Krankenhausplanung

Heute gescheitert - morgen wichtiger denn je

Grafik: Krankenhausversorgungsplanung

Der Begriff Planung hat in den letzten Jahrzehnten vor allem im Zusammenhang mit der Planwirtschaft einen faden Beigeschmack bekommen. Dies gilt auch für die Krankenhausplanung hierzulande. Dies liegt einerseits an der trägen Standortfortschreibung und andererseits an der Investitionsfinanzierung der Länder, die mehr als unzureichend ist. Angesichts des demografischen Wandels am Arbeits- und Gesundheitsmarkt stellt sich die Frage, ob Markt und Wettbewerb tatsächlich die besseren Alternativen sind oder ob die Krankenhausplanung nicht einfach neu justiert werden muss.

Die Länder sind nach dem  Grundgesetz verpflichtet, die Gewährleistung der Krankenhausinfrastruktur zu garantieren. Wenn sie selbst keine Krankenhäuser betreiben, müssen sie sicherstellen, dass es andere Träger übernehmen. Dieser sogenannte Sicherstellungsauftrag der Länder wird über die Krankenhauspläne realisiert. Die im Plan aufgenommenen Krankenhäuser werden zur Versorgung zugelassen. Hieraus folgt der Kontrahierungszwang für die Krankenkassen, die mit den Plankrankenhäusern Budgetvereinbarungen schließen müssen.   

Diese Vereinbarungen sind von den obersten Landesbehörden wiederum zu genehmigen. Aus dem Sicherstellungsauftrag ergibt sich indirekt die Investitionsförderverpflichtung der Länder. Die Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser wurde zuletzt mit dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG)  1972 grundlegend geändert. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es eine mehr oder weniger ungeregelte monistische Finanzierung. Die Hauptlast der finanziellen Aufwendungen hatten die Krankenkassen über die Pflegesätze und die Krankenhausträger selbst aus Eigenmitteln für den Investitionsbereich zu tragen. Von den Ländern erhielten die Krankenhäuser ohne entsprechende landesrechtliche Verpflichtung und in unterschiedlichem Umfang Finanzhilfen als Investitionszuschüsse sowie Zins- und Tilgungszuschüsse. Die Krankenhäuser waren bei dieser defizitären Entwicklung einem ständigen Substanzverlust ausgesetzt. Mit dem Inkrafttreten des KHG wurde die Finanzierung der Vorhaltung von Krankenhäusern zur öffentlichen Aufgabe. Die Länder sind für die Finanzierung der Investitionskosten der Krankenhäuser zuständig. Bei dieser Länderförderung handelt es sich nach hiesiger Rechtsauffassung nicht um unzulässige Beihilfen im Sinne des Artikels 87 des EG Vertrags.

Seit 1972 ist die Investitionsförderung  der Länder stetig rückläufig. Nach über 40  Jahren dualer Finanzierung sieht die Problembeschreibung heute genauso aus wie damals. Die Länderinvestitionsquote liegt derzeit im Bundesdurchschnitt bei etwa 3,2 Prozent. Die tatsächlichen Investitionsausgaben der Krankenhäuser dürften bei sechs bis acht Prozent liegen. Die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser kann damit nicht garantiert werden. Das bedeutet, dass etwa die Hälfte der Investitionsausgaben aus Betriebskosteneinsparungen und Mengenausweitungen finanziert werden. Halbherzige Investitionsförderprogramme folgen einer trägen Krankenhausplanung, die bestehende Strukturen einfach nur fortschreibt.

Fallbezogene Vergütung

Mit der Abkehr einer tagesbezogenen hin zu einer fallbezogenen Vergütung reduzierte sich die durchschnittliche Liegedauer um fünf Tage. Damit sank der Auslastungsgrad und freie Kapazitäten konnten für eine Fallzahlmehrung genutzt werden. Die Kongruenz zwischen der Abrechnungseinheit „Fall“ und der Planeinheit „Bett“ war nicht mehr gegeben. Die fachabteilungsbezogene Bettenplanung ist mit dieser Neuerung in dieser Form obsolet geworden. Seitdem sprechen die Länder davon, eine Rahmenplanung wie in heutiger Form durchzuführen.  

Das Wort Rahmenplanung ist aber ein ungeschützter und undefinierter Begriff. Dieser Umstand hat beim „Hauptakteur Land“ zu einer bedarfs- bzw. besitzstellenden, lethargischen Fortschreibung geführt, ohne diese an die eingetretene Entwicklung anzupassen. Das Leistungsgeschehen und die Krankenhausstrukturen entwickelten sich dadurch losgelöst von den Planvorgaben der Länder. Die Folge ist ein Nebeneinander von Fehl-, Über- und Unterversorgung. Die Krankenhausträger haben ihr Leistungsspektrum nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtet. Die Abkehr vom Selbstkostendeckungsprinzip zu einem Festpreissystem gab den Impuls hierfür. Ob eine Struktur vorgehalten wird, ergibt sich nicht aus der Planvorgabe des Landes, sondern aus der Wirtschaftlichkeitsberechnung des Krankenhauses.

Demografischer Wandel

Es zeigt sich, dass schon jetzt Krankenhausabteilungen aufgrund von Personalmangel geschlossen werden müssen. Qualifizierte Ärzte und Pflegekräfte stehen auf dem Arbeitsmarkt nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung. In vielen urban gelegenen Krankenhäusern kann beispielsweise die Notfallbereitschaft nicht rund um die Uhr gewährleistet werden. Nacht- und Wochenendbesetzungen können ebenfalls nicht mehr garantiert werden. Auch die Umsetzung der Richtlinie für Früh- und Reifgeborene wird zeigen, dass es weniger ein monetäres Problem ist, die Mindestbesetzung sicherzustellen, als vielmehr ein Arbeitsmarktproblem. Knapper werdende Ressourcen, wie etwa Länderinvestitionsmittel, Ärzte oder Pfleger, können künftig nicht mehr auf die bestehende Zahl von Krankenhäusern verteilt werden. Halbe Strukturen sorgen für eine geringere Versorgungsqualität.

Die Auswirkungen des demografischen Wandels am Arbeitsmarkt für Fachkräfte stehen erst am Anfang. Dies gilt auch für den Bereich der Kranken- und Altenpflege. Der Gesetzgeber versucht, mit dem Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetz (PpSG) der Entwicklung entgegenzutreten. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass beim Pflegepersonalmangel auch die Vergangenheit aufgearbeitet werden muss. Seit der Einführung der diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG) ist es zu einer Leistungsverdichtung in der Krankenhauspflege gekommen. Dies führte zu Abwanderungen und höheren Ausfallquoten in den Pflegediensten. Parallel dazu wurde die Ausbildung in der Krankenpflege stiefmütterlich behandelt. Seit Jahren konnten milliardenschwere Fördermaßnahmen nicht dazu beitragen, dass nennenswert mehr Pflegepersonal in den Krankenhäusern eingestellt worden ist. Eine Überfinanzierung im Betriebskostenbereich machte hingegen die Investitionsfinanzierung aus DRG-Entgelten und höhere Gewinne für die Krankenhausträger möglich. Der Gesetzgeber versucht nun, über ein krankenhausindividuelles Pflegebudget, vollständige Tarifrefinanzierung oder eine Fortschreibung des Pflegestellenförderprogramms die Probleme zu beheben. Er verkennt dabei, dass man fehlendes Personal am Arbeitsmarkt nicht einfach kaufen kann. Die Leistungserbringer treten in den Wettbewerb um begrenzte Personalressourcen ein. In diesem Wettbewerb haben gerade die Krankenhausträger die besten Karten, die in der Vergangenheit die größten Gewinne erzielt haben. Das dürften die sein, die am meisten Pflegepersonal abgebaut und ihr Leistungsspektrum stark auf lukrative Bereiche spezialisiert und zur ökonomisch motivierten Fallzahlsteigerung und damit zur Fehlversorgung beigetragen haben. Mit den zusätzlichen Beitragsgeldern werden die Fehlentwicklungen in Zukunft beschleunigt.

Planung – ja, aber anders  

Die passive Planung der Länder in Form von Bestandsfortschreibungen wird dem freien Spiel der Kräfte nichts entgegenzusetzen haben. Fehl-, Über- und Unterversorgung können der Wettbewerb bzw. der freie Markt alleine nicht ordnen. Diese neue Form von Ressourcenknappheit bedarf einer qualitätsorientierten Steuerung. Die Planung der Länder muss sich diesen Herausforderungen stellen. Ohne einen notwendigen Strukturwandel bzw. einen unausweichlichen Konzentrationsprozess in der Krankenhauslandschaft, der mit einer deutlichen Reduzierung der Zahl der Standorte einhergeht, werden die Probleme unter anderem im Pflegedienst nicht zu lösen sein. Die Länder müssen von einer Bedarfs- zu einer Versorgungsplanung kommen. Es macht keinen Sinn, gegen eine rückläufige Bevölkerungsentwicklung in einer Region den Bedarf klinischer Kapazitäten zu planen. In strukturschwachen Regionen mit schlechter Verkehrsanbindung, fehlender öffentlicher Infrastruktur etc. wird man es trotz Bedarfsplanung nicht schaffen, die erforderlichen Fachkräfte zum Umzug in diese Regionen zu bewegen. Die Versorgungsplanung plant hingegen beispielsweise den Bedarf je 100.000 Einwohner. In dünn besiedelten Regionen heißt das zwangsläufig: Die Entfernungen werden größer. Eine gute Versorgung kann unter Umständen wichtiger sein als eine wohnortnahe Versorgung. Versorgungsplanung bedeutet deshalb auch, auf logistische Anforderungen Antworten zu finden. Markt und Wettbewerb können dies nicht. Eine neue Form der Krankenhausplanung ist mehr denn je gefordert.

Gerade in überversorgten Gebieten ist eine Bedarfsplanung ohnehin obsolet geworden. Einerseits lässt sich der Bedarf nur schwer prognostizieren; andererseits sagt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass sich der tatsächlich zu versorgende Bedarf aus der Summe der Krankenhausverordnungen bzw. deren Anerkennung durch die von den Krankenkassen bewilligten Abrechnungen ergibt. An diesem Punkt ist anzusetzen. Dem derzeitigen Problem der Fehl- und Überversorgung kann nur durch eine Aufwertung des Prüfverfahrens der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) und einer Ausweitung des Zweitmeinungsverfahrens begegnet werden. Ferner bedarf es hier einer Kapazitätsplanung, die den Mut aufbringt, die Kapazitäten tatsächlich zu reduzieren. Die Schließung oder Konzentration von Krankenhäusern über den Strukturfonds darf in diesen Regionen nicht zum Ausnahmefall werden. Sie sollten qualitätsorientiert erfolgen und die Indikationsqualität in den Fokus stellen. Eine angebotsinduzierte Fehlversorgung wird von festen Preisen begünstigt. Preisabschläge in überversorgten und entsprechende Preiserhöhungen in unterversorgten Gebieten können zusätzlich eine Steuerungswirkung entfalten.  

Die Krankenhausplanung der Zukunft muss sich von einer Bedarfs- hin zu einer Versorgungsplanung entwickeln, die nach über- und unterversorgten Gebieten differenziert. Flankierende Maßnahmen müssen greifen, damit Fehl-, Über- und Unterversorgungen abgebaut werden und die Krankenhausversorgung dem medizinischen Fortschritt und demografischen Wandel gerecht werden kann. Erst wenn diese Schritte getan sind, kann der nächste Schritt einer sektorenübergreifenden Versorgungsplanung in Angriff genommen werden.

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