Krankenhausfinanzierung

Der Begriff Zentrum erfordert eine Konkretisierung

Die von der Bundesschiedsstelle am 8. Dezember 2016 festgesetzte Zentrumsvereinbarung und ihre Anlage werden von den Beteiligten unterschiedlich interpretiert und haben dazu geführt, dass sich das Gros der Krankenhäuser nunmehr als Zentrum versteht und Zentrumszuschläge fordert. Diese Auffassung widerspricht allerdings dem Willen des Gesetzgebers. Vor diesem Hintergrund hat der GKV-Spitzenverband die Vereinbarung nebst Anlage gekündigt und die Krankenhausseite zur Neuverhandlung aufgefordert.

Die Übergangsfinanzierung für bestehende Zentren läuft Ende 2017 aus. Deswegen ist es das Ziel der Krankenkassen, vor allem die Übergangsfristen für laufende Zentrumszuschläge zu verlängern, um den Druck von den Ländern zu nehmen, den Kliniken den notwendigen speziellen Versorgungsauftrag im Krankenhausplan zu erteilen. Zudem sind bundesweit verbindliche klare Entscheidungskriterien für besondere Aufgaben in Form von strukturellen Vorgaben erforderlich.

Was macht ein Krankenhaus  zum Zentrum?

Das Anbringen eines Türschildes sollte allein nicht ausreichen, um als Zentrum im Bereich der Gesundheitsversorgung zu gelten. Ein anderer Eindruck drängt sich bei der Betrachtung der jüngsten Forderungen der Krankenhäuser nach Zentrumszuschlägen allerdings auf. Die deutsche Krankenhauslandschaft befindet sich im Wandel und die meisten Kliniken stehen aufgrund der hohen fehlenden Investitionsfinanzierung der Länder unter starkem wirtschaftlichem Druck. Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass sie sich von anderen Kliniken abheben möchten; dabei ist die Deklaration als „Zentrum“ nicht nur unter Marketinggesichtspunkten sinnvoll, sondern bietet auch einen lukrativen Zuschlag. Jedoch stellt sich hier die Frage, was ein Zentrum ausmacht.

Eine einheitliche Definition des Begriffs Zentrum existiert bisher nicht. Vor allem ist unklar, welche Leistungen als "besondere Aufgaben" eines Zentrums zu bewerten sind. Die Auslegung der gesetzlich unbestimmten Rechtsbegriffe hat nicht nur zu diversen Schiedsstellen- und Klageverfahren, sondern auch zu einem bundesweiten "Flickenteppich" der Zentrumsfinanzierung geführt. Mit dem Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) sollte der Zentrumsbegriff neu geregelt werden. Die Selbstverwaltungspartner erhielten den Auftrag, das Nähere über die Konkretisierung besonderen Aufgaben von Zentren und Schwerpunkten zu regeln. Da keine Einigung möglich war, hat die Bundesschiedsstelle eine Vereinbarung festgesetzt, gegen die die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) Klage erhob. Allerdings muss die Vereinbarung bis zur gerichtlichen Entscheidung umgesetzt werden, da der Klage keine aufschiebende Wirkung zukommt. Die Vereinbarung verstärkt die Streitigkeiten, weil zu den bisherigen unbestimmten Rechtsbegriffen neue hinzugekommen sind. So ist immer noch unklar, wie die Begriffe „Überörtlichkeit“ oder „krankenhausübergreifend“ zu verstehen sind.

Da die Zuschlagsfähigkeit nun auch einen speziellen Versorgungsauftrag des Landes erfordert, wird diese Thematik auch von den Ländern unterschiedlich gesehen. Während einige die weitere Entwicklung auf Bundesebene abwarten möchten, gehen andere Länder proaktiv vor und befragen beispielsweise die Krankenhäuser anhand von Fragebögen, ob sie sich selbst als Zentren im Sinne der Anlage verstehen. Dies hat allerdings den Anschein einer Alibifunktion für die vermeintlich folgende Planausweisung für Zentren. Es ist zu befürchten, dass für jeden Fragebogen eine Planausweisung erfolgt.

Eine Spezialisierung allein reicht nicht aus

Im Zuge der Zentrumsdebatte darf auch die Intention des Gesetzgebers nicht außer Acht gelassen werden. Die Zentralisierung ist ihm ein wichtiges Anliegen. Die mit dem KHSG neu geschaffenen Instrumente, wie zum Beispiel der Strukturfonds, die Weiterentwicklung der Mindestmengenregelung oder die Neuregelung der Zentrumsfinanzierung, zielen im Ergebnis auf eine Konzentration der Versorgungsstrukturen ab. Dieses Ziel der Zentralisierung von Versorgungsstrukturen darf nicht mit der von den Krankenhäusern vorgenommenen Spezialisierung verwechselt werden. Eine Spezialisierung allein reicht für die Zentrumseigenschaft nicht aus.

Seit der Einführung der diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG) fokussieren sich Kliniken verstärkt auf spezielle bzw. lukrative Fachgebiete und Leistungsbereiche. Auch die Mindestmengenregelung trägt ihren Teil zur Spezialisierung der Krankenhäuser bei. Davon zu unterscheiden ist die Zentralisierung. Ein Zentrum wird im Allgemeinen als eine einem bestimmten Zweck dienende zentrale Einrichtung gesehen; als Anlage, in der bestimmte Einrichtungen bzw. für jemanden etwas konzentriert sind. Von dieser Prämisse geht die GKV aus. Demnach muss ein Krankenhaus beispielsweise überörtliche Aufgaben wahrnehmen, die sich vor allem durch Vernetzungen und Kooperation mit anderen Kliniken auszeichnen. Es müssen regelmäßig und routiniert Leistungen für andere Krankenhäuser erbracht werden, wobei diese nicht bereits anderweitig finanziert sein dürfen. Auch die Schiedsstelle schließt daraus, dass es sich bei den von einem Zentrum erbrachten Leistungen krankenhausfinanzierungsrechtlich um einen Sondertatbestand handelt; dies bedeutet, dass die besonderen Aufgaben nur in eng begrenzten Ausnahmefällen vorliegen können. Die Überörtlichkeit setzt auch voraus, dass ein entsprechendes Einzugsgebiet und eine überdurchschnittliche Fallzahl im Vergleich zu anderen Kliniken gegeben sein müssen. Zudem können sich die besonderen Aufgaben aus der Erforderlichkeit von besonderen Vorhaltungen, insbesondere in Zentren für seltene Erkrankungen, oder aus der Notwendigkeit der Konzentration der Versorgung an einzelnen Standorten wegen außergewöhnlicher technischer und personeller Voraussetzungen ergeben. Auch hier müssen die Kriterien entsprechend konkretisiert und operationalisiert werden.

Diese Anforderungen können naturgemäß nicht alle spezialisierten Krankenhäuser erbringen, denn die speziellen Leistungen müssen sich auch von denen anderer Kliniken ohne Zentrumsfunktion deutlich abheben. Nach dem Schiedsstellenbeschluss reicht auch die Erbringung einer qualitativ sehr hohen Leistung allein nicht aus. Die Leistung muss im Vergleich zu anderen Leistungserbringern deutlich herausstechen – diese Kriterien gilt es zu definieren. Eigentlich sollten diese Aufgaben ausschließlich Maximalversorgern vorbehalten sein.

Da der Ausgang der Neuverhandlung und der Klage ungewiss ist, ist der Gesetzgeber gefordert, schnellstmöglich den Begriff des Zentrums zu konkretisieren, sodass Zentren in der Versorgung wieder etwas Besonderes und nicht nur zur „Melkkuh“ werden.

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