Ausland

Digitalisierung und E-Health in Europa

Die Europäische Union (EU) hat schon frühzeitig  die besondere Bedeutung der Digitalisierung im Gesundheitssektor erkannt. Durch die EU-Kommission wurden Fördermittel für verschiedene nationale und internationale Projekte bereitgestellt. Ziel dieser Projekte ist es, die Grundlagen für einen sicheren, zuverlässigen und standardisierten Austausch von Informationen zwischen den Beteiligten im Gesundheitswesen zu schaffen.

Bereits im Jahr 2008 wurde das EU-Großprojekt epSOS  initiiert. Das bis 2014 laufende Projekt hatte Beteiligte aus 25 Staaten Europas und ein von der EU-Kommission kofinanziertes Budget von 36,5 Millionen Euro. Im Rahmen dieses Projekts und weiterer Partnerprojekte wurden Vorschläge für organisatorische, technische sowie rechtliche Rahmenbedingungen entwickelt und erfolgreich pilotiert. Auf EU-Ebene wurden die Ergebnisse aufgegriffen und zum Beispiel bei der Richtlinie über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung (2011/24/EU) berücksichtigt. Auf deren Basis erfolgte zum Beispiel die Einrichtung des europäischen „eHealth Network“, das für die politische Steuerung in der EU verantwortlich ist.  

Neben den Aktivitäten auf EU-Ebene haben parallel auch die Mitgliedstaaten verschiedene Maßnahmen ergriffen, um national den E-Health-Bereich zu stärken.

Beispiel Estland  

Estland besitzt ein umfassendes E-Service- System, das über die Jahre bewusst und schrittweise erweitert wurde. Verbindendes Glied der Systeme ist ein Hintergrund-Netzwerk (X-Road), das von allen Applikationen als Basis genutzt wird. Die ID-Karte („Ausweis“) ermöglicht elektronische Unterschriften und dank zweier PIN-Codes die sichere Identifikation der Bürger. Es wird nur der Zugriff auf die Daten, die benötigt werden, erlaubt und die Haltung von doppelten Datensätzen verhindert. Die Datenverwaltung wird also deutlich einfacher.

Keine zentrale Stelle hat dabei Zugriff auf alle Daten. Sie werden durch eine der „Blockchain“ ähnliche Technologie geschützt und existieren damit nicht gesammelt, sondern sind kleinstteilig zerstückelt und über verschiedene Server verteilt. Das hier angewandte System wird unter anderem auch von der NATO und dem US-Verteidigungsministerium benutzt.

Nach anfänglichen Problemen mit Datensicherheit und Zugriffsmöglichkeiten hat sich das 2008 initiierte E-Health-System etabliert. Alle Krankenhäuser, Ärzte und Versicherungen wurden ab 2009 verpflichtet, die Patientendaten an das Gesundheits-Informations-System weiterzuleiten. Entwicklung und Pilotierung waren auf fünf Jahre ausgelegt. Seitdem wird es kontinuierlich weiterentwickelt.

Monatlich werden ca. 500.000 Anfragen von Ärzten und 300.000 von Patienten an das E-Health Netzwerk gestellt. Zurzeit sind die Daten von 1,3 Millionen Personen dokumentiert. Insgesamt sind 95 Prozent der Patientendaten digitalisiert. 99 Prozent aller Verschreibungen erfolgen digital und können von der Apotheke eingesehen werden, wenn der Patient mit seiner ID-Karte das Medikament abholen möchte. Auch andere Prozesse werden erheblich vereinfacht, zum Beispiel bei der Überprüfung von Impfnachweisen oder der erforderlichen Verlängerung von Führerscheinen. Auch Terminvergaben und Überweisungen erfolgen elektronisch. Alle Rechnungen im Gesundheitsbereich sind digital und werden auch den Patienten zur Verfügung gestellt.  

Patienten können alle Zugriffe auf ihre Daten online über das Patienten-Portal verfolgen und falls nötig Widerspruch einlegen. Das System ist aufgrund seiner hohen Transparenz, Nutzerfreundlichkeit und Sicherheit von den Beteiligten in hohem Maße akzeptiert.

Beispiel Dänemark

Dänemark ist neben Estland eine der führenden Nationen in der Entwicklung von elektronischer Verwaltung und damit auch von E-Health. Auch die dänische Lösung ist dezentral. Die Vernetzung der Vorläufersysteme wurde auf nationaler Ebene vorangetrieben, der Einfluss der fünf Verwaltungsbezirke ist allerdings nicht zu übersehen. MedCom – eine staatlich geführte Non-Profit-Organisation – hat die Aufgabe, den Ausbau von E-Health-Systemen zu testen, zu validieren und voranzutreiben. Sie wurde 1994 gegründet und ermöglicht eine standardisierte Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Sie umfasst mittlerweile alle regulären Abläufe wie Entlassungspapiere, Zuweisungen, Labortestaufträge und -ergebnisse sowie Verschreibungen und Rückerstattungen. Im ersten Jahr wurden 4.000 Dokumente verschickt. 2011 waren es schon 60 Millionen Dokumente und die Zahl ist seitdem kontinuierlich gestiegen. In Ergänzung hierzu wurde die Plattform sundhed.dk 2003 eingerichtet. Sie bildet die Basis für eine optimierte Kommunikation zwischen Ärzten, Gesundheitseinrichtungen und Patienten.

Beispiel Österreich

In Österreich läuft der Auf- und Ausbau des E-Health-Systems seit 2005, als die e-card, die elektronische Krankenversicherungskarte, eingeführt worden ist. Sie ermöglicht eine bargeldlose Inanspruchnahme von Gesundheitsservices und erleichtert die Administration für Ärzte, Krankenhäuser, Versicherungen und Patienten. Die e-card ist auch die Basis für die elektronische Gesundheitsakte (ELGA), die 2012 beschlossen wurde. ELGA steht allen Menschen im Gesundheitssystem sowie Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Apotheken und Ärzten zur Verfügung. Im System werden Befunde und seit 2017 auch Verschreibungen von Medikamenten dokumentiert und erlauben daher eine einfachere Abwicklung der zugehörigen Prozesse. Der nächste Schritt in Österreich ist die Telemedizin. Dieser Prozess  umfasst die Bereitstellung und Vernetzung von Testgeräten für chronisch Kranke oder Menschen mit Herzinsuffizienzen. Wichtige Parameter können mit den richtigen Geräten bequem von zu Hause übermittelt und die Daten ohne Termin vom zuständigen Gesundheitsdienstanbieter überprüft werden.

Die Dynamik im E-Health-Bereich geht einher mit der demografischen Entwicklung einer mobilen und gleichzeitig immer älter werdenden Gesellschaft. Hierzu passt auch die von Estland gestartete Initiative, den freien Austausch von Daten als Grundfreiheit in der EU zu etablieren bei einer gleichzeitigen Verbesserung des Datenschutzes. Die Stichworte hierzu sind Datenschutzgrundverordnung, die künftige ePrivacy- Verordnung und das sogenannte „Zentrale digitale Zugangstor“ für die grenzüberschreitende Nutzung von öffentlichen Verwaltungsleistungen. Für Deutschland könnte es sich anbieten, noch stärker als in der Vergangenheit Lösungen, die in anderen Staaten oder auf der EU-Ebene bereits erfolgreich eingesetzt werden, zu übernehmen. Dies wird dazu beitragen, Kosten zu vermeiden, Doppelentwicklungen zu verhindern sowie die Umsetzung der nationalen Ziele für E-Health einfacher und schneller zu ermöglichen. Gleichzeitig ist die Interoperabilität mit anderen Staaten garantiert.

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