Bilanz

Neue Pflegebegutachtung kommt gut an

Illustration: Begutachtung einer Pflegebedürftigen

Seit dem 1. Januar 2017 sind die Pflegestärkungsgesetze in Kraft. Kernelemente dieser großen Pflegereform sind der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und die damit verbundene neue Pflegebegutachtung durch die Medizinischen Dienste der Kranken-versicherung (MDK). Seit nunmehr fünf Monaten begutachten die MDK pflegebedürftige Menschen nach einem umfassenden Verfahren, was bei allen Beteiligten guten Anklang findet. Es zeigt sich, dass die Pflegestärkungsgesetze insgesamt wirken.

Im Zuge der neuen Pflegebegutachtung fragen die Gutachter des MDK: Wie selbstständig ist der pflegebedürftige Mensch bei Mobilität, Selbstversorgung, Verhaltensweisen und psychischen Problemlagen, bei kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten, bei der Bewältigung und beim Umgang mit seiner Krankheit und bei der Gestaltung seines Alltags? Sie fragen auch, was getan werden kann, um die Selbstständigkeit des Betroffenen zu fördern und zu erhalten. Und sie geben eine Empfehlung für einen der fünf Pflegegrade ab. Die Resonanz bei Versicherten und Gutachtern auf diese neue Pflegebegutachtung ist positiv, sie kommt bei allen Beteiligten gut an.

Pflegebedürftige und ihre Angehörigen äußern sich positiv. Auf die am Ende der Begutachtung von den Gutachtern häufig gestellte Frage „Ist alles angesprochen worden, was Ihre Pflegebedürftigkeit und Ihren Unterstützungsbedarf ausmacht?“, antworten die Versicherten fast immer mit einem klaren „ja“. Und auch die Gutachter der MDK bewerten die Begutachtung positiv. Denn mit dem neuen Instrument werden die Beeinträchtigungen des Pflegebedürftigen, aber auch die Möglichkeiten, seine Selbstständigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen, besser erfasst. Es wird klarer als bisher erkennbar, wann und wie zum Beispiel präventive Maßnahmen und Leistungen der Heil- und Hilfsmittelversorgung und der medizinischen Rehabilitation ansetzen müssen.  

129.000 neue Leistungsempfänger

In den ersten drei Monaten dieses Jahr haben die MDK 222.178 Begutachtungen nach dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff durchgeführt. Bei mehr als 80 Prozent der Begutachtungen haben die Gutachter einen der fünf neuen Pflegegrade empfohlen. Dadurch erhalten im ersten Quartal fast 129.000 Menschen erstmals Leistungen aus der Pflegeversicherung. Die neuen Pflegebedürftigen verteilen  sich dabei wie folgt auf die fünf Pflegegrade:

  • 43.434 Pflegebedürftige erhalten den Pflegegrad 1
  • 54.195 Pflegebedürftige erhalten den Pflegegrad 2
  • 22.353 Pflegebedürftige erhalten den Pflegegrad 3
  • 6.914 Pflegebedürftige erhalten den Pflegegrad 4
  • 2.100 Pflegebedürftige erhalten den Pflegegrad 5

Die Einstufung in die Pflegegrade liegt oberhalb der Einstufung bei den bisherigen Pflegestufen. Zum einen werden mehr Pflegebedürftige anerkannt und insbesondere in die Pflegegrade 1 und 2 eingestuft. Zum anderen erhalten mehr Pflegebedürftige die hohen Pflegegrade 4 und 5 im Vergleich zur bisherigen Pflegestufe 3 und den Härtefällen. Eine erste Auswertung der neuen Begutachtungen zeigt, dass alle Lebensbereiche und damit alle sechs Begutachtungsmodule im neuen Verfahren zur Anerkennung von Pflegebedürftigkeit beitragen. In der neuen Begutachtung realisiert sich die ganzheitliche und umfassende Sicht von Pflegebedürftigkeit.

Auftragsanstieg und Erledigung

Die Pflegestärkungsgesetze wirken. Das sieht man auch daran, dass die Anträge auf Pflegeleistungen im Zusammenhang mit dem Systemumstieg deutlich angestiegen sind. Schon im vierten Quartal 2016 sind die Aufträge zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit bei den MDK um knapp unter 20 Prozent (17,2 Prozent) gegenüber dem Vorjahresquartal angestiegen. Im ersten Quartal 2017 lag die Zahl der Aufträge um ein knappes Drittel höher (31 Prozent). Der Auftragsanstieg liegt aber völlig im Rahmen dessen, was Gesetzgeber, Pflegekassen und MDK erwartet haben.

Die MDK haben sich wie die Pflegekassen und die anderen Akteure auf die Entwicklung eingestellt. In 2016 wurden 1,7 Millionen Pflegebegutachtungen durchgeführt. Das bedeutet eine Steigerung um 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im ersten Quartal 2017 konnten die MDK bereits 456.308 Pflegebegutachtungen erledigen. Dies ist ein Anstieg um immerhin 9,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal, und zwar in einer Phase, in der sich die Gutachter in das neue Verfahren eingearbeitet haben. Aufgrund der hohen Auftragszahlen verlängern sich die Laufzeiten der Pflegebegutachtung. Die durchschnittliche Laufzeit über alle erledigten Pflegegutachten lag im ersten Quartal durchschnittlich bei 23 Tagen. Wer aktuell einen Pflegeantrag stellt, muss mit einer Bearbeitungszeit von vier bis zu acht Wochen rechnen. Für dringliche Fälle gibt das Gesetz weiter Fristen vor, in denen der gesamte Vorgang vom Antrag bis zum Leistungsbescheid durch die Pflegekasse erfolgt sein muss. So gilt für Pflegebedürftige beim Übergang vom Krankenhaus oder von der Reha-Einrichtung und für den Übergang in die Palliativpflege eine Ein-Wochen-Frist. Wenn Angehörige eine Pflegezeit beantragen, dann gilt eine Zwei-Wochen-Frist. Und Erstanträge auf Heimpflege oder Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst sind innerhalb von einer 25-Arbeitstage-Frist zu erledigen. Alle diese Fristen werden aktuell vom MDK in weit über 90 Prozent eingehalten.

Mehrleistung und bessere Versorgung

Die Pflegereform bringt deutliche Verbesserungen für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen. Mehr Versicherte erhalten schon heute die verbesserten Leistungen der Pflegeversicherung. In den nächsten Wochen und Monaten werden weitere Leistungsempfänger dazukommen. Vor allem Demenzkranke erhalten durch die neue Pflegebegutachtung einen gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung. Aber auch andere Personengruppen, wie zum Beispiel Versicherte mit hohem krankheitsspezifischem Unterstützungsbedarf oder pflegebedürftige Kinder, profitieren von dem neuen System. Von daher kann man schon nach den ersten Monaten sagen: Die Pflegebedürftigen erhalten mehr und bessere Leistungen. Die Versorgung der Pflegebedürftigen wird  damit besser.

Weitere Artikel aus ersatzkasse magazin. 5./6.2017