Leistungsmarkt

Gestaltungsspielraum durch Verträge

Wettbewerb innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wird oftmals auf  den Wettbewerb der Krankenkassen um Versicherte reduziert. Jenseits hiervon existiert  jedoch eine große Bandbreite an Wettbewerbsmöglichkeiten auch im Vertragsbereich.

Versorgungswettbewerb außerhalb des Kollektivvertrags ist in den vergangenen Jahrzehnten durch neue Vertragsgrundlagen ermöglicht worden. Ein Leitgedanke war, dass durch kassenindividuelle oder selektive Vertragsabschlüsse die Allokationsprobleme der kollektivvertraglichen Vertragsstrukturen gelöst werden. Auf diese Weise soll durch Wettbewerbselemente eine Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit erreicht werden. Zudem erlaubt dieser Wettbewerb eine für den Versicherten wahrnehmbare Unterscheidung der Versorgungsangebote der Krankenkassen. Vertragswettbewerb kann somit zu einer verbesserten Qualität und Wirtschaftlichkeit beitragen und dem Versicherten Alternativen bei der Wahl seiner Krankenkasse bieten.

Die inhaltlichen Möglichkeiten zur Wettbewerbsgestaltung variieren. Einzelne Wettbewerbsfelder ermöglichen vornehmlich den Wettbewerb um den günstigsten Preis oder größten Rabatt auf ein einzelnes Produkt. Andere Felder beinhalten den Wettbewerb um Versorgungsansätze und Modelle, die die Qualität der Versorgung im Vergleich zur kollektivvertraglichen Regelversorgung verbessern sollen. Zudem ist zu unterscheiden, ob der Vertragsschluss für die Krankenkasse freiwillig ist und somit eine Auswahl von Leistungserbringern erfolgt, oder ob ein Vertragsschluss verpflichtend ist und somit der Wettbewerb auf die Einzelheiten der Versorgung und die Vergütung beschränkt ist. Im letzteren Fall konkurrieren die Krankenkassen um eine bestmögliche und wirtschaftliche Versorgung, ohne eine Auswahl von Leistungserbringern vorzunehmen.

Kooperationen

Auch das Ausmaß und die Form der Kooperation im Rahmen dieses Wettbewerbs variiert zwischen den einzelnen Wettbewerbsfeldern und Verträgen. Krankenkassen können diese Verträge einzeln oder in Kooperation schließen. Je nach Größe der Krankenkasse, Art der Versorgung und Ziel des Vertrages kann die Form der Kooperation voneinander abweichen. Ebenso werden in einigen Bereichen die Spielräume für Wettbewerb nicht genutzt, da die gemeinsamen Interessen aller Krankenkassen überwiegen. So werden zum Beispiel Verträge zur Besonderen Versorgung nach § 140a SGB V (vormals Verträge zur Integrierten Versorgung) sowohl durch einzelne Krankenkassen als auch durch Kooperationen von Krankenkassen geschlossen. Auch der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) schließt in diesem Rahmen einzelne Verträge für die Ersatzkassen ab, sofern ein gemeinsames Interesse der Ersatzkassen für ein Versorgungsmodell besteht.  

Satzungsleistungen

Ergänzend sind die Wettbewerbsspielräume im Rahmen der Satzungen der jeweiligen Krankenkassen zu nennen. Die Verwaltungsräte der Krankenkassen erhalten hier die Möglichkeit, in den Satzungen ergänzende Leistungen aufzunehmen. So können zum Beispiel Leistungen im Bereich der Vorsorge aufgenommen oder mit nicht zugelassenen Leistungserbringern vereinbart werden. Oftmals werden diese Leistungen in Kombination mit Selektivverträgen erbracht, um die Versorgung gezielt zu verbessern. Wettbewerb innerhalb der GKV ist jedoch keinesfalls unreguliert. Alle Krankenkassen unterstehen ihrer jeweiligen Rechtsaufsicht, die auch den Wettbewerb und die Leistungsverträge überwacht. Der Gesetzgeber hat zudem enge Grenzen des Wettbewerbs vorgegeben. So ist die Zielrichtung eines Qualitätswettbewerbs innerhalb der GKV das positive Abweichen vom Status quo, um mehr Qualität mittels der Versorgungsverträge zu erreichen. In welchem Ausmaß wird das nun von den Krankenkassen genutzt? Auch wenn konkrete Aussagen hierzu schwierig sind, gibt es einige Hinweise auf die Bedeutung einzelner Wettbewerbsfelder. Zum Beispiel lässt sich den vorläufigen Statistiken (KV45 – Vorläufige Rechnungsergebnisse der GKV) entnehmen, dass im Jahr 2016 im Rahmen der Rabattverträge nach § 130a SGB V ein Gesamtvolumen von 3,85 Milliarden Euro eingespart werden konnte. Im Vergleich zu den Gesamtausgaben für Arzneimittel in Höhe von 38,4 Milliarden Euro immerhin ein Anteil von zehn Prozent. Im Bereich der Verträge zur Hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V beliefen sich die Ausgaben der Krankenkassen auf 1,2 Milliarden Euro und die Ausgaben für Verträge nach § 140a SGB V auf etwa 1,6 Milliarden Euro. Diese Zahlen unterstreichen die Bedeutung und die Rolle des Vertragswettbewerbs innerhalb der GKV. Wettbewerbsverträge sind dabei sowohl Ergänzung zur kollektivvertraglichen Versorgung, mit denen neue Ansätze für mehr Qualität und Effizienz erprobt oder spezifische Versorgungsdefizite gelöst werden können, als auch in Teilbereichen vollständiger Ersatz für kollektivvertragliche Regelungen. Der Vertragswettbewerb ermöglicht die Gestaltung der Versorgung und schafft den Anreiz, die Versorgung bei hoher Qualität wirtschaftlich zu organisieren. Die Versicherten profitieren so durch Qualität und niedrige Beiträge.

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