung ist sichergestellt, dass die betroffenen Versicherten seit Anfang Oktober 2016 ihren Anspruch auf einen Medikationsplan in der Arztpraxis wahrnehmen können. Gleichzeitig wird ein einheitliches Instrument geschaffen, das zu einer höheren Transparenz in der Arzneimitteltherapie beiträgt. Es bleibt zu hoffen, dass hierdurch auch eine verbesserte Koordination der Behandlung und eine Stärkung der Arzneimittelsicherheit erreicht werden kann.

Weitere Artikel aus ersatzkasse magazin. 9./10.2016