Internationale Zusammenarbeit

Gemeinsam im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen

BM-Groehe_Portrait

Seit über 100 Jahren helfen Antibiotika dabei, Infektionskrankheiten, die durch Bakterien verursacht werden, zu bekämpfen und so die Ausbreitung von Krankheitserregern einzudämmen. Krankheiten, die zuvor schwere Gesundheitsschäden verursacht haben, sind dadurch gut behandelbar geworden. Gleichzeitig werden Antibiotika eingesetzt, um bei Operationen – etwa bei Organtransplantationen oder dem Einsatz künstlicher Gelenke – vor einer möglichen Infektion zu schützen. In der Medizin sind Antibiotika selbstverständlich geworden.

Längst aber zeigen viele Bakterien ihre Widerstandsfähigkeit. Sie sind unempfindlich gegen Antibiotika geworden, vor allem gegen solche, die schon lange eingesetzt werden. Die Bildung solcher Resistenzen wird durch einen unsachgemäßen Antibiotikaeinsatz erheblich verstärkt. Die Wunderwaffe Antibiotika droht dadurch stumpf zu werden.

Wenn Antibiotika durch solche Veränderungen unwirksam werden, verursacht dies unsägliches menschliches Leid und stellt unser Gesundheitswesen vor große Herausforderungen – durch schwierigere Behandlungen und Pflege, verlängerte Krankenhausaufenthalte und steigende Behandlungskosten.   

Antibiotikaresistenzen sind zu einer der größten Bedrohungen nicht nur für die Gesundheit unserer Bevölkerung in Deutschland, sondern für die Gesundheit weltweit geworden. Sie betreffen die Menschen in Industrienationen und Entwicklungsländer gleichermaßen und können die wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklung von Staaten erheblich beeinträchtigen.

Kampf gegen Antibiotikaresistenz auf internationaler Ebene wichtig

Deshalb war es richtig und wichtig, dass wir den Kampf gegen Antibiotikaresistenzen auf die internationale Tagesordnung gesetzt haben. Mit der Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dieses wichtige Thema zu einem Schwerpunkt der deutschen G20­Präsidentschaft zu machen, zeigt Deutschland einmal mehr, dass die globale Gesundheitspolitik zu einem Markenzeichen der internationalen Verantwortung unseres Landes geworden ist. Es ist ein Meilenstein für die globale Gesundheit, dass sich die wichtigsten Industrie­ und Schwellenländer (G20), die zwei Drittel der Weltbevölkerung ausmachen, dazu bekannt haben, den zunehmenden Resistenzen gemeinsam etwas entgegenzusetzen.   

Um den verantwortungsvollen Einsatz in allen Bereichen zu fördern, sprechen sich die G20­Staats­ und Regierungschefs für eine Verschreibungspflicht von Antibiotika aus, die in Deutschland eine Selbstverständlichkeit ist, aber längst nicht weltweit gilt. Gleichzeitig sollen die Infektionsprävention und ­-kontrolle gestärkt und das Bewusstsein der Öffentlichkeit geschärft werden. Zudem soll der Antibiotikaeinsatz in der Tiermedizin auf therapeutische Zwecke begrenzt und nicht länger zur Wachstumsförderung eingesetzt werden, was in Europa bereits seit 2006 verboten ist. Die G20 verpflichten sich dazu, den Zugang zu erschwinglichen hochwertigen Antibiotika, Impfstoffen und Diagnostika zu fördern sowie die Forschung und Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten voranzutreiben, um gefährliche Krankheitserreger zu bekämpfen. Eine neue internationale Plattform soll die Zusammenarbeit im Bereich Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika verstärken. Zudem sollen Möglichkeiten von Marktanreizen für neue Therapiemöglichkeiten geprüft werden. Und um der Ausbreitung von Resistenzen bei Menschen, Tieren und in der Umwelt zu begegnen, haben die G20 vereinbart, bis Ende 2018 Nationale Aktionspläne zu erarbeiten und deren Umsetzung auf einen guten Weg gebracht zu haben. Mit der Deutschen Antibiotika­-Resistenzstrategie – DART – geht Deutschland voran und kann andere Staaten mit wichtigen Erfahrungen unterstützen.   

Über den Fortschritt der deutschen Anstrengungen hat Deutschland in der Weltgesundheitsversammlung in Genf im Mai dieses Jahres einen Zwischenbericht vorlegt. DART hat viel bewegt: Mit der Überwachung des sachgerechten Antibiotikaeinsatzes durch das Robert Koch­-Institut (RKI) konnte eine wichtige Datengrundlage für gezielte Maßnahmen geschaffen werden. In Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen wurden Empfehlungen für Standards zu Diagnostik und Therapie von Infektionskrankheiten nach aktuellem Stand der medizinischen Wissenschaft erstellt. Zudem wurde die Fortbildung des medizinischen Personals verbessert. Seit 2013 werden die Krankenhäuser mit einem Hygieneförderprogramm dabei unterstützt, Hygienefachpersonal einzustellen und fortzubilden. Dieses Programm haben wir 2016 verlängert und ausgebaut. Bis 2019 stehen den Krankenhäusern so eine halbe Milliarde Euro für mehr Hygienepersonal zur Verfügung.

Auch die Meldepflichten für gefährliche Krankheitserreger wurden verschärft und werden regelmäßig an die aktuelle Resistenzsituation angepasst. Dadurch erfahren die Behörden vor Ort früher von Einzelfällen und können schneller die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung ergreifen. Und auch das RKI erhält einen genaueren Überblick über die Verbreitung dieser Erreger. Außerdem wurden die Rechtsgrundlagen für die Erstattung neuer diagnostischer Verfahren durch die Krankenkassen verbessert. Dies unterstützt den zielgenauen Einsatz von Antibiotika, weil schnell festgestellt werden kann, um welchen Erreger es sich handelt.

Mit diesem Wissen leistet Deutschland tatkräftige Unterstützung für Länder mit weniger entwickelten Gesundheitswesen. In afrikanischen und südostasiatischen Ländern fördern wir Projekte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Vermeidung von Antibiotikaresistenzen. Und wir helfen europäischen Ländern außerhalb der EU bei der Entwicklung und Umsetzung von nationalen Aktionsplänen. Die deutsche Unterstützung für die WHO im Bereich Antibiotikaresistenzen haben wir von 1,3 Millionen im letzten Jahr auf 2,3 Millionen aufgestockt.

80 Prozent der Antibiotika werden in Deutschland von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten verordnet. Deshalb wird es darum gehen, in den kommenden Jahren noch stärker den ambulanten Bereich in den Blick zu nehmen. Denn es muss sichergestellt sein, dass Antibiotika nur dann zum Einsatz kommen, wenn sie wirklich nötig sind und ihrem Einsatz eine entsprechende Diagnostik vorausgegangen ist. Dabei kommt den Ärztinnen und Ärzten, aber auch den Patienten Verantwortung zu.

vdek-Projekt RESIST zur Verbesserung des Antibiotikaeinsatzes bei Atemwegsinfektionen

Projekte, wie das durch den Innovationsfonds geförderte und in Zusammenarbeit mit dem Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) laufende Projekt RESIST zur Verbesserung des Antibiotikaeinsatzes bei Atemwegsinfektionen in der ambulanten Versorgung, liefern dabei wertvolle Erkenntnisse. Die eingeleiteten Fort­- und Weiterbildungsprogramme für medizinisches Personal und die Verbrauchsüberwachung durch das RKI müssen weitergeführt und wo nötig verstärkt werden. Wichtig ist zudem eine gute Aufklärung der Bevölkerung durch Arztpraxen und Apotheken, damit Resistenzbildungen nicht durch einen vorzeitigen Abbruch der Antibiotikaeinnahme befördert werden. Im Kampf gegen gefährliche Krankheitserreger werden wir nur erfolgreich sein, wenn alle am gleichen Strang ziehen: in der Humanmedizin, in der Landwirtschaft, im Umweltschutz, in der Forschung und Entwicklung, in Deutschland und weltweit. Wir sind ein gutes Stück vorangekommen. Diese Anstrengungen dürfen nicht nachlassen. Gerade jetzt müssen wir den Augenblick nutzen, um sie kraftvoll weiterzuführen. Deutschland wird dabei weiter Treiber und verlässlicher Partner sein.

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